Wenn über stärkeren Klimaschutz diskutiert wird, dann argumentieren Gegner häufig mit möglichen Arbeitsplatzverlusten oder einem angeblich drohenden wirtschaftlichen Niedergang. SPD-Chefin Andrea Nahles zum Beispiel warnte kürzlich vor einer "Blutgrätsche gegen die Braunkohle" und forderte, sich stärker "um die Menschen vor Ort" zu kümmern, also in den Kohlerevieren in der Lausitz und im Rheinland. Und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (ebenfalls SPD) behauptete, ein schneller Kohleausstieg würde die rechtspopulistische AfD weiter stärken.

Solche Einschätzungen basieren auf der weit verbreiteten Annahme, dass Menschen langfristige Umweltrisiken vernachlässigen, wenn ihre ökonomische Situation schlecht ist. Und erst wenn sich die finanzielle Lage bessere, nähmen Umweltsorgen wieder mehr Raum ein.

Doch eine sozialwissenschaftliche Studie, die im vergangenen Jahr im Fachjournal Environmental Politics erschienen ist, widerspricht dieser Annahme. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sich zumindest in den USA die Haltung der Bevölkerung gegenüber Klimaschutzmaßnahmen nicht eintrübe, sobald es mit der Wirtschaft bergab geht – auch wenn Umfragezahlen diesen Zusammenhang zunächst nahelegen. So hatte sich die Haltung der US-Öffentlichkeit gegenüber dem Klimawandel unmittelbar nach Beginn der letzten Finanzkrise verschlechtert: Die Zustimmung der Bevölkerung zu der Aussage "Ich denke, dass die Klimaerwärmung stattfindet" fiel von 71 Prozent im Jahr 2008 auf 57 Prozent im Jahr 2010, bevor sie wieder anstieg.

Umfrageergebnisse aus den USA zur Frage: "Denken Sie, dass sich die Erde erwärmt". Der starke Rückgang (Abwärtsbewegung der blauen Kurve ganz links) nach dem Jahr 2008 wird häufig auf die wirtschaftliche Unsicherheit in der Bevölkerung nach der Finanzkrise 2008 zurückgeführt. Doch eine aktuelle Studie fand für diese Erklärung keinerlei Belege, eher im Gegenteil; Grafik: Yale Programm on Climate Change Communication

Viele Analytiker deuteten die Befunde damals so, als sei die wirtschaftliche Rezession, die auf die Finanzkrise 2008 folgte, ursächlich dafür gewesen, dass plötzlich viel mehr Menschen die Existenz des Klimawandels anzweifelten. Diese verbreitete These war bislang aber nicht im Detail empirisch untersucht worden. Der Politologe Matto Mildenberger von der University of California Santa Barbara und Anthony Leiserowitz vom Yale Programme on Climate Change Communication der Yale University im US-Bundesstaat Connecticut stellten daher ein Panel mit 1.043 Personen zusammen, deren Haltung sie individuell untersuchen konnten.

Nicht die Wirtschaftskrise 2008 war Ursache für Meinungsumschwung ...

Mildenberger und Leiserowitz wählten für ihre Untersuchung Personen aus, die sowohl 2008 als auch 2011 an US-weiten Umfragen zu politischen und klima-relevanten Fragestellungen teilgenommen hatten. Diese waren von Knowledge Networks für das Yale Project on Climate Change Communication durchgeführt wurden. Die Forscher geolokalisierten alle Panel-Teilnehmer und prüften für die Jahre 2008 bis 2011, ob sich lokale wirtschaftliche Veränderungen mit einer anderen Haltung gegenüber dem Klimawandel in Verbindung bringen ließen. Dabei konnten sie keinen Zusammenhang feststellen. Auch Veränderungen der Haushaltseinkommen oder der subjektiv gefühlten Betroffenheit durch die Wirtschaftsrezession korrelierten nicht mit der persönlichen Haltung zum Klimawandel.

Ebenfalls ließ sich kein Zusammenhang mit den Arbeitslosenquoten auf der Ebene der Bundesstaaten, Bezirke oder Postleitzahlen-Bereiche feststellen. Auch Veränderungen der örtlichen Immobilienmarkts oder der Benzinpreise schlugen sich nicht auf die persönliche Einstellung nieder. Diejenigen, die von der Wirtschaftskrise am stärksten betroffen waren, waren deshalb nicht weniger bereit, ihre Unterstützung für die Klimapolitik zurückzuziehen.

