Mister Corner, wenn auf einer Gartenparty oder irgendeinem anderen geselligen Treffen das Gespräch zufällig auf den Klimawandel kommt, dann ist die Reaktion meist betretenes Schweigen – und man wechselt schnell zu einem anderen Thema. Woran liegt das?

Der Klimawandel ist für die meisten Leute offenbar ein schwieriges Gesprächsthema. Vor zehn Jahren hätte man vielleicht gesagt: Die  Leute meiden das Thema wegen Unsicherheiten der Forschung. Aber das ist lange vorbei, die grundsätzlichen Fakten zum menschengemachten Klimawandel sind längst eindeutig geklärt. Der Klimawandel ist eine wissenschaftliche Realität – aber noch keine soziale Realität. Wer sich nicht gerade als Umweltschützer versteht, in dessen Alltag kommt der Klimawandel praktisch nicht vor. Es gibt keinerlei Verbindung zum Rest des Lebens und all den Dingen, die uns Tag für Tag beschäftigen.

Wir erleben also eine komische soziale Stille rund um den Klimawandel – wir sprechen einfach nicht mit anderen Leuten darüber. Es gibt ein Vakuum um das Thema, und das ist gefährlich – denn in einem solchen Vakuum können Fehlwahrnehmungen entstehen. Das Problem tritt auch bei anderen Themen auf: Wenn Sie zum Beispiel Leute nach ihrer Unterstützung für Erneuerbare Energien fragen, dann ist die seit vielen Jahren sehr hoch. Doch wenn Sie fragen, wie sie die allgemeine Unterstützung in der Gesellschaft einschätzen, antworten die Leute, die sei sehr niedrig. Ich denke, beim Klimawandel wirkt eine negative Rückkopplung: Es ist schwierig, über ihn zu sprechen, weil er im Alltag unsichtbar ist und scheinbar weit entfernt. Und weil niemand darüber spricht, trauen wir uns selbst nicht, darüber zu sprechen.

Also sollten Menschen, denen das Klima am Herzen liegt – ob aus Wissenschaft,  Umweltverbänden, Behörden oder Parteien– einfach in ihrem privaten Umfeld mehr über den Klimawandel sprechen?

Ja. Aber sie sollten auch anders darüber sprechen! Es gibt bisher eigentlich nur zwei Arten, wie wir den Klimawandel als soziales Thema konstruiert haben: Er ist entweder ein trockenes, wissenschaftliches, bürokratisches Thema, das in Zahlen und Diagrammen daherkommt. Oder er ist ein extrem schuld- und angstbeladenes, emotionales Katastrophenthema. Beide Sinnkonstruktionen, beide Framings eignen sich nicht wirklich für eine breite Kommunikation – wahrscheinlich sollten wir mit unserer Erzählung vom Klimawandel am besten irgendwo zwischen diesen Extremen sein.

Ich denke übrigens nicht, dass die Umweltbewegung zu wenig über den Klimawandel gesprochen hat. Sie hat Fantastisches geleistet, um die Sichtbarkeit des Themas zu steigern. Aber es ist Zeit für einen Wechsel: Wir dürfen den Klimawandel sozial und kulturell nicht mehr als Umweltthema präsentieren.

Wieso? Der Klimawandel ist doch ein Umweltthema!

Natürlich ist er das, aber nicht nur. Er ist ebenso ein ökonomisches Thema, ein Gerechtigkeitsthema, ein Menschenrechtsthema – es gibt viele verschiedene Rahmen, durch die man den Klimawandel betrachten kann. Das Problem bei der Umweltbrille ist, dass all die Worte, Bilder und Botschaften, mit denen die Öko-Bewegung über den Klimawandel sprach und spricht, politisch deutlich nach links tendieren. Und dies hat zwangsläufig eine ziemlich abstoßende Wirkung auf Konservative – und nicht nur auf sie.

"Es ist Zeit für einen Wechsel: Wir dürfen den Klimawandel nicht mehr als Umweltthema präsentieren. Denn dies hat eine ziemlich abstoßende Wirkung auf Konservative – und nicht nur auf sie."

