Die Bedrohungen durch den Klimawandel sind enorm. Extreme Wetterereignisse, steigende Meeresspiegel, zunehmendes Artensterben und dergleichen nehmen viel medialen Raum ein – und machen zu Recht Angst. Sich davon nicht lähmen zu lassen und konstruktiv mit negativen Gefühlen und Sorgen umzugehen, will und kann gelernt sein.
In dieser Ausgabe der “Studie des Monats” diskutieren wir die Publikation “Coping with climate change: Three insights for research, intervention, and communication to promote adaptive coping to climate change” (Mah et al. 2020). Eine englische Version des Artikels ist auf der Website der Universität Hamburg erschienen, mit der wir für diese Serie kooperieren.
Welcher Frage geht die Studie nach?
Die bereits einige Jahre alte Studie gibt einen Überblick über psychologische Forschungserkenntnisse, die dabei helfen können, Menschen bei der Entwicklung eines positiven Umgangs mit Klimaängsten zu unterstützen. Ein Kernbegriff der Studie ist „Resilienz“ – darunter versteht man die Fähigkeit, mit Veränderungen und den möglicherweise dadurch entstehenden Belastungen umzugehen.
Dieser Text ist Teil unseres Projekts #DebattenKLIMA. Es will – möglichst praxisnah – der Frage nachgehen, wie gesellschaftliche und politische Debatten über Klimaschutz und Klimaanpassung so geführt werden können, dass sie möglichst viel dazu beitragen, die Emissionen auf Null herunterzubringen. Eine der besonders spannenden Fragen hierbei ist, wie dies auch dann gelingen kann, wenn sich wichtige gesellschaftliche Akteure (seien es politische Parteien, seien es reichweitenstarke Medien, seien es einzelne Interessengruppen) einem solchen Diskurs entziehen oder verweigern oder ihn gar aktiv torpedieren – aus welchen Motiven auch immer.
Im Rahmen des Projekts erscheint unter anderem die Rubrik „Studie des Monats“, in der wir monatlich besonders wegweisende Ergebnisse der Sozialforschung zur Klimakommunikation vor – und beschreiben, was sich daraus ganz praktisch ableiten lässt für die tagtägliche Kommunikationsarbeit rund ums Klima. Hierbei arbeiten wir zusammen mit einem Forschungsteam um Michael Brüggemann, Professor für Kommunikationswissenschaft, Klima- und Wissenschaftskommunikation an der Universität Hamburg und langjähriger wissenschaftlicher Berater von Klimafakten.
Gefördert wird das Projekt #DebattenKLIMA von der Marga und Kurt-Möllgaard-Stiftung sowie der Naturstromstiftung.
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Ein weiterer zentraler Terminus ist „Bewältigungsstrategien“ (englisch: "coping strategies") – dies ist der Fachbegriff für Strategien, die Menschen einsetzen, um mit Ängsten umzugehen. Diese können “adaptiv” (auch "funktional" genannt) oder “maladaptiv” (auch "dysfunktional") sein.
Adaptive Strategien sind dadurch gekennzeichnet, dass sie es ermöglichen, emotionale und psychische Belastungen zu bewältigen, die den Ängsten zugrundeliegenden Risiken zu mindern, Handlungsoptionen zum Umgang mit tatsächlich eintretenden negativen Ereignissen wie Flutkatastrophen oder Waldbränden zu entwickeln und sich an verändernde Bedingungen anzupassen.
Maladaptive Strategien – zum Beispiel den Klimawandel zu leugnen oder dessen Konsequenzen schönzureden – mögen zwar oberflächlich auch hilfreich dabei sein, subjektiv weniger Belastung zu empfinden. Sie tragen aber weder zur Lösung der zugrundeliegenden Probleme bei, noch helfen sie bei der Vorbereitung auf künftige Ereignisse.
Welche Methodik wurde verwendet, und wieso ist diese belastbar?
