Eines Tages saß George Marshall in Bastrop, einer Kleinstadt mitten in Texas, im Büro der Chefredakteurin der dortigen Lokalzeitung. In der Nähe des 7.000-Einwohner-Städtchens hatte kurz zuvor das stärkste Buschfeuer der texanischen Geschichte gewütet, es hatte ein Drittel des Ortes zerstört, darunter das Wohnhaus der Chefredakteurin. Der Brandkatastrophe vorausgegangen waren das trockenste Jahr in Texas seit 1895 und eine Hitzewelle, wie sie bis dahin in den USA noch nicht registriert worden war. In dieser Situation also saß George Marshall, Mitgründer und Chef der britischen Organisation Climate Outreach, der Chefredakteurin des Bastrop Advertisers gegenüber. „Warum“, fragte Marshall, „hat Ihre Zeitung eigentlich noch nie etwas über den Klimawandel geschrieben?“ – „Oh“, lautete die Antwort der Frau, „, wir würden das natürlich tun – wenn uns das hier in Bastrop betreffen würde.“

Anekdoten wie diese schildert George Marshall häufig, wenn er über die Schwierigkeiten von Klimakommunikation spricht – in Vorträgen oder auch in seinem aktuellen Buch Don’t even think about it. Why our brains are wired to ignore climate change. Während nämlich für die Forschung längst klar ist, dass Gegenden wie Texas im Zuge der Erderwärmung mit höheren Temperaturen und weniger Niederschlägen rechnen müssen, haben es diese Fakten in der Alltagskommunikation schwer. Offenbar ist es vielen Menschen höchst unangenehm, über das Thema Klimawandel zu reden (oder in der Lokalzeitung darüber zu schreiben). Man versucht es zu meiden, wohl weil man es für kontrovers hält. Und wahrscheinlich auch, weil man – sobald man darüber spricht – sich und anderen eigentlich eingestehen müsste, dass man selbst Teil des Problems ist. Dass man aktiv werden, sein eigenes Leben zumindest ein bisschen ändern müsste. Und sicherlich auch, meint Marshall, weil der Klimawandel Angst macht. Über das Thema zu schweigen sei eine fatale, aber übliche Reaktion der menschlichen Psyche.

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Marshall gezielt daran, dieses Schweigen zu brechen. Zuvor war er lange Campaigner für Greenpeace USA, kämpfte in Papua-Neuguinea gegen die Abholzung des Regenwaldes. 2004 dann gründete er einen Think Tank speziell für bessere Klimakommunikation: Climate Outreach and Information Network (COIN), 2015 umbenannt in das kürzere Climate Outreach. Inzwischen hat die Organisation mit Sitz in Oxford ein Dutzend Mitarbeiter, es finanziert sich durch Projekte und Stiftungen (darunter die European Climate Foundation, die auch klimafakten.de fördert).

„Wir haben schon alles gesehen: Wissenschaftssprech, Fotos trauriger Eisbären, hochkomplizierte Grafiken, apokalyptische Weltuntergangsszenarien, die wehleidigen Denkt-bitte-endlich-mal-jemand-an-die-Zukunft-des-Planeten-Appelle“, schreibt Climate Outreach in der Selbstdarstellung auf seiner Website. „Unsere Forschung hat gezeigt, dass diese Botschaften einen Großteil der Menschen einfach nicht erreichen – schlimmer noch, dass sie entmutigend und lähmend wirken können.“ Jedenfalls führe die übliche Klimakommunikation dazu, dass die Erderwärmung als Nischenthema angesehen wird, als komplexes wissenschaftliches Problem, als weit in der Zukunft liegendes Thema, als etwas, das ängstigt. Dabei erfordere der Klimawandel „Antworten aus der Breite der Gesellschaft, von Leuten jeden Alters, jeden Glaubens, jeder Nationalität und aus allen politischen Lagern. Deshalb ist unser Ziel, Menschen für den Klimawandel zu interessieren – und zwar aus ihrem Blickwinkel, nicht unserem“.

Kampagnen und Programme speziell für konservative Zielgruppen

Und so berät Climate Outreach Organisationen, wie sie die breite Öffentlichtkeit oder ihre eigene Klientel besser mit Klimabotschaften erreichen können. Zu den Auftraggebern gehören die walisische Regierung und das britische Energieministerium, Gewerkschaften oder der WWF. Climate Outreach veranstaltet Online-Seminare und produziert Ratgeber zum Umgang mit Klimaleugnern oder zur Kommunikation von Unsicherheiten in der Klimaforschung. Daneben werden Forschungsprojekte zur Wirksamkeit von Klimakommunikation initiiert und ein Verzeichnis einschlägiger Fachaufsätze geführt.  „Es gibt so viel großartige Forschung über Klimakommunikation“, erklärt Forschungsdirektor Adam Corner. „Aber sie ist vergraben in staubigen Fachzeitschriften, die niemand liest. Wir fungieren als Brücke zwischen diesem Expertenwissen und der restlichen Welt.“

Mit strategischem Blick versucht Climate Outreach Programme und Kampagnen „speziell für Gruppen zu entwickeln, die außerhalb der üblichen Klimawandel-Debatten stehen“, erklärt George Marshall im Interview mit dem Yale Center für Umweltkommunikation. Er und sein Team fahnden nach einem Vokabular, das solche Zielgruppen erreichen kann, nach Stories, die überzeugend wirken. Ein starkes Augenmerk liegt dabei auf traditionell konservativen Milieus, auf religiösen Leuten, Bewohnern ländlicher Regionen oder zum Beispiel Anglern. Letzteres eine Gruppe naturverbundener Menschen, zu der in Deutschland allein etwa 700.000 in Vereinen organisierte Mitglieder gehören. Dies bringe mehr, ist Marshall sich sicher, als „in linksliberalen Zeitungen darüber zu schreiben, wie schlimm es doch sei, dass so viele Leute den Klimawandel leugnen“.

Man müsse, sagt Climate Outreach-Geschäftsführer Adam Corner, den Leuten vermitteln, dass Sie Teil der Lösung sind – und zwar allen Leuten. Ein typisches Ergebnis dieser Arbeit: ein Ratgeber aus Anlass der britischen Parlamentswahl dazu, wie man Klimabotschaften so formulieren kann, dass sie bei Mitte-Rechts-Wählern ankommen – und welche Reizworte Umweltschützer besser meiden sollten. Begleitend zu dieser Handreichung entstand ein  Videoclip, in dem George Marshall in Lodenmantel, Pullunder, Krawatte und Fedora-Filzhut wie ein britischer Landadeliger durch die Natur stapft. Und (ab Minute 2:04) einfach mal vorführt, wie man Konservative ansprechen könnte: „Wir müssen der Wahrheit ins Auge blicken! Wenn irgendwer das Problem geregelt kriegen kann, dann sind es Konservative wie wir“, spricht er da mit fester, autoritärer Stimme in die Kamera. „Wir sind das Rückgrat dieses Landes. Für den Umgang mit dem Klimawandel braucht es Disziplin, hartes Arbeiten, Verstand und Organisation – und deshalb müssen wir daran beteiligt sein! Extremwetter könnte die Landschaft zerstören, auf die wir so stolz sind … “

So geht es weiter und weiter, und manchmal scheint ein bisschen Ironie aufzublitzen. Aber es wird schnell klar, dass eine solche Ansprache bei den Leuten in Bastrop, Texas, sicherlich besser angekommen wäre, als vermutlich alles, was sie bisher zum Klimawandel gehört haben.

Weitere Informationen:

http://climateoutreach.org

tst