Es ist ein bisschen wie Unkraut jäten: In Gesprächen zu Ursachen, Folgen und Lösungen der Klimakrise tauchen immer wieder Fehl- und Desinformationen auf. Dies verhindert konstruktive Debatten; doch einzelne Falschinformationen zu bekämpfen, ist sehr aufwändig. Was kann getan werden, um die Situation dauerhaft zu verbessern?

Um diese Frage zu beantworten, diskutieren wir in dieser Ausgabe unserer neuen Serie „Studie des Monats“ die Publikation „Structured expert elicitation on disinformation, misinformation, and malign influence: Barriers, strategies, and opportunities“ (Kruger et al. 2024)

Welcher Frage geht die Studie nach? 

Fehl- und Desinformationen: Mit diesen Fachbegriffen werden Falschinformationen unterschieden in solche ohne und solche mit Täuschungsabsicht. Beides taucht im öffentlichen Diskurs über Klimaforschung oder Klimapolitik immer wieder auf. Faktenchecks, also das Überprüfen und Richtigstellen von Falschinformationen, oder auch das vorsorgliche Widerlegen noch nicht verbreiteter Falschinformationen, das sogenannte Pre-Bunking (Kurzwort für „pre-emptive Debunking“), helfen zwar bei konkreten Fällen, lösen das Problem aber nicht auf struktureller Ebene. 

Die Studie geht der Frage nach, was sich ändern müsste, um die Verbreitung falscher Informationen dauerhaft in den Griff zu bekommen. Dabei werden mehrere Teilfragen beantwortet:

  • Was sind die größten Herausforderungen und Barrieren bei der Bekämpfung von Fehl- und Desinformation?
  • Wie können diese überwunden werden?
  • Welche Strategien sind am wirksamsten?
  • Und welche sollten in den kommenden Jahren priorisiert werden?

Welche Methodik wurde verwendet, und wieso ist diese belastbar?

Die Autoren setzten eine Variante der sogenannten „Delphi-Methode“ ein, um das Wissen vielseitiger Fachleute durch eine mehrstufige Befragung zusammenzufassen. Die Methode ist in verschiedenen Forschungsrichtungen verbreitet und wird oft als geeignetes Instrument angesehen, um Fachwissen zu sammeln, das (noch) nicht gut in wissenschaftlichen Publikationen abgebildet ist.

Zunächst wurde eine Umfrage mit offen gehaltenen Fragen durchgeführt, um die Breite der vorhandenen Expertise abzubilden. Die Antworten wurden durch das Autorenteam zusammengefasst und in einem Online-Forum unter den Teilnehmenden zur Debatte gestellt.

Nachdem die Fachleute Zeit hatten, diese Antworten weiter zu besprechen, wurde eine zweite Umfragewelle durchgeführt. Diese hatte das Ziel, mit Hilfe statistischer Kennzahlen zu bewerten, welche Strategien allgemein akzeptiert sind und diese nach Priorität zu sortieren.

Das Ergebnis ist ein zwar gut fundiertes und mit numerischen Informationen versehenes Meinungsbild – aber, wie Dr. Mike Farjam (Universität Hamburg) hervorhebt, „stark von den teilnehmenden Fachleuten geprägt“. In diesem Fall waren dies hauptsächlich Forschende aus den Bereichen Psychologie und Informatik, sowie eine breite Gruppe an Praktiker:innen. Hingegen war unter den Befragten niemand aus Kommunikationsforschung oder auch aus der Politik.

Was sind die Kernbefunde, und warum sind sie relevant für Klimakommunikation?

Zunächst halten die Autoren fest, die befragten Fachleute seien sich einig, dass „eine Vielzahl an Strategien zur Bekämpfung von Fehl- und Desinformation effektiv sein könnte“ (Seite 3). Auch sind die meisten Expert:innen der Meinung, dass mehr Forschung nötig ist, um verschiedene Gegenmaßnahmen („Interventionen“) vergleichen zu können.

Nichtsdestotrotz sieht ein Großteil der Befragten eine Regulierung der sogenannten Sozialen Medien als derzeit wichtigste Strategie, um Falschinformation zu bekämpfen. Hierbei wird eine Art Medienrat vorgeschlagen, der sich für Transparenz darüber, wie Algorithmen Informationen verbreiten, und für Rechenschaftspflichten der Plattformbetreiber einsetzt. Diese hätten dann, so die Idee hinter dem Vorschlag, mehr Anreize, gegen Falschinformationen vorzugehen.

Schild "Heute Offene Gesellschaft"

Offene, demokratische Gesellschaften leben vom öffentlichen Diskurs– Kulturkampf und Polarisierung versperren dabei allerdings den Weg zu Lösungen; Foto: Carel Mohn

Als nahezu ebenso wichtig wird erachtet, das öffentliche Problembewusstsein für Fehl- und Desinformation sowie die Medienkompetenz und das kritische Denkvermögen Einzelner zu stärken. Dies könnte insbesondere an Schulen oder in anderen Bildungszusammenhängen geschehen.

Nicht zuletzt identifiziert die Studie einige Barrieren bei der Bekämpfung von Desinformation – und wie diese überwunden werden können. Hier wird vor allem ein Mangel an Vertrauen in Medien und politische Institutionen genannt, der wiederum von politischen Akteuren durch den gezielten Einsatz falscher Informationen verstärkt wird.