Die Studie ist eine Übersichtsstudie, die ohne systematischen Ansatz bei der Literaturrecherche geschrieben wurde. Ihre Belastbarkeit entsteht dadurch, dass sie von mehreren ausgewiesenen Fachleuten für das Thema verfasst wurde und anschließend durch einen akademischen Peer-Review Prozess gegangen ist (darunter versteht man die bei wissenschaftlichen Fachzeitschriften übliche Praxis, dass Manuskripte vor der Veröffentlichung von Personen gegengelesen werden, die ebenfalls auf das jeweilige Themenfeld spezialisiert sind, aber nicht an der Studie beteiligt waren).
Vom Alarm zur Angst? Die Beschäftigung mit der Erderhitzung löst Emotionen aus – der Umgang damit sollte auch in der Kommunikation einen Rolle spielen; Foto: Phil Bednarczyk
Bei nicht-systematischen Übersichtsstudien besteht jedoch immer die Gefahr des bewussten oder unbewussten „Rosinenpickens“ („cherry picking“). Dabei werden nur Studien zitiert, die den (vorher feststehenden) Überzeugungen der Autor:innen entsprechen. Daher ist es bei solchen Studien besonders wichtig, die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen. Wir haben das getan und Dr. Anne Reif von der Universität Hamburg befragt, die ebenfalls zum Thema forscht (und nicht an der Publikation beteiligt war): Ihrer Einschätzung nach decken sich die in der Studie angeführten Erkenntnisse zum Großteil mit dem Stand der Forschung in der Kommunikationswissenschaft.
Zudem haben Übersichtsstudien das Problem, dass viele Empfehlungen recht abstrakt und generisch gehalten sind. Und wie Hendrik Meyer, MA (Doktorand im Bereich Klimakommunikation, den wir ebenfalls zu dieser „Studie des Monats“ befragt haben) betont, sollte die vorliegende Arbeit mit detaillierteren Befunden ergänzt werden, wenn es an die Ausgestaltung von Informationskampagnen und dergleichen geht.
Was sind die Kernbefunde, und warum sind sie relevant für Klimakommunikation?
Zunächst halten die Autor:innen fest, dass es nicht den einen, besten oder richtigen Weg gibt, um adaptive (also funktionale) Bewältigungsstrategien zu fördern. Es gibt jedoch wissenschaftliche Erkenntnisse, aus denen sich Ableitungen für die Praxis treffen lassen.
Eine übergreifende Einsicht lautet: Menschen über Risiken zu informieren, reicht nicht aus, um sie zur Entwicklung adaptiver Strategien für deren Bewältigung zu motivieren. Ebenso sollte man bei Angstbotschaften Vorsicht walten lassen, da diese zusätzlichen Stress verursachen könnten, der dann zu maladaptiven Reaktionen führen kann.
Gute Kommunikation klärt zwar über Risiken auf, so die Studie, informiert aber ebenso über verschiedene Strategien, um mit den entstehenden emotionalen Reaktionen umgehen zu können. In der psychologischen Literatur wird hierbei zwischen verschiedenen Ansätzen unterschieden
- Problemzentrierte Ansätze legen das Augenmerk auf Strategien zur Problembewältigung – im Falle der Klimakrise zum Beispiel darauf, wie Menschen dazu beitragen können, Emissionen zu verringern.
- Emotionszentrierte Ansätze konzentrieren sich auf die emotionale Reaktion und deren Regulation, zum Beispiel durch Meditation und Achtsamkeitspraktiken.
- Bei den bedeutungszentrierten Ansätzen ist die individuelle Interpretation von Geschehnissen zentral – also welche Bedeutung man ihnen zuweist. So kann es z.B. helfen, sich nicht als Opfer externer Entwicklungen zu begreifen, sondern als deren aktiver Mitgestalter.
- Soziale Ansätze betonen die Rolle, die das nähere und weitere Umfeld einer Person bei der Bewältigung von Angst und Stress spielen. Die Unterstützung durch das Umfeld kann sowohl praktisch-materiell sein als auch emotional.
