Die Einstellungen der Öffentlichkeit zum Klimawandel sind in den vergangenen Jahren bereits in zahlreichen Studien untersucht worden. Hingegen ist relativ wenig darüber bekannt, wie Journalisten über den Klimawandel denken - dabei haben sie durch ihre Berichte einen großen Einfluss auf öffentliche Debatten. Mit einer Untersuchung, die in der Fachzeitschrift Public Understanding of Science erschienen ist, haben die beiden Kommunikationsforscher Sven Engesser (Universität Zürich) und Michael Brüggemann (Universität Hamburg) nun - wie sie selbst es formulieren - etwas "Licht in die 'black box'" der Journalistenköpfe gebracht.

Für ihre Studie befragten die Wissenschaftler Journalisten aus fünf Ländern, aus Deutschland, Großbritannien, Indien, der Schweiz und den USA. Sie blickten dabei auf verschiedene Mediengattungen, auf große und kleinere Zeitungen, auf Qualitäts-, Boulevard-, Regionalblätter sowie auf Online-Medien (in Deutschland wurden beispielsweise FAZ, Süddeutsche Zeitung, Bild, Berliner Zeitung und Spiegel-Online untersucht). 64 Journalistinnen und Journalisten füllten den Fragebogen aus. Dies ist zwar eine nicht sehr große Untersuchungsgruppe, angesichts der insgesamt geringen Zahl spezialisierter Klimajournalisten dürfte es trotzdem ein aussagekräftiger Querschnitt sein. Der typische Studienteilnehmer war männlich, 43 Jahre alt, hatte einen Hochschulabschluss und verstand sich selbst als Wissenschafts- oder Umweltjournalist.

Hunger, Armut und Krankheiten gelten als wichtigste Klimawandel-Folgen

Ziel der Untersuchung war es, so die Autoren, sogenannte "Frames" zu ermitteln. In der Kommunikationsforschung versteht man darunter Deutungsrahmen, in die Informationen eingebettet werden - also Denkmuster und Interpretationen, wie sie jeder Mensch benutzt, um sich einen Reim auf die Welt zu machen. Die Denkmuster der Journalisten, so die Untersuchungsthese, dürften die Darstellung des Klimawandels in den jeweiligen Medien beeinflussen - und damit letztlich auch die Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit.

Für die Studie wurden die Journalisten also gefragt, was ihrer Ansicht nach die wichtigsten Ursachen und Folgen des Klimawandels sind und was aussichtsreiche Klimaschutzmaßnahmen wären. Ergebnis: Als größte Bedrohung sehen die Journalisten die zunehmende Verbreitung von Armut, Hunger und Krankheiten - erst danach folgen Phänomene wie Extremwetter, Meeresspiegelanstieg oder Eisschmelze. Als wichtigste Lösungsmöglichkeit gelten den Journalisten der Umstieg auf erneuerbare Energien, mit Abstand am wenigsten relevant ist für sie die Atomkraft. Als Hauptgründe für mangelnden Klimaschutz wurde das Fehlen international verbindlicher Abkommen genannt, die Einzelinteressen der jeweiligen Staaten und der starke Einfluss von Industrielobbyisten. Ein eventuelles Versagen des IPCC oder der Wissenschaftskommunikation allgemein rangierte ganz am Schluss der Rangfolge.

Aus den Antworten ergaben sich fünf verschiedene "Frames", in denen die Journalisten üblicherweise den Klimawandel deuten: In einem Deutungsmuster tragen die Regierungen und Wirtschaftsvertreter der Industriestaaten die stärkste Verantwortung, in einem anderen sind westliche Konsummuster das Hauptproblem. Eine dritte Betrachtungsweise blickt vor allem auf die Schwellenländer und ihre wachsenden Treibhausgasemissionen. Eine vierte hofft beim Kampf gegen die Erderwärmung stark auf neue Technologien. Die fünfte schließlich macht eine grundsätzlich mangelnde Aufmerksamkeit für die Umwelt als Hauptursache des ungebremsten Klimawandels aus.

Journalisten zögern offenbar, ihre eigenen Gesellschaften zu kritisieren

Von ihren Ergebnissen seien sie ziemlich überrascht gewesen, schreiben die Autoren. "Ursprünglich hatten wir die Studie auf fünf Länder ausgedehnt, um die Zahl der Journalisten zu vergrößern und übergreifende Gemeinsamkeiten zu identifizieren." Was sie stattdessen fanden, waren "einige bedeutsame Unterschiede zwischen den Ländern". Journalisten aus Schwellen- und Industrieländern haben demnach signifikant unterschiedliche Blicke auf den Klimawandel: Die indischen Journalisten sehen die kapitalistischen Wirtschaftsstrukturen und konsumorientierte Gesellschaften des Westens als wesentliche Ursache des Problems - und sind der Ansicht, dass vor allem hier Reformen nötig sind. Die Kollegen aus den Industriestaaten hingegen (die ja selbst in diesen Strukturen arbeiten und leben) stufen diese Gründe als weit weniger wichtig ein. Den größten Abstand zu den indischen Journalisten zeigten übrigens jene aus den USA und Großbritannien.

Genau entgegengesetzt ist das Bild, wenn es um die Verantwortung der aufstrebenden Schwellenländer geht: Diese wurde von den angelsächsischen Journalisten besonders hoch eingestuft, von den indischen jedoch sehr gering (die deutschsprachigen Journalisten lagen jeweils dazwischen). "Die Befunde deuten auf eine Art 'blame game'", fassen die Autoren zusammen. "Journalisten in Indien sind zögerlich, den Beitrag der Schwellenländer zum Klimawandel zu kommunizieren - während ihre Kollegen in den angelsächsischen Staaten es unterlassen, die westliche Konsumkultur zu hinterfragen."

Toralf Staud