Plakat der Partei "Die Grünen" zur Bundestagswahl 1983; Quelle: Stiftung Haus der Geschichte

"Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt", lautet ein klassischer Slogan der Umweltbewegung. 1983 zogen zum Beispiel die damals noch jungen Grünen mit diesem Spruch in den Bundestagswahlkampf. Derartige Appelle, an die eigenen Kinder oder an künftige Generationen zu denken, finden sich oft auch in Klimaschutzkampagnen. Aber ist dies überhaupt ein überzeugendes Argument? Und sorgen sich Menschen tatsächlich stärker ums Klima, wenn sie Kinder haben?

Zu dieser Frage gibt es bisher nur wenige Untersuchungen, und ihre Befunde sind nicht eindeutig. Die britische Psychologin Lorraine Whitmarsh zum Beispiel kam in einer Studie von 2011 zu dem Ergebnis, dass Menschen mit Kindern wohl etwas seltener den Klimawandel leugnen als Kinderlose, der Zusammenhang sei aber schwach und statistisch nicht signifikant. Experten wie der Kommunikationsberater George Marshall gehen davon aus, dass Eltern sich sogar weniger um den Klimawandel kümmern bzw. aktiv kümmern können – weil sie dafür schlicht keine Zeit haben neben dem typischen Stress des Familienalltags, zwischen sprichwörtlichem Wickeltisch, Wochenendeinkauf und Hausaufgabenhilfe.

Wer Kinder hat, macht sich deutlich mehr Sorgen über den Klimawandel

Die Soziologinnen Sara Ekholm und Anna Olofsson von der Mittelschwedischen Universität in Östersund sind der Frage in einer detaillierten Studie nachgegangen. Sie ist kürzlich im Fachjournal Risk Analysis erschienen. Ihren Ergebnissen zufolge verändert sich die Einstellung zum Klimawandel sehr wohl, wenn man Kinder hat – allerdings nur auf bestimmte Weise. Und um den Zusammenhang aufzuspüren, müsse man genau auf die Formulierung der entsprechenden Fragen achten.

Für ihre Studie werteten die beiden Forscherinnen Daten erneut aus, die 2010 bei einer großangelegten Umfrage zum Klimawandel in der nordschwedischen Provinz Jämtland gesammelt wurden. Knapp 1.400 Personen hatten damals umfangreiche Fragebögen ausgefüllt, etwa ein Viertel der Befragten hatten Kinder. Die Antworten dieser Probanden auf bestimmte Fragen wurden nun von Ekholm und Olofsson mit den Antworten der kinderlosen Befragten verglichen. Ergebnis: Wer Kinder hat, macht sich deutlich mehr Sorgen darüber, dass man selbst oder dass künftige Generationen vom Klimawandel betroffen sein wird bzw. werden.

Bei der Auswertung sei man aber auf eine interessante Differenz gestoßen, schreiben die beiden Soziologinnen: Nur als danach gefragt wurde, ob man sich „sorgt“ („are you worried?“) zeigte sich der Einfluss der Elternschaft. Diese verändert also offenbar die Sicht auf den Klimawandel auf der emotionalen Ebene. Wurde hingegen nach der – eher rationalen – Risikoeinschätzung gefragt („Do you think that climate change is something that now or in the future will affect those living in Jämtland?“) unterschieden sich die Antworten von Menschen mit und ohne Kindern nicht signifikant.

Der Effekt wird nur sichtbar, wenn auf der emotionalen Ebene gefragt wird

Im übrigen ergab diese schwedische Untersuchung – im Einklang mit vielen anderen Studien –, dass Geschlecht, Bildung und politische Identität jeweils einen deutlichen Einfluss auf individuelle Einstellungen zum Klimawandel haben: Frauen sorgen sich mehr als Männer, Menschen mit höherem Bildungsabschluss mehr als solche mit niedrigem Bildungsabschluss, Linke mehr als Rechte. Kinder zu haben oder nicht, ist demgegenüber ein relativ schwacher Einflussfaktor. "Die Korrelation zwischen Elternschaft und der Sicht auf den Klimawandel wird erst erkennbar, wenn die Dimensionen Sorge ('worry') oder Gewissen ('conscience') in den Fragen berücksichtigt werden – und die Antwortenden nicht nur danach gefragt werden, wie sie das Risiko einschätzen."

Ekholm und Olofsson weisen darauf hin, dass Untersuchungen zum Thema häufig nur rationale Risikoeinschätzungen abfragen – und mahnen, dass künftige Studien bei der Formulierung ihrer Fragebögen auch darauf achten, die Gefühlsebene zu erfassen. "Fragen nach Einschätzungen und Bewertungen können die Bedeutung von Elternschaft nicht erfassen, emotions-basierte Fragen hingegen können es."

tst