Ansichten und Einstellungen zum Klimawandel werden - wie auch jene zu anderen Themen - meist in Prozentzahlen gemessen bzw. dargestellt. Mit Worten wie "Xy Prozent der Bevölkerung meinen ..." beginnen die üblichen Aussagen von Sozialwissenschaftlern oder Umfrageinstituten. Doch in solchen Querschnittsanalysen gehen die zum Teil dauerhaft stabilen Unterschiede zwischen den Befragten oder Befragtengruppen häufig verloren - ihnen kommt man durch Typologisieren auf die Spur, also das Herausarbeiten unterscheidbarer Gruppen und deren Analyse.

"Global Warming's Six Americas" war im Jahr 2009 der Titel einer Studie des Yale Project on Climate Change Communication (YPCCC), die in der US-Öffentlichkeit sechs verschiedene Teilöffentlichkeiten identifizierte - mit teils fundamental verschiedenen Einstellungen zum Klimawandel. Für die einzelnen Gruppen fand das Team um YPCCC-Direktor Anthony Leiserowitz anschauliche Namen: die "Alarmierten" ("Alarmed"), die "Beunruhigten" ("concerned"), die "Vorsichtigen" ("Cautious"), die "Unbeteiligten" ("Disengaged"), die "Zweifelnden" ("Doubtful") und die "Ablehnenden" ("Dismissive"). Diese Studie ist inzwischen ein Klassiker der sozialwissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel und wurde mehrfach fortgeschrieben.

Die USA & der Klimawandel: Sechs verschiedene Teilöffentlichkeiten

In der US-Öffentlichkeit identifizierten Forscher sechs Teilöffentlichkeiten mit unterschiedlichen Ansichten und Herangehensweisen an den Klimawandel - von den "Alarmierten" am einen Ende der Skala bis zu den "Ablehnenden" am anderen Ende; Quelle: Roser-Renouf et al. 2015

Ähnliche Untersuchungen gab es in den folgenden Jahren für Australien und Indien (mit ebenfalls jeweils sechs, aber teils anderen Teilöffentlichkeiten). Für Deutschland fehlte lange Zeit eine entsprechende Typologie - bis im vergangenen Sommer in der Zeitschrift Public Understanding of Science der Aufsatz "Global Warmings' Five Germanys" von Julia Metag, Tobias Füchslin und Mike S. Schäfer von der Universität Zürich erschien. Die deutsche Öffentlichkeit ist demnach, wie es der Titel bereits sagt, ebenfalls in verschiedene Teilöffentlichkeiten gespalten - allerdings in weniger und andere als die US-amerikanische.

Die Studie basiert auf Daten von knapp 2.000 Personen, die im Jahr 2011 vom Hamburger Klima-Exzellenzcluster "CliSAP" befragt worden waren. Demnach ist die Gruppe der "Alarmierten" hierzulande deutlich größer als in den USA (und auch als in Australien und Indien). Etwa 24 Prozent der Befragten fallen in diese Kategorie, die sich durch die größte Besorgnis ob des Klimawandel auszeichnet, aber nicht besonders aktiv in Sachen Klimaschutz ist. Als "beunruhigte Aktivisten" bezeichnen die Forscher die zweite Teilöffentlichkeit in Deutschland (18 Prozent): Ihnen macht der Klimawandel ebenfalls Sorge (doch etwas weniger stark als den "Alarmierten"), aber diese Leute übersetzen ihre Besorgnis auch in Handlungen: Sie versuchen beispielsweise, Flugreisen zu vermeiden, nutzen  Ökostrom oder sind auch politisch in Sachen Klimaschutz aktiv.

