Politiker haben offenbar einen deutlich größeren Einfluss auf die öffentliche Meinung zum Klimawandel als Wissenschaftler. Das ist das Ergebnis einer Studie, die in der Fachzeitschrift Environmental Politics erschienen ist. Darin untersuchten die Soziologen Jason T. Carmichael von der McGill University im kanadischen Montreal und Robert J. Brulle von der Drexel University in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania den öffentlichen Diskurs zum Klimawandel in den USA zwischen 2002 und 2013. 

Dabei betrachteten die beiden Wissenschaftler nicht individuelle Einstellungen zum Klimawandel (hier haben laut Forschungsliteratur politisch-ideologische Grundüberzeugungen der jeweiligen Person den größten Einfluss), sondern die breite öffentliche Meinung. In einem ersten Schritt kombinierten sie dazu die Daten aus 74 verschiedenen Erhebungen von sechs Umfrageinstituten dazu, wie groß in der US-Gesellschaft die Besorgnis über die Erderwärmung ist. Die Datenbasis umfasste damit mehr als 84.000 Befragte.

Forschungsergebnisse haben nur wenig Einfluss auf die öffentliche Meinung

Zum zweiten sammelten sie Daten zu Faktoren, die laut der bisherigen Forschungsliteratur die Einstellungen zum Klimawandel beeinflussen können - zum Beispiel Extremwetterereignisse, die Veröffentlichung neuer wissenschaftlicher Informationen, Medienberichte, Debatten politischer Eliten und Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen, sowohl solcher für als auch gegen Klimaschutz. (Nebenbei geben Carmichael und Brulle hier einen kompakten Überblick über die einschlägige Literatur.) Sodann suchten die beiden Soziologen nach Zusammenhängen zwischen einzelnen Faktoren und Verschiebungen in der öffentlichen Meinung.

Das durchaus überraschende Ergebnis: Eine ganze Reihe der untersuchten Faktoren zeigte keinen signifikanten Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Klimawandels als bedeutsames Problem. So hätten die meisten Extremwetterereignisse allenfalls bei den jeweils konkret Betroffenen das Klimabewusstsein beeinflusst, landesweit habe man aber keinen merklichen Effekt auf die öffentliche Meinung finden können. Auch die Verbreitung wissenschaftlicher Informationen oder die Veröffentlichung großer Klimareports veränderte die Stimmung in der Bevölkerung kaum. Ernüchtert bilanzieren Carmichael und Brulle: "Das Informations-Defizit-Modell", demzufolge sich mangelndes Problembewusstsein durch mehr Fakten beheben lässt, könne "die Veränderungen der landesweiten Ansichten über den Klimawandel nicht erklären".

Mehr politische Debatten, mehr Medienberichte, höhere Problemwahrnehmung

Den größten Effekt auf die öffentliche Meinung hatte die Medienberichterstattung - so weit, so erwartbar. Allerdings seien die Medien, betonen die Forscher, vor allem ein Spiegel jeweils laufender politischer Debatten: "Medienberichterstattung reagiert vor allem auf Stellungnahmen politischer Eliten." Auseinandersetzungen über Klimagesetze im US-Kongress samt öffentlicher Anhörungen und Statements von Politikern hatten demnach den größten Einfluss auf die gesellschaftliche Stimmung - er war sechsmal so stark wie der Einfluss von Extremwetterereignissen. "Wenn die parlamentarischen Aktivitäten rund um den Klimawandel zunehmen, nehmen die Medien diese Stichworte auf und weiten so ihre Berichterstattung aus, wodurch dann die öffentliche Wahrnehmung des Problems zunimmt."

"Unsere Ergebnisse zeigen", so das Fazit, "dass die öffentliche Meinung zum Klimawandel in hohem Maße durch die Stichwortgeberei der Eliten geprägt wird, die ihren Ausdruck in den Medien finden." Immerhin könnten sich aber auch andere Akteure denselben Mechanismus zunutze machen, schreiben die beiden Soziologen: Wenn beispielsweise Umweltverbände eine stärkere Berichterstattung zum Klima erreichen, wirke das ebenso auf das Problembewusstsein der Bevölkerung.

Toralf Staud