Lassen Sie mich ein Beispiel schildern: Bei unseren Interviews für das Forschungsprojekt "Climate Visuals" legten wir den Probanden unter anderem Fotos von Klima-Demonstrationen vor. Es waren diese typischen Bilder von Protestlern, so Umweltschützer mit bemalten Gesichtern. Sie können sich nicht vorstellen, wie negativ die Reaktionen auf diese Bilder waren! Wirklich viele Studienteilnehmer sagten, sie empfänden die Demonstranten als heuchlerisch. Es hieß, die kämen mit ihren bemalten Gesichtern bestimmt grad von irgendeinem Hippie-Festival. Oder würden für ihren nächsten Urlaub garantiert in ein Flugzeug steigen. Es hieß: Warum wollen die uns sagen, was wir tun sollen?

Oder nehmen Sie die wohl am häufigsten verwendete Bildmetapher für den Klimawandel, den Eisbären …

… was stört Sie an Eisbären?

An sich gar nichts. Das Problem ist nur, dass sie das Thema nicht in seiner ganzen Breite und Tiefe repräsentieren. Eisbären stellen den Klimawandel nicht als Thema da, von dem man sich betroffen fühlt und für das man sich engagieren will. Es dürfte kaum ein Aushängeschild für den Klimawandel geben, das weiter entfernt, das abgeschiedener ist von uns als der Eisbär. Der Witz ist doch: Wahrscheinlich sehen Sie im Laufe Ihres Lebens eher einen als Eisbären verkleideten Klima-Demonstranten als einen echten Eisbären!

 

Adam Corner ist Forschungsdirektor
des britischen Think Tanks Climate Outreach.
Zuvor arbeitete der Sozialpsychologe
an der University of Cardiff in Wales.
Ende 2016 erschien von ihm und Jamie Clarke
das Buch
Talking Climate.
From Research to Practice in Public Engagement
(Palgrave Macmillan. 53,49 Euro).

 

Für unseren Umgang mit dem Thema ist das fatal: Wir haben für den Klimawandel, wie für viele andere Themen, nur hier und da ein paar Sekunden Aufmerksamkeit. Und wenn Du in diesem bisschen Zeit immer nur ein Tier siehst, das niedlich ist, langsam stirbt, für das Du vielleicht Gefühle entwickelst, das aber in jedem Falle weit entfernt ist – welche Story erzählt Dir dieses Tier dann über den Klimawandel? Jedenfalls keine, in der Du selbst vorkommst oder die Leute um Dich herum. Und keine, die etwas zu tun hat mit Deiner Zukunft, mit der Wirtschaft, mit Deinem Job oder der Art, wie Du reist und so weiter.

Sie erwähnten eben wissenschaftliche Daten und Diagramme – was stört sie an denen? Was kann falsch sein an verlässlichen, wissenschaftlich geprüften Fakten!?

Wiederum: An sich gar nichts. Nur erleben wir gerade eine Zeit, in der wir zunehmend mit sogenannten "post-faktischen" Kampagnen konfrontiert sind, also politischen Kampagnen, die darauf setzen, dass Fakten nichts mehr gelten. Sie kennen die Stichworte: Brexit, Trump und so weiter. Dieses Phänomen wird einer breiteren Öffentlichkeit gerade erst bewusst – aber ich hab' da nur gedacht: "Ha, herzlich willkommen!" Beim Thema Klimawandel sind wir mit damit nämlich schon seit ein paar Jahren konfrontiert. Wir in der Klimakommunikation haben schon lange gemerkt, dass verlässliche Fakten offensichtlich nicht genügen.

"Trump, Brexit und so weiter - ich habe da nur gedacht: 'Herzlich Willkommen!' Beim Thema Klimawandel sind wir nämlich schon seit Jahren mit post-faktischen Kampagnen konfrontiert"

Niemand sagt – weder ich noch Climate Outreach –, die Wissenschaft sei irrelevant, oder Fakten seien nicht wichtig. Aber die Sozialforschung und insbesondere die Psychologie zeigen immer wieder, dass kein Mensch mittels einer kalten, roboterhaften Verarbeitung von Fakten zu seinen Entscheidungen und Bewertungen kommt. Wir gelangen zu ihnen zumindest zum Teil auf der Basis unserer Werte, unserer Weltsicht. Hört ein Mensch Informationen, dann fragt er zum Beispiel, ob sie zu seinen bereits bestehenden Überzeugungen passen. Und wie er sie bequem in seine existierende Weltanschauung einbetten kann. Er fragt: Ist meine Weltanschauung herausgefordert, gar bedroht?

Und wenn ja?

Dann stehst Du vor einer Entscheidung: Entweder Du stellst Dich der Herausforderung und veränderst Deine Überzeugungen – was hart ist. Denn es kann Implikationen haben dafür, wie Du über eine ganze Reihe von Themen denkst, ja für Deine Identität. Die andere Reaktionsmöglichkeit ist, dass Du die Information beiseiteschiebst, sie leugnest oder Dir zumindest sagst, so ernstzunehmen sei sie ja nicht.

Wenn jemand zum Beispiel der festen Überzeugung ist, der Staat sollte sich besser nicht in das Leben der Leute einmischen, er sollte der Industrie nicht so viele Vorschriften machen, wenn er also der Ideologie der freien Märkte anhängt – wenn eine solche Person nun den Klimawandel ernstnimmt, dann ist das eine ziemliche Bedrohung für ihre Weltsicht. Dann müsste sie sich eingestehen, dass das Problem des Klimawandels offenbar ohne Vorschriften für die Industrie nicht zu lösen ist. Dieser Mensch müsste sich also sagen: "Ich liege total falsch." Und wer will sich so falsch fühlen?

Was würden Sie mit einer solchen Person tun?

Na, was würden Sie denn tun? Würden Sie so lange auf diesen Menschen einreden, bis er die Fakten akzeptiert? Oder würden Sie versuchen, die Informationen in einen anderen Rahmen zu fassen? Sodass dieser Mensch eine Erzählung über den Klimawandel hört, die ihn einbezieht und die Werte anspricht, die ihm wichtig sind?

Irgendwann kommt man sicherlich trotzdem zu dem Punkt , wo dieser Mensch vor der Entscheidung steht, seine Weltanschauung zu überprüfen. Aber je später im Laufe eines Gespräch es passiert, desto besser. Wir bei Climate Outreach versuchen, Material für solche produktiven Debatten zu erarbeiten.

Sie nennen dies "neue Klimakommunikation"? Was verstehen Sie darunter? Und wenn darin keine Eisbären mehr vorkommen, was dann?

Lassen Sie mich noch ein Beispiel schildern aus unseren Forschungsprojekten. Wir haben verschiedene Arten getestet, über den Klimawandel zu sprechen. Energiesparen ist ja eine Reaktionsmöglichkeit, und darüber kann man sprechen wie über die Müllvermeidung: Dass es ja eigentlich gesunder Menschenverstand sei. Dass man ja seinen Kindern auch sage, sie sollten kein Essen verschwenden. Und so weiter. Warum, könnten Sie fragen, verschwenden wir dann Energie? Es ist doch gut, Energie zu bewahren, oder? In "konservativ" steckt ja das Wort konservieren.

"Eine andere Sprache wird sicherlich nicht dazu führen, dass Konservative sagen: 'Klimaschutz, toll, ich liebe es!' Aber die Ablehnung kann sich erheblich verringern - und das ist immens wertvoll"

Wir haben die Reaktion auf diese Redeweise verglichen mit der Reaktion auf die klassische Klima-Kampagnensprache: Auf dieses "Rettet die Erde!" Auf das Beklagen weltweiter Ungerechtigkeiten. Das ist eine Rhetorik, die bei mir funktioniert. Aber diese Art von Sprache brüllt Dir geradezu ins Gesicht, dass es sich beim Klimawandel um ein Thema der politischen Linken handelt. Und in der Tat ergaben unsere Tests: Bei der Rhetorik von Klimagerechtigkeit ist der Unterschied in der Reaktion riesig zwischen Rechten und Linken. Spricht man aber von Klimaschutz wie von Müllvermeidung, dann wird diese Kluft viel, viel kleiner. Konservative Leute werden dann zwar immer noch nicht sagen: "Oh, Klimaschutz, das ist ja großartig, ich liebe es!" Aber die Kluft zwischen den Gruppen schloss sich erheblich – und das ist immens wertvoll.

Es ist außerdem wichtig, wer eine Botschaft überbringt. Wenn Sie Hausbesitzern Fotos zeigen von einem Hausbesitzer, der ganz praktisch auf seinem Dachboden Dämmstoffe ausrollt – dann ist das zehnmal besser, als wenn ich als Akademiker ihm dazu rate. Der Absender bewirkt mehr, wenn er die Werte seines Publikums teilt. Auch wenn wir Glaubensgemeinschaften erreichen wollen, wäre ich kein guter Redner – da ist der Papst natürlich viel besser. Wir können ja nicht alle Konservativen davon überzeugen, keine Konservativen mehr zu sein – es wird auch in einer Welt des Klimawandels noch Konservative geben. Wir müssen so weit kommen, dass wir für jeden Menschen auf der Welt eine Botschaft und Botschafter zum Klimawandel haben – eine, von der er sich angesprochen fühlt, die für ihn funktioniert.

Es scheint eine Menge an Wissen zu geben in der Sozialforschung, die für eine wirksame Klimakommunikation nutzbar wäre. Kommt es Ihrer Einschätzung nach "nur" auf eine bessere Anwendung an? Oder braucht es auch noch weitere Forschung?

Naja, als Wissenschaftler würde ich nie sagen, dass wir genug wissen. Aber als Praktiker sage ich definitiv: Wir könnten ein großes Stück vorankommen, allein wenn wir das bekannte Wissen anwenden würden, etwa aus der Kognitions- oder der Sozialpsychologie. Es gibt eine ganze Menge an Erkenntnissen, die wir in verschiedensten sozialen Zusammenhängen anwenden könnten – in Kirchengemeinden, Elterngruppen, Sportvereinen, also überall, wo Menschen zusammenkommen. Dies sind die Orte, wo das Gespräch über den Klimawandel lebendig werden kann.

Ich denke, wir sollten stattdessen ein paar Demonstrationen weniger machen, die sowieso nur zu uns selbst sprechen. Damit meine ich nicht Proteste auf lokaler Ebene, dort können Demonstrationen sicherlich etwas verändern, können bestimmte klimaschädliche Industrie- oder Verkehrsprojekte stoppen. Aber diese großen Klima-Kundgebungen, wer sieht die wirklich? Die scheinen nur für uns selbst wichtig zu sein.

Zurück zur eingangs erwähnten Gartenparty: Wie würden Sie denn nun ein Gespräch über den Klimawandel anfangen? Den Leuten als allererstes die Treibhausgasemissionen von Fleisch vorrechnen?

(lacht) Klar, wenn sich Leute schlecht fühlen, ist das ein toller Einstieg in ein Gespräch! Nein, als wir in unseren Projekten mit den Diskussionsgruppen die Gespräche begannen, fragten wir nicht als erstes danach, was die Leute vom Klimawandel denken. Sondern wir fragten sie erst einmal nach sich selbst – danach, wer sie sind, was ihnen wichtig ist, woran ihr Herz hängt. Und wenn Du dann etwas über die Werte Deines Gegenübers weißt, dann versuche Deine Story von dort aus zu erzählen.

"Wenn Du in einem Gespräch bist, in dem es um den Klimawandel gehen soll, dann spreche in der ersten Viertelstunde über etwas anderes. Wenn es dann eine gemeinsame Basis gibt, kannst Du dies als Plattform nutzen"

Also, wenn Du in einem Gespräch bist und weißt, dass es irgendwann um den Klimawandel gehen wird, dann spreche in der ersten Viertelstunde über etwas anderes. Teste sozusagen erstmal die Straße aus. Wenn es dann eine gemeinsame Basis gibt, dann kannst Du dies als Plattform nutzen, um über den Klimawandel zu sprechen. Du könntest Dinge erwähnen, von denen Du weißt, dass sie den Leuten wichtig sind, dass sie für sie Leidenschaft empfinden. Diese Dinge kannst Du als Brücke nutzen.

Wenn Sie beispielsweise merken, dass jemand ein passionierter Taucher ist – dann reden Sie erstmal darüber? Und kommen irgendwann drauf, dass die Versauerung der Meere verheerend ist für die Korallenriffe?

Das klingt mir jetzt ein bisschen sehr instrumentell. Aber andererseits sollten wir nicht vergessen, dass wir den Klimawandel für uns immer gewissermaßen konstruieren. Klar, es gibt naturwissenschaftliche Fakten: Die Temperatur ist um so und so viel Grad gestiegen in dieser oder jener Zeitspanne. Aber wirklich erfahren können wir den Klimawandel nicht. Er ist für unsere Sinne eben nicht greifbar.

Wir konstruieren also das Thema sowieso – warum sollten wir das dann nicht besser tun? Im Moment ist es so, dass die Leute eher oberflächlich mit dem Klimawandel umgehen. Sie kümmern sich ein bisschen darum – aber er hat keine soziale Bedeutung für sie. Es gibt kein soziales Signal, dass sie das Thema wirklich etwas angehen soll. Und das müssen wir ändern.

Interview: Toralf Staud

Foto: Climate Outreach