Die "Vorsichtigen" stellen mit 28 Prozent die größte Teilgruppe der deutschen Öffentlichkeit. Auch sie sind besorgt, aber nicht sehr stark, und ihren Lebensstil haben sie (noch) nicht geändert. Klimaschutz unterstützen sie höchstens politisch. Die Angehörigen der vierten Gruppe, die "Unbeteiligten" (20 Prozent), tun nicht einmal dies, aber den Klimawandel als Problem nehmen auch sie wahr. Die kleinste Teilöffentlichkeit hierzulande sind mit zehn Prozent die "Zweifelnden", die den Klimawandel oder aber die Hauptverantwortung des Menschen bestreiten. Zwar ist diese Gruppe ähnlich groß wie in den USA oder Australien, aber sie ist weniger ideologisiert - und die lautstarke Gruppe der "Ablehnenden", die vehement gegen Klimaschutz auftreten und den Klimawandel für das Hirngespinst einer Verschwörung halten, ist hierzulande nicht von Bedeutung.

Deutschland & der Klimawandel: Fünf verschiedene Teilöffentlichkeiten

In Deutschland typologisierten Forscher fünf Teilöffentlichkeiten - die "Alarmierten", die "beunruhigten Aktivisten", die "Vorsichtigen", die "Unbeteiligten" und die "Zwifelnden". Eine Gruppe der "Ablehnenden" wie in den USA oder Australien, die den Klimawandel ausdrücklich bestreiten und sich Klimaschutz vehement widersetzen, fehlt hierzulande; Quelle: Metag et al. 2015

Demografisch und sozio-ökonomisch zeigen die "fünf Deutschlands" teils deutliche und durchaus bemerkenswerte Unterschiede: So sind die "besorgten Aktivisten" die insgesamt jüngste Teilgruppe und jene mit dem höchsten Durchschnittseinkommen. Unter den "Zweifelnden" ist der Anteil der Männer am höchsten, und diese Gruppe ist überdurchschnittlich konservativ. Und die "Unbeteiligten" sind deutlich älter als diese beiden Gruppen, sie haben zudem das geringste Durchschnittseinkommen, ein relativ niedriges Bildungsniveau sowie eine hohe Arbeitslosenquote. Solche ökonomischen Merkmale dieser Gruppe dürften auch eine scheinbare Paradoxie erklären, auf die die Studie stieß: Ausgerechnet diese "Unbeteiligten" fahren wenig Auto und fliegen selten - doch sie tun dies weniger aus Sorge ums Klima, sondern weil sie sich solche emissionsintensiven Aktivitäten ohnehin nicht leisten können.

Auch bei der Mediennutzung fanden die Züricher Forscher einige signifikante Unterschiede zwischen den Teilöffentlichkeiten. So nutzen die "Unbeteiligten" am häufigsten Boulevardzeitungen und Unterhaltungsmedien. Und die Zahl derer, die das Internet für eine verlässliche Informationsquelle halten, ist unter den "Zweifelnden" am größten.

Jede der Teilgruppen lässt sich in der Kommunikation zum Klimawandel anders erreichen

"Unsere Ergebnisse könnten nützlich für Kommunikationskampagnen zum Klimawandel sein, schreiben die Autoren im Fazit ihrer Studie, "denn sie weisen Wege, auf denen die verschiedenen Gruppen angesprochen werden sollten." Um beispielsweise die "Unbeteiligten" zu erreichen, denen es oft noch an Basisinformationen zum Klimawandel fehlt, seien einfach verständliche Kampagnen mit unterhaltenden oder fiktionalen Formaten erfolgversprechend; und etwaige Verhaltenstipps sollten sich auf preiswerte Maßnahmen beschränken. Den "Vorsichtigen" hingegen fehle es weniger an Informationen zum Klimawandel, sondern an Motivation - ihnen sollten einfach mögliche Verhaltensänderungen für den Alltag aufgezeigt werden. Die "Alarmierten" könne man beispielsweise als Multiplikatoren nutzen - sie hatten in der Umfrage am häufigsten angegeben, im Freundes- und Familienkreis über den Klimawandel zu sprechen. "Eine Kampagne für diese Zielgruppe sollte Informationen zum Klimawandel liefern, die einfach weiterzuerzählen sind."

tst