Vielleicht ist es ein wenig tröstlich für Klimaforscher: Ihr Konsens, dass der Mensch hauptverantwortlich ist für die gegenwärtige Erderwärmung, ist bei weitem nicht die einzige wissenschaftliche Erkenntnis, die von bestimmten Menschen abgelehnt wird. Der nachgewiesene Nutzen von Impfungen beispielsweise wird ebenfalls häufig geleugnet. Und insbesondere in den USA bestreitet ein Teil der Bevölkerung die Evolutionslehre von Charles Darwin. Gleichgültig um welche irrige Anschauung es geht - immer wieder machen Forscher und Wissenschaftskommunikatoren die Erfahrung, dass manche Menschen durch Fakten kaum von ihren Überzeugungen abzubringen sind.

"In vielen Situationen werden Forschungsergebnisse nicht deshalb zurückgewiesen, weil die Leute falsch informiert sind", schreiben die Psychologen Stephan Lewandowsky und Klaus Oberauer zur Erklärung, "Vielmehr steht die Wissenschaft im Widerspruch zu ihren Weltanschauungen, zu ihren politischen oder religiösen Überzeugungen." Durch das Leugnen von Forschungserkenntnissen versuche das Gehirn (wohl unbewusst), die Identität des jeweiligen Menschen schützen. Als "motivierte Zurückweisung von Wissenschaft" (in Englisch: "motivated rejection of science", ein Sonderfall des allgemeineren "motivated reasoning") wird das Phänomen in der Fachwelt bezeichnet. Den aktuellen und politisch derzeit hoch relevanten Stand der Forschung dazu haben Lewandowsky und Oberauer, Professoren an den Universitäten Bristol bzw. Zürich, kürzlich in einem Übersichtsartikel in der Fachzeitschrift Current Directions in Psychological Science zusammengefasst.

Wissenschaftsleugnung auf der rechten Seite des politischen Spektrums eher verbreitet

Die Liste der einschlägigen Forschungsarbeiten ist mittlerweile lang. Viele davon beschäftigen sich mit der Situation in den USA, wo politische Auseinandersetzungen um die Wissenschaft besonders scharf geführt werden. Die Übertragbarkeit aller Ergebnisse auf andere Gesellschaften ist daher nicht sicher. In den USA jedenfalls, so Lewandowsky und Oberauer, sei die Wissenschaftsleugnung momentan eher unter Konservativen verbreitet als unter Progressiven. Seit Mitte der siebziger Jahre jedenfalls ist auf der Rechten (nicht aber auf der Linken) das Vertrauen in die Forschung deutlich gesunken (Gauchat 2012).

Die Gründe dafür seien nicht ganz klar, schreiben die Autoren. Aber es sei schon auffällig, dass es im gleichen Zeitraum zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse gegeben habe, die konservative Kernüberzeugungen infragestellen. "Nirgends ist dies offensichtlicher als in der Klimaforschung", so Lewandowsky und Oberauer: Die Ansicht, der Staat müsse sich aus der Wirtschaft heraushalten, kollidiert eben diametral mit der Erkenntnis, dass ungebremste Treibhausgasemissionen der Wirtschaft auf lange Sicht die Menschheit vor große Probleme stellen werden.

"Smart-idiot-Effekt": Ein höherer Bildungsgrad mindert die Verweigerungshaltung nicht

Doch selbst wenn aktuell die Verweigerung rechts der politischen Mitte weiter verbreitet ist, betonen Lewandowsky und Oberauer: "Die kognitiven Mechanismen, die die Ablehnung von Wissenschaft antreiben, finden sich unabhängig von der politischen Orientierung." Mit anderen Worten: Auch die politische Grundüberzeugung schützt nicht vor psychologisch motivierten Kurzschlüssen. Diese werden offenbar von tief in der menschlichen Psyche verankerten Mechanismen ausgelöst.

Und interessanterweise führt ein höherer Bildungsgrad nicht dazu, dass Menschen generell zugänglicher sind für wissenschaftliche Erkenntnisse - im Gegenteil steigt der Grad der Polarisierung bei kontroversen Themen sogar. Der paradoxe Befund: Unter Linken nimmt die Zahl derer, die den Forscherkonsens zum Klimawandel akzeptieren, mit steigendem Bildungsgrad zu - unter Konservativen hingegen sinkt mit besserer Bildung die Akzeptanz klimawissenschaftlicher Erkenntnisse (Hamilton 2011, Kahan et al. 2012, Hamilton et al. 2015). Der Journalist Chris Mooney hat dies einmal den "smart idiot effect" genannt: Bessere Bildung führe lediglich zu "schlaueren Idioten" - also dazu, dass sich Menschen anspruchsvollere Begründungen (oder Verschwörungstheorien) dafür ausdenken, warum die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht stimmen können.

Eine Studie eines Forscherteams um den Psychologen Dan Kahan von der Yale University im US-Bundesstaat Connecticut machte den paradoxen Effekt von Bildung besonders deutlich. Dabei wurde Versuchspersonen eine raffiniert ausgedachte Zahlentabelle vorgelegt: Angeblich enthielt sie Daten zu Tests einer Hautcreme. Und auf den ersten Blick schienen die Daten die Wirksamkeit der Creme zu bestätigen; bei genauerer Betrachtung der Zahlenverhältnisse wurde aber klar, dass die Creme unwirksam ist. Solange es vermeintlich "bloß" um Hautcreme ging, war der Effekt erwartbar: Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad lasen aus den Zahlen die naheliegende (falsche) Deutung heraus. Probanden mit höherer Bildung hingegen durchschauten den anfänglichen Fehlschluss und gaben eher die gegensätzliche (korrekte) Antwort.

In einem zweiten Schritt änderte das Forscherteam die Beschriftung der Tabelle. Angeblich zeigte sie nun nicht mehr Daten zu einer Hautcreme - sondern zur Frage, ob die Kriminalität in solchen Städten niedriger liegt, in denen das Tragen von Waffen verboten ist. Bekanntlich ist das Thema Waffenbesitz in den USA hoch ideologisiert. Das Ergebnis war erstaunlich: Was die Testpersonen nun aus den Tabellen herauslasen, hing nicht mehr von ihrem Bildungsgrad ab - sondern vor allem von ihrer politischen Einstellung. Jetzt entdeckten selbst höhergebildete Probanden nur dann noch die komplexere Wahrheit bzw. gaben in der Befragung die entsprechende Antwort, wenn sie in ihr Weltbild passte (Kahan et al. 2013).

Verschwörungstheorien dienen der psychischen Entlastung

Was aber passiert, wenn Menschen auf die Kluft zwischen Forschungsergebnissen und ihrer Meinung hingewiesen werden? Eine verbreitete Lösungsstrategie für den augenscheinlichen Widerspruch sei es, so Lewandowsky und Oberauer, dann eine Verschwörung innerhalb der Wissenschaft zu unterstellen. Dies tut zum Beispiel nicht nur der künftige US-Präsident Donald Trump, wenn er die Erderwärmung als Komplott hinstellt, bei dem unter chinesischer Führerschaft die Konkurrenzfähigkeit der US-Wirtschaft unterminiert werden solle. Nach demselben Muster werde etwa AIDS gelegentlich als Produkt eines verunglückten Forschungsprogramms der US-Regierung erklärt oder von Impfgegnern eine Verschwörung von Medizinern und Pharmabranche unterstellt (Kalichman 2009, Briones et al. 2011).

Für die ideologische Motivation des Wissenschaftsleugnens spricht laut Lewandowsky und Oberauer schließlich, dass sie vor allem bei bestimmten Themen auffällt: bei Befunden nämlich, die starke politische Implikationen haben. Hier verweisen die Autoren auf eine weitere Veröffentlichung des Yale-Professors Dan Kahan. Bei den erwähnten Themen Waffenbesitz und Klimawandel zeigt sich demnach eine starke Polarisierung, klaffen also bei höher gebildeten Rechten und Linken die Ansichten weit auseinander. Hingegen fehlte die Polarisierung bei relativ unpolitischen Themen. So waren sich Konservative und Progressive in Umfragen zu den Gesundheitsrisiken etwa von Röntgenuntersuchungen oder der Nanotechnologie verblüffend einig - und akzeptierten hier einhellig in hohem Maße, was die Wissenschaft sagt (Kahan 2015).

Toralf Staud