Wichtige Herausforderungen sind auch die politische Polarisierung sowie kognitive und emotionale „Biases“, also Voreingenommenheiten von Menschen, die aus Denk- und Gefühlsmechanismen resultieren. Zum Beispiel sind die meisten Menschen Informationen gegenüber weniger skeptisch, wenn diese die eigenen Überzeugungen bekräftigen (der sogenannte „Bestätigungsfehler“ oder „confirmation bias“). Biases sind oft unbewusst und tief in der Psyche verankert, und daher schwer zu bekämpfen.

Was lässt sich aus der Studie konkret ableiten für die Praxis?

Laut der Studie können viele verschiedene Ansätze hilfreich dabei sein, Fehl- und Desinformation zu bekämpfen. Aber die befragten Expert:innen heben hervor, dass noch viel Forschungsbedarf besteht, um konkrete Interventionen zu bewerten.

In Anbetracht dieser Tatsache empfiehlt Prof. Michael Brüggemann Kommunikationsforscher an der Universität Hamburg und langjähriger wissenschaftlicher Berater von Klimafakten, Kommunikationskampagnen „gut zu evaluieren, und diese bestenfalls in Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Forschungsinstitutionen zu gestalten“. Dies würde es erlauben, auf den neuesten Stand der Forschung aufzubauen und zugleich Daten für weitere Forschungsvorhaben zu generieren.

Problembewusstsein und Kompetenzen stärken

Die Studie streicht heraus, dass individuelles Problembewusstsein, Medienkompetenz und kritisches Denkvermögen im Umgang mit falschen Informationen helfen. Diese gilt es also zu stärken, um es Einzelnen leichter zu machen, Fehl- und Desinformation zu erkennen und diese nicht unbeabsichtigt weiterzuverbreiten.

Konkret kann das heißen, bei Kommunikationsvorhaben nicht nur auf die klimabezogenen Inhalte zu achten, sondern ebenso zu vermitteln, wieso Fehl- und Desinformationen mit Bezug zum eigenen Themenfeld im Umlauf sind, wie sich diese verbreiten und mit welchen Mechanismen diese operieren. Diese Strategie wird in der Fachwelt auch „Immunisierung“ oder „Impfung“ (engl.: „inoculation“) genannt. Hierbei kann auch Aufklärungsarbeit über kognitive und emotionale Biases betrieben werden und darüber, wie diese durch Fehl- und Desinformation angesprochen werden. Es sollte aber mit Vorsicht vorgegangen werden, um eine eventuelle Stigmatisierung des Publikums zu vermeiden und bestehende Polarisierung nicht weiter voranzutreiben.

Die Förderung dieser Fertigkeiten ist natürlich eine Aufgabe, die über den Rahmen einzelner Aufklärungskampagnen hinausgeht — und zum Beispiel auch an Schulen stattfinden sollte. Sich für bessere Bildungsangebote einzusetzen, ist daher auch eine der Aufgaben des Bereichs Klimakommunikation.

Vertrauensarbeit leisten und Regulierung vorantreiben

Wie erwähnt sehen die befragten Expert:innen einen Mangel an Vertrauen in politische, wissenschaftliche und mediale Institutionen als eine der wichtigsten Barrieren bei der Bekämpfung von Fehl- und Desinformation an. Daher sollten Klimakommunikator:innen bewusst auch vermitteln, welchen Organisationen und Akteuren in welchem Zusammenhang vertraut werden kann, und wieso dies der Fall ist.

Da insbesondere politische Akteure immer wieder gezielt Fehl- und Desinformation zum Einsatz bringen, ist es besonders wichtig, nicht blindes Vertrauen in die Politik zu fordern, sondern Fähigkeiten zu vermitteln, die es Einzelnen erlaubt, die Motivation und Vertrauenswürdigkeit verschiedener Akteure zu hinterfragen.

Die sogenannten Sozialen Medien sind einer der Hauptschauplätze bei der Verbreitung von Fehl- und Desinformation. Die für die Studie befragten Fachleute fordern hier eine verstärkte Regulierung, um Transparenz darüber zu schaffen, wie Algorithmen Informationen verbreiten, und um Plattformbetreiber zur Rechenschafft ziehen zu können, wenn diese Falschinformationen verbreiten. Wer im Bereich Klimakommunikation arbeitet, sollte sich für eine solche Regulierung auf politischer Ebene stark machen.

Bei Diskussionen über die Studie in der Forschungsgruppe von Professor Brüggemann an der Universität Hamburg wurde ergänzend festgehalten, dass viel Arbeit durch Journalist:innen geleistet werden könnte — diese können zum Beispiel Akteure aus der Politik in Interviews oder Pressekonferenzen explizit auf eventuelle Falschaussagen hinweisen bzw. diese breitenwirksam richtigstellen.

Zum Weiterlesen

Kruger, A., Saletta, M., Ahmad, A., & Howe, P. (2024). Structured expert elicitation on disinformation, misinformation, and malign influence: Barriers, strategies, and opportunities. Harvard Kennedy School Misinformation Review. https://doi.org/10.37016/mr-2020-169