"Im Unterschied zum Klimawandel, der die amerikanische Bevölkerung polarisiert, ist der Wert der Gesundheit unumstritten" - dies sagte der Kommunikationswissenschaftler Edward Maibach im Jahr 2015 auf einer Konferenz zu Klimawandel und Gesundheit. Eingeladen zu der Tagung hatte seinerzeit noch US-Präsident Barack Obama – mittlerweile dürfte das Weiße Haus dem Thema nicht mehr so viel Aufmerksamkeit widmen.

Doch Maibach ist sich weiter sicher: Gesundheit betreffe jeden ganz persönlich – und deshalb sei es erfolgversprechend, dieses Thema kommunikativ mit dem Klimawandel zu verknüpfen. Maibach und sein Team von der George Mason University im US-Bundesstaat Virginia haben in mehreren Studien Belege dafür gefunden, dass sich ein Bewusstsein für Klimawandel und -schutz am besten über Gesundheitsfragen vermitteln lässt: Demnach sehen die Befragten nach dem Lesen eines Beitrages über ein Gesundheitsthema die größte Dringlichkeit zum Handeln, ergab beispielsweise eine Untersuchung aus dem Jahr 2012 (Myers et al. 2012).

Studien zufolge könnte das "Re-Framing" als Gesundheitsthema funktionieren

Wenn Themen bewusst in einen übergeordneten Zusammenhang gestellt werden, dann spricht man in der Kommunikationsforschung von "Framing" (von "frame", englisch für "Rahmen"). In Bezug auf den Klimawandel lautet ein häufiger Rat, es nicht allein als Umwelt-Thema zu begreifen, sondern beispielsweise auf die Landwirtschaft zu blicken oder allgemein auf die Folgen der Erderwärmung für Unternehmen.

Organisationen wie HEAL aus Brüssel legen besondere Aufmerksamkeit darauf, dass Klimaschutz - etwa die Abschaltung von Kohlekraftwerken - nicht nur gut fürs Klima ist, sondern auch für die menschliche Gesundheit; Quelle: HEAL/Screenshot

Welche Wirkung ein solches "Re-Framing" in der Klimakommunikation haben kann, wird gegenwärtig vielfältig erforscht. Manche Studien ergaben, dass die Effekte eher begrenzt seien (Bernauer/McGrath 2016).  Andere Untersuchungen hingegen bestätigten Maibach: So kam ein britisches Forscherteam (Walker et al. 2017) jüngst zu dem Ergebnis, dass die Unterstützung für Maßnahmen gegen Autoverkehr steigen könne, wenn zur Begründung weniger auf den Klimawandel verwiesen wird als auf die menschliche Gesundheit. Allerdings ist, wie weitere Studien (Petrovic et al. 2014) zeigen, der Effekt eines veränderten Framings unter Konservativen vermutlich geringer als unter Linksliberalen (die Klimaschutz ohnehin stärker unterstützen).

Mediziner warnen seit Jahren vor verheerenden Folgen des Klimawandels

Die Faktenlage selbst ist klar: Der Klimawandel kann verheerende Folgen für die menschliche Gesundheit haben. In seinem Fünften Sachstandsbericht von 2013/14 hat der Weltklimarat IPCC dem Thema ein umfangreiches Kapitel gewidmet. Laut Medizinern könnte der Klimawandel zur größten medizinischen Herausforderung des 21. Jahrhunderts werden. Zu diesem Ergebnis kam beispielsweise die 2015 gegründete "Lancet Commission on Health and Climate Change", in denen Mediziner aus Europa, China und den USA gemeinsam mit der renommierten Fachzeitschrift The Lancet zusammenarbeiten. 

Zu den größten klimabedingten Bedrohungen gehören laut den Forschern zum Beispiel Hitzewellen, die Größe der Bedrohung illustriert der Sommer 2003, der in Europa schätzungsweise 70.000 Todesopfer gefordert hat. Als besonders gefährlich gilt auch der Mix aus Hitze und Luftverschmutzung - dadurch bildet sich vor allem in Städten öfter Ozon, das Kopfschmerzen, eine Reizung der Atemwege und Lungenschäden verursachen kann. Aber auch vor Feinstaub durch häufigere Waldbrände, Schimmel durch Überflutungen und eine höhere Pollenbelastung warnen die Mediziner der Lancet-Kommission. "Der Klimawandel ist ein medizinischer Notfall", sagte einer der Autoren anlässlich der Vorlage des Berichts in der Süddeutschen Zeitung.

Klimaschutz kann allein in 49 US-Städten jährlich 12.000 Leben retten

Ein Bewusstsein für Dringlichkeit haben auch die Ärzte selbst: Eine aktuelle Umfrage von Maibachs Universität in den USA zeigt, das mehr als 70 Prozent der befragten Mediziner davon ausgehen, dass die Folgen des Klimawandels bereits heute Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer Patienten haben. Weit mehr als die Hälfte aller Ärzte wollen ihre Patienten deshalb besser informieren und sich mehr in der öffentlichen Debatte um den Klimawandel engagieren.

