Mike S. Schäfer ist Professor für Wissenschaftskommunikation an der Universität Zürich, Direktor des Zürcher Center for Higher Education and Science Studies (CHESS) und Präsident der AGORA-Kommission des Schweizerischen Nationalfonds. Er lehrt und forscht u.a. zu Klimawandel- und Umweltkommunikation, hat dazu umfangreich publiziert und u.a. die Oxford Encyclopedia of Climate Change Communication mit herausgegeben.

Der folgende Text ist ein leicht gekürzter Auszug aus: Mike Hulme (Hrsg.): Contemporary Climate Change Debates. A Student Primer. Routledge 2020. Wir danken Verlag, Herausgeber und Autoren für die Erlaubnis zum Nachdruck. Das Buch versammelt zugespitzte Pro&Contra-Beiträge zu aktuellen Klimadebatten.

Die Gegenposition vertritt Peter North (University of Liverpool)
in diesem Artikel

 

Die zunehmende Popularität von Online-Medien und so genannten Social Media hat die öffentliche Kommunikation grundlegend verändert. Immer mehr und immer unterschiedlichere Menschen auf der ganzen Welt und in verschiedenen Bevölkerungsschichten haben Zugang zum Internet. Online- und Soziale Medien sind zu zentralen Orten geworden, an denen sich Menschen über von ihnen als wichtig erachtete Themen informieren. Nachrichten werden heute in wesentlichem Maße über diese Medien konsumiert, zum Beispiel über Facebook, YouTube, Instagram, Twitter oder Reddit. Das gilt auch für den Klimawandel und die Klimapolitik – komplexe Themen, die von den Lebenswelten vieler Menschen entkoppelt sind und diese nur über Medien erreichen. Unter diesen Medien hat die Bedeutung von Social Media in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Dies hat zum einen Auswirkungen auf die einzelnen Menschen: Über Social Media vermittelte Inhalte prägen die Themen, mit denen sich viele Menschen beschäftigen, und beeinflussen, was diese wichtig finden, wie sie Themen formulieren und in der Folge angehen, und welche Quellen sie als vertrauenswürdige Information und Unterstützung wahrnehmen Zum anderen haben Social Media eine weiterreichende, soziopolitische Bedeutung. In westlichen Demokratien sind sie wichtige Intermediäre des politischen Prozesses geworden. In diesen Ländern ist die Politik der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig und benötigt, wenigstens längerfristig, die Zustimmung der öffentlichen Meinung. Social Media sind eine wichtige Arena für diese Prozesse geworden. In stärker autoritären Ländern spielen Social Media eine ebenso wichtige, wenn auch etwas andere Rolle. Dort können sie dazu dienen, eine Gegenöffentlichkeit zu versammeln, welche die Aufmerksamkeit auf unterrepräsentierte und kritische Themen lenkt und ein beträchtliches Maß an offener Diskussion ermöglicht, wie es etwa bei Umweltthemen in China der Fall war.

 

»Leider deutet sozialwissenschaftliche Forschung zur Online-Kommunikation über Klimawandel und -politik eher darauf hin, dass die pessimistische Sicht treffender ist. Der Bedeutungsgewinn von Social Media scheint es deutlich schwieriger zu machen, konstruktive Klimapolitik zu betreiben.«

 

Diese Auswirkungen kann man positiv oder negativ sehen. „Netzoptimