Der Extremsommer 2018 und auch die Hitzewellen dieses Jahres haben auch hierzulande vielen vor Augen geführt hat, was es bedeuten könnte, in einer sich immer stärker erhitzenden Welt zu leben. Seitdem, und seit aus der Initiative einer schwedischen Schülerin eine weltweite Bewegung wurde, ist der Klimawandel wieder zum großen Thema politischer und gesellschaftlicher Debatten geworden. Und eine offenbar zunehmende Zahl von Menschen treibt ganz grundsätzliche Fragen um: Was wissen wir eigentlich über den Klimawandel? Können wir uns auf dieses Wissen verlassen? Und welche Schlüsse sollten wir daraus ziehen?

Zu Fragen wie diesen - und häufig gehörten Falschbehauptungen - gibt es auf klimafakten.de zahlreiche Faktenchecks. Das steigende Interesse rund ums Thema spüren wir auch bei klimafakten.de. Nicht nur ist die Zahl der Zugriffe auf unsere Website enorm gestiegen: Von 400 bis 500 Usern pro Tag im Juni 2018 Jahr auf zuletzt mehr als 5000 – immerhin eine glatte Verzehnfachung.

Mal lobend, mal aggressiv - praktisch täglich bekommt die Redaktion Post

Doch einige der Nutzerinnen und Nutzer wollen es genauer wissen – und schreiben uns. Die Bandbreite der Mails, die uns in der klimafakten.de-Redaktion inzwischen praktisch täglich erreicht, ist enorm: In der Mehrzahl handelt es sich um Zuschriften von Menschen, die sich über unser Informationsangebot freuen, die Detail-Nachfragen zu unseren Faktenchecks haben oder die erfahren wollen, wie die Ergebnisse einer bestimmten wissenschaftlichen Veröffentlichung in das große Bild der Klimaforschung passen.

Einige Leser aber (und dies sind fast immer Männer) zeigen sich ausgesprochen kritisch, was unsere Arbeit betrifft. Sie fragen nach unseren Geldgebern oder zweifeln an unserer Glaubwürdigkeit. Und natürlich bekommen wir auch immer wieder (bisweilen aggressive) Mails von Nutzern, die den anthropogenen Klimawandel für eine Erfindung halten und unsere Redaktion für einen Teil einer weltumspannenden Verschwörung. Und die uns (teils in langen Pamphleten) zu beweisen versuchen, dass es aus physikalischen Gründen so etwas wie einen Treibhauseffekt ja gar nicht geben könne...

Foto: Carel Mohn

Bislang haben wir fast alle Zuschriften persönlich beantwortet. Und sollten wir das mit unserem Mini-Team weiterhin schaffen, wollen wir das auch künftig so handhaben. Doch weil unser Redakteur Toralf Staud die Mails meist nicht nur ausführlich, sondern auch mit großer Sachkunde beantwortet, dachten wir uns: Sollten wir das nicht auch für einen größeren Kreis von Lesern zugänglich machen? Zumindest jene Fragen und Antworten, die für eine breitere Öffentlichkeit von Interesse sein könnten? Deshalb starten wir heute unsere neue Rubrik "Post an klimafakten.de". Zum Start haben wir, sozusagen als Gang durch den ganzen Gemüsegarten, gleich vier Schriftwechsel ausgewählt.

Zwei Punkte sind uns wichtig: Zum einen werden wir die veröffentlichten Zuschriften (natürlich) stets anonymisieren. Außerdem sind sie manchmal gekürzt und leicht bearbeitet. Zum anderen sind unsere Antworten auf Leserbriefe – anders als all unsere Faktenchecksnicht von Mitgliedern unseres Expert/innen-Beirats gegengelesen, also im Detail nicht wissenschaftlich geprüft. Für Hinweise auf etwaige Fehler in den Antworten sind wir daher dankbar, wie immer an redaktion@klimafakten.de

 

1.
"Wie viele Klimaforscher gibt es auf der Welt?"

FRAGE (vom 6. Juli 2019):
"Wie viele Klimawissenschaftler gibt es weltweit? Leider habe ich dazu keine Informationen im Internet gefunden …"

ANTWORT:
"… vielen Dank für Ihre Frage. Allerdings habe ich keine präzise Antwort darauf - und ich nehme an, dass niemand die hat. Denn 'Klimawissenschaftler' ist keine geschützte Berufsbezeichnung, und nirgends wird eine Liste geführt.

Meine unverbindliche Schätzung wäre, dass es weltweit sicherlich mehrere Zehntausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt, die sich mit Fragen rund um das Klima befassen. Eine genaue Zählung halte ich für praktisch unmöglich, weil zum einen in vielen, vielen Fachdisziplinen zum Klima geforscht wird. Klimawissenschaftler/innen gibt es zum Beispiel in naturwissenschaftlichen Fächern wie (natürlich) Physik, Chemie und Biologie, aber auch Meteorologie, Geologie, Glaziologie, Astronomie, Geographie etc. Daneben befassen sich inzwischen auch Forscher/innen in zahlreichen Zweigen der Sozial­wissenschaften mit Klimafragen, etwa in Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Verhaltensforschung, Philosophie usw. usf.

Wie gesagt, weltweit dürfte es Zehntausende von Klimaforscher/innen geben. Auf die Zahl komme ich, weil allein die American Geophysical Union (AGU) - das ist eine weltweite Vereinigung von Geophysikern, in der nicht nur Klimaforscher/innen sind, aber viele - nach eigenen Angaben weit mehr als 50.000 Mitglieder hat. Ihr europäisches Pendant, die EGU, kommt auf rund 20.000. Außerdem kam eine sehr umfangreiche Untersuchung von klimawissenschaftlicher Forschungsliteratur vor einigen Jahren auf allein 70.000 Autorinnen und Autoren einschlägiger Fachaufsätze.

Und wenn man sich nur mal anschaut, wie viele Leit-Autor/innen an den regelmäßigen IPCC-Reports mitschreiben (ausgewählt wird da jeweils ein ziemlich kleiner Kreis von Klimaforscher/innen, die von der Kollegenschaft als besonders kompetent angesehen werden) - allein dies sind Hunderte (die aus jeweils rund 3.000 Nominierten ausgewählt wurden), wie aus Pressemitteilungen des IPCC hervorgeht (siehe zum Beispiel hier und hier). Die Schätzung von Zehntausenden Klimaforschern weltweit dürfte deshalb m.E. kaum zu hoch liegen, eher noch zu niedrig ..."

 

2.
"Ist Ihnen bekannt, das Europa früher einmal mit Eis bedeckt war?"

FRAGE (vom 23. Juni 2019):
"… wird eigentlich berücksichtigt, dass Braunkohle und Steinkohle aus Pflanzen entstanden sind? Wird eigentlich auch beachtet, dass die Erde ein abgeschlossenes System ist? (Bis auf die paar Ausnahmen). Ist Ihnen bekannt, dass Europa in früheren Jahren mit Eis bedeckt war und OHNE Zutun des Menschen wieder abgeschmolzen ist? Im mittelsächsischen Raum mal subtropisches Klima herrschte und dadurch erst die Braunkohle entstehen konnte? ..."

ANTWORT:
"… Kurzgesagt: Ja, die von Ihnen angesprochenen Dinge werden von der Klimaforschung natürlich berücksichtigt. Ich vermute, Sie wollen mit dem Hinweis darauf, dass Braun- und Steinkohle aus Pflanzen entstanden sind, darauf hinaus, dass das darin gebundene Kohlendioxid zuvor aus der Atmosphäre gezogen wurde. Klar, das ist korrekt - nur wurde es eben vor langer, langer Zeit aus der Atmosphäre gezogen - und all dieses, über Jahrmillionen in Kohle (und Erdöl oder -gas) gebundene CO2 wird jetzt innerhalb weniger Jahrzehnte wieder schlagartig in die Atmosphäre entlassen. Mit den bekannten Folgen...

Die Gründe für die verschiedenen Eiszeiten der Erdgeschichte hat die (Klima-)Wissenschaft inzwischen ziemlich genau ermitteln können - sie weiß daher auch mit hoher Sicherheit, dass diese Gründe für die gegenwärtige, viel schneller ablaufende Erderhitzung nicht die Ursache sind. Genauer ist der Unterschied zwischen langfristig wirkenden, natürlichen Klimafaktoren und der heutigen, maßgeblich menschengemachten Erderwärmung zum Beispiel in diesen Texten auf unserer Website erläutert:

Mit freundlichen Grüßen ..."

 

3.
"Wer finanziert eigentlich klimafakten.de?"

FRAGE (vom 10. Juli 2019):
"… ihre Informationen sind sehr interessant. Meines Erachtens jedoch einseitig aufgebaut… Wenn Sie gestatten, würde ich die Frage formulieren, wer sie als gGmbH finanziert durch Spenden oder durch Bundesmittel …"

ANTWORT:
"… vielen Dank für Ihre Mail und die Frage. Die Antwort lautet - strenggenommen - 'weder noch'; unsere Arbeit wird durch zwei Stiftungen finanziert. Dies finden Sie - weil wir Transparenz hochhalten - auch hier auf unserer Website.

Mit dem Eindruck der 'Einseitigkeit' haben Sie in gewissem Sinne recht: Wir stützen uns in unseren Faktenchecks ganz bewusst NUR auf den Stand der geprüften Forschung (wie sie in der in den einzelnen Disziplinen anerkannten Fachliteratur veröffentlicht ist) und NICHT auf andere, wissenschaftlich ungeprüfte Quellen oder Behauptungen. Wie man beides auseinanderhalten kann, hat der für Qualitätssicherung in der Leibniz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren zuständige Wissenschaftler im letzten Jahr in einem Interview bei uns erläutert. Weitere Informationen zu unserer Arbeitsweise und unseren Ansprüchen an uns selbst finden Sie hier …"

 

4.
"Was ist mit der 'Zwally-Studie' zum antarktischen Eis?"

FRAGE (vom 11. Juni 2019):
"... erstmal ein dickes Lob für Eure Homepage. Ich versuche gerade, ein paar FakeNews, die durch AfD-nahe Leute verbreitet werden, mit Fakten auszuhebeln. Danke, dass Ihr einige Hintergrundinformationen dafür zur Verfügung stellt!

Bei Eurem Faktencheck zum Eis der Antarktis könntet Ihr noch etwas ergänzen. Recht häufig wird derzeit dieser Internet-Artikel geteilt und auf den Glaziologen Jay Zwally verwiesen. Ihmzufolge scheint es tatsächlich einen Eiszuwachs in der Antarktis zu geben. So eine Information vorzuenthalten ist natürlich Wind in die Mühlen der 'Skeptiker'. Dabei ist die Eiszunahme paradoxerweise eine Folge der globalen Erwärmung.

Grob zusammengefasst beschreibt Zwally folgendes: Die Eisdecke schmilzt durch die globale Erwärmung schneller, es fällt aber auch mehr Schnee über der Antarktis, weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit transportieren kann. Derzeit überwiegt noch die Zunahme an Eis. Fazit - ich zitiere:

'We’re essentially in agreement with other studies that show an increase in ice discharge in the Antarctic Peninsula and the Thwaites and Pine Island region of West Antarctica,' said Jay Zwally ... 'But the ice losses we detect in West Antarctica are highly accurate, and outstrip by far the signal or uncertainty in East Antarctica,' he said. ... Zwally said the ice sheets are reacting to climate warming, the question is when receding started and how far it would go.'

Ich hoffe, Ihr könnt etwas mit meinen Infos anfangen …"

 

ANTWORT:
"… vielen Dank für den Hinweis. Diese Zwally-Studie war mir auch schon vor längerer Zeit aufgefallen. Jedoch haben wir die bisher mit Absicht nicht in den Text eingebaut. Unsere Erwägung dabei war folgende:

Eine einzelne Studie (selbst wenn sie solide gemacht) widerlegt ja nicht gleich automatisch den IPCC oder den gesamten Forschungsstand zu einem bestimmten Thema. Natürlich, auf Leugner-Blogs und teils sogar in seriösen Zeitungen liest man das öfter: 'Studie widerlegt xy!' Aber so läuft Wissenschaft nicht. In der Forschung entwickelt sich Wissen über einen längeren Zeitraum und durch das Zusammenwirken vieler verschiedener Wissenschaftler/innen und Studien. Beim antarktischen Eisschild ist es nun so, dass zahlreiche Arbeiten von zahlreichen Teams mit zahlreichen Methoden zu dem Ergebnis gekommen sind, das wir in unserem Artikel schildern. Zwally et al. 2015 kommt zu einem anderen Ergebnis (offenbar für einen Zeitraum bis 2008).

Die Kernpunkte der Studie hab ich genauso verstanden wie Sie: Sie kommt in der Tendenz eigentlich zu demselben Ergebnis wie die anderen Studien: Es gab über Jahrtausende einen natürlichen Zuwachs des Festland-Eises der Antarktis, doch dieser Prozess hat sich umgekehrt. Die überwiegende Mehrheit der Forscher sieht bereits den Punkt überschritten, an dem der Schwund infolge des menschengemachten Klimawandels den Zuwachs an manchen Stellen der Antarktis überwiegt. Zwally et al. sind - so lese ich die Arbeit - hingegen zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Punkt noch nicht erreicht war/ist; aber die Trendumkehr haben auch sie mit ihrer Methodik gefunden.

Jedoch ist die Arbeit unter Fachleuten umstritten. Wie es in der Forschung üblich ist, bringen diese ihre Einwände in Fachaufsätzen vor, zum Beispiel diesen:

Völlig übertrieben ist schließlich die Formulierung "die Nasa ... widerlegte den IPCC".  Jedenfalls ist diese Studie lediglich die Arbeit EINZELNER Nasa-Mitarbeiter/innen (wie gesagt, veröffentlicht im Jahr 2015). Und in der Gesamtschau aller Studien und aller vorliegenden Erkenntnisse kommt auch die Nasa als Institution zum Ergebnis, dass die Masse des Festlandeises in der Antarktis abnimmt.

Es kann natürlich durchaus sein, dass alle (anderen) Arbeiten falsch liegen und es momentan tatsächlich noch einen Eiszuwachs gibt. Wenn weitere Studien ebenfalls zu dem Ergebnis kommen, dass der antarktische Eisschild nicht schwindet/bedroht ist, dann wird sich das bei der Zusammenschau aller Forschungsarbeiten im kommenden IPCC-Sachstandsbericht (AR6) oder in anderen vergleichbaren Synthesen des Forschungsstandes niederschlagen. Und dann würden wir selbstverständlich auch unseren Artikel zum Thema gründlich und sorgfältig überarbeiten. Momentan aber fanden/finden wir das noch zu früh.

Ist dies für Sie nachvollziehbar?

Mit freundlichen Grüßen ..."

 

In unregelmäßiger Folge werden wir künftig an dieser Stelle einzelne Fragen und Antworten veröffentlichen.