Im Ergebnis ließen sich keine belastbaren Beweise für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der individuellen ökonomischen Situation und der persönlichen Haltung zum Klimawandel finden. Die schwere Wirtschaftskrise hatte die Überzeugungen zum Klimawandel also offenbar nicht verändert – dafür spielten andere Faktoren eine Rolle, etwa der Einfluss politischer Eliten.

... sondern offenbar rechtspopulistische Polemik gegen den Klimawandel

Die Studie stellte fest, dass in Teilen der US-Politik in den betreffenden Jahren plötzlich stärker gegen Klimaschutz und die Realität der Erderwärmung argumentiert wurde. So begann der rechtspopulistische Flügel der Republikaner, die sogenannte "Tea Party", damals seinen Aufstieg. Mildenberger und Leiserowitz konnten nachweisen, dass sich die Meinung der Panel-Teilnehmerinnen und Teilnehmer signifikant mit dem Abstimmverhalten ihres jeweiligen Kongressabgeordneten in Sachen Umweltfragen veränderte. Jedoch weisen die Autoren darauf hin, dass auf der Basis lediglich zweier Umfragen ein kausaler Zusammenhang nicht "klar zu bestätigen" sei. So wäre es auch möglich, dass nicht die politischen Debatten die Wählereinstellungen beeinflussten, sondern umgekehrt die politischen Eliten auf Änderungen der öffentlichen Meinung reagierten. Die Autoren halten aber ersteren Zusammenhang für plausibler, unter anderem deshalb, weil Konservative (bzw. Anhänger der Republikaner) deutlich stärker ihre Meinung geändert hatten als andere Wähler.

"Dieses Ergebnis ist sowohl eine gute, als auch eine schlechte Nachricht für Klimaaktivisten", schlussfolgern Mildenberger und Leiserowitz. Denn einerseits werde die öffentliche Unterstützung des Klimaschutzes kaum durch große wirtschaftliche Veränderungen beeinflusst. Zum anderen lasse sie sich aber sehr wohl von der Politik stark beeinflussen. (Auf den großen Einfluss politischer Debatten auf die öffentliche Meinung hatten auch frühere Studien schon hingewiesen, etwa Carmichael/Brulle 2016). Entsprechend sei es wichtig, zum Beispiel in den USA Führungspersönlichkeiten in den Reihen der Republikaner für das Thema zu gewinnen, um nicht nur die Klimagesetzgebung, sondern mittelbar auch die öffentliche Meinung zu verändern.

Eine konstruktive Klimadebatte braucht andere Deutungsrahmen

Für Mildenberger und Leiserowitz liegt es deshalb nahe, dass der Diskurs über den Klimawandel eines "Reframing" bedarf, also einer Veränderung des Deutungsrahmens: Für eine konstruktivere Debatte müssten beispielsweise auch Fragen der Gesundheit, der Moral, der Religion und der nationalen Sicherheit in den Mittelpunkt gestellt werden – statt nur auf (vermeintliche) wirtschaftliche Aspekte zu blicken. Dies lässt sich – bei allen Unterschieden, vor allem was die ideologische Polarisierung der Klimadebatte angeht – sicherlich auch auf Deutschland übertragen.

Einen bemerkenswerten Versuch in dieser Richtung starteten kürzlich mehr als hundert Jugendliche und Jugendvertretungen: In einem Offenen Brief unter dem Titel "Die Zukunft sind wir" lenken sie den Blick weg von aktuellen Arbeitsplätzen hin auf die Generationengerechtigkeit. "Viele von uns werden bis an das Ende des Jahrhunderts leben", heißt es darin. "Angesichts der bekannten Klimaentwicklungen … ist es mehr als ungewiss, in welchem Zustand die Umwelt Ende des Jahrhunderts sein wird. … Wir wissen, dass eine schnellstmögliche Abkehr von der Kohle unumgänglich ist - wenn wir unsere künftigen Lebensumstände und die der zukünftigen Generationen nicht einfach ignorieren. Im Sinne der Generationengerechtigkeit zu handeln ist nicht bequem, aber entscheidend für unsere Zukunft."

Christiane Schulzki-Haddouti