"Wir müssen darüber reden, denn Klimawandel ist wie ein großer Flugzeugträger: Wenn du einmal entschieden hast umzudrehen, ist er vielleicht zu groß und zu lang, um es noch zu schaffen", meint auch erklärt Norman Edelman von der US-amerikanischen Lungen-Vereinigung im US-News-Blog ThinkProgress. Auch die vom neuen US-Präsidenten Donald Trump in ihrer Arbeitsfähigkeit beschränkte US-Umweltbehörde EPA warnte vor zwei Jahren, dass Klimaschutz- und Anpassung Leben retten kann. Schaffe es die Staatengemeinschaft, die durchschnittliche Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, könnten allein in 49 US-Städten jährlich 12.000 Todesfälle durch Hitzewellen vermieden werden.

Den Zusammenhang bekannter zu machen, hat sich zum Beispiel das Center for Climate Change and Health in Oakland im US-Bundesstaat Kalifornien zum Ziel gesetzt. Gegründet im Jahr 2010, schult dort ein Team aus Epidemiologen, Medizinern und Biologen Angestellte im Gesundheitswesen. "Wir wollen sie auf Gespräche über Klimawandel in ihrer Gemeinde vorbereiten", so Linda Rudolph, Direktorin des Zentrums. "Dort müssen sie immer öfter über die Gesundheitsfolgen des Klimawandels sprechen, darunter auch mit Lokalpolitikern und Beamten." Rudolph bestätigt, dass viele Ärzte und Pfleger bereits verstanden haben, dass der Klimawandel eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem ist. Sie ermutigt die Ärzte in Workshops, mit ihren Patienten über den Klimawandel zu sprechen, veröffentlicht Ratgeber für Ärzte über den Umgang mit häufigen Erkrankungen und hilft dabei, mit den Behörden über neue Radwege, den Zubau von Solarpanels und Grünanlagen zu diskutieren.

Klimaschutz bedeutet weniger Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen

Ein solcher Umbau in der Gemeinde helfe nicht nur dem Klima, sondern steigere die Lebensqualität ihrer Bewohner, betont auch Anne Stauffer von der Health and Environment Alliance (HEAL), einer europäischen Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Brüssel. "Wir betonen die Vorteile für die Gesundheit und den Gesundheitsschutz, die sich durch Klimaschutzmaßnahmen ergeben – die sogenannten Co-Benefits", meint Stauffer. "Dazu gehören weniger Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen durch verbesserte Luftqualität im Zuge der Dekarbonisierung der Energieversorgung, aber auch eine größere Fitness der Bevölkerung durch nachhaltige Mobilität."

HEAL erstellt Studien um die Öffentlichkeit aufzuklären, beispielsweise über die Kosten für die Gesundheit durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Stauffers Erfahrung ist, dass Gesundheitsbezüge den Klimawandel "real" und relevant für das eigene Leben machen – anders als es der beliebte Verweis auf die Eisbären könne. "Eigentlich ist das ganz logisch: Schließlich macht sich ja fast jeder Gedanken um die eigene Gesundheit oder die der Familie."

Dass diese Strategie der Öffentlichkeitsarbeit funktioniert, zeigte sich beispielsweise vor einigen Jahren, als HEAL eine Studie zu Todesopfern durch den Schadstoffausstoß von Kohlekraftwerken veröffentlichte: Europaweit und auch in Deutschland berichteten zahlreiche Medien - von Spiegel-Online bis zum Deutschen Ärzteblatt. Eine Studie aus den USA bestätigt den Befund, dass der Blick auf die Gesundheit die Aufmerksamkeit für den Klimawandel erhöht. Während die Berichterstattung rund ums Thema insgesamt zurückgegangen war, so eine Analyse von fünf großen US-Zeitungen (Weathers/Kendall 2015), nahmen Berichte über gesundheitliche Aspekte stark zu - und Journalisten haben in der Regel ein ziemlich gutes Gespür dafür, was ihr Publikum interessiert.

In Deutschland war das Angebot in Sachen Klimawandel und Gesundheit bisher eher gering. Nun soll eine neue Professur an der Berliner Charité für Abhilfe sorgen. Zusammen mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) will das Universitätskrankenhaus künftig eine erste "Schnittstelle für Klima- und Gesundheitsforschung" werden. "Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Gesundheit nehmen in der Forschung am PIK eine wachsende Rolle ein", erklärt Hermann Lotze-Campen, der die Professur mit initiiert hat. In den nächsten Monaten und Jahren wollen die Forscher das Thema durch die Zusammenarbeit mit der Charité stärken. 

Susanne Götze