Die Autor:innen der Studie weisen auch darauf hin, dass wirksame Kommunikation in mehrerlei Hinsicht kontextabhängig ist: Verschiedene Gruppen und Gemeinschaften reagieren unterschiedlich auf die gleichen Ereignisse, verfügen über unterschiedliche soziale und materielle Ressourcen und bevorzugen unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Nicht zuletzt heben die Autor:innen hervor, dass individuelle Bewältigungsstrategien und Resilienz wichtig sind, diese ihre volle Wirkung aber erst im Zusammenspiel mit ökologischer und sozialer Resilienz entfalten – also mit der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen und sozialen Strukturen, auf die Menschen angewiesen sind.
Was lässt sich aus der Studie konkret ableiten für die Praxis?
Zunächst lässt sich festhalten, dass gute Klimakommunikation auch die Aufgabe hat, Menschen dabei zu helfen „adaptive Bewältigungsstrategien“ (siehe oben) für Klimaängste und -sorgen zu entwickeln. Dafür reicht die reine Aufklärung über Risiken nicht aus. Vielmehr sollten immer auch Strategien zur Stressbewältigung und Problemlösung mitgeliefert werden.
Strategienvielfalt entwickeln
Wie die Autor:innen hervorheben, gibt es eine Vielzahl an Strategien zur Bewältigung emotionaler und psychischer Belastung. Gute Kommunikation vermittelt daher nicht nur einen einzelnen Ansatz, sondern bietet mehrere Optionen an. Dies hat gleich drei Vorteile.
Zum einen können unterschiedliche Bewältigungsstrategien für unterschiedliche Stressoren passend sein. Wenn sich zum Beispiel nicht (mehr) viel an dem Problem ändern lässt – wie der Tatsache, dass wir bereits ein gewisses Maß an Klimawandel verursacht haben –, können problemzentrierte Ansätze (siehe oben) weniger zielführend sein als solche, die sich auf die entstehenden Emotionen konzentrieren.
Zweitens weist die psychologische Forschung darauf hin, dass eine gewisse persönliche Flexibilität bei der Auswahl der Bewältigungsstrategien zu besseren Ergebnissen führt — Individuen können so die Strategie wählen, die jeweils der konkreten Herausforderung entspricht.
Drittens haben Menschen individuelle Vorlieben, und für manche funktionieren zum Beispiel soziale Strategien wie die Teilnahme an Selbsthilfegruppen oder das Engagement in Umweltorganisationen besser als solche, die individuell orientiert sind (wie Meditation oder Achtsamkeit).
Resilienz auf allen Ebenen stärken
Wie die Autor:innen festhalten, gibt es Resilienz auf mehreren Ebenen: Psychologische oder individuelle Resilienz beschreibt die persönliche Ebene, soziale Resilienz die gemeinschaftliche und ökologische Resilienz die Ebene der Umwelt.
Gute Kommunikation unterstützt deshalb Strategien und Verhaltensweisen, die Resilienz auf mehreren Ebenen entwickelt oder zumindest nicht zu negativen Effekten auf anderen Ebenen führt. Zum Beispiel kann das Mitmachen bei Umweltaktionen eine individuelle Strategie sein, mit der Klimakrise umzugehen, die zusätzlich dazu führt, die ökologische Resilienz zu stärken.
Wie bei fast allen Empfehlungen für gute Kommunikation ist auch hier wichtig festzuhalten, dass verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Herausforderungen, Ressourcen, Bedürfnisse und Präferenzen mitbringen — und idealerweise auf diese Unterschiedlichkeit eingegangen wird.
Zum Weiterlesen
Mah, A. Y. J., Chapman, D. A., Markowitz, E. M., & Lickel, B. (2020). Coping with climate change: Three insights for research, intervention, and communication to promote adaptive coping to climate change. Journal of Anxiety Disorders, 75, 102282 – https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2020.102282
Eine englische Version des Artikels ist auf der Website der Universität Hamburg erschienen, mit der wir für diese Serie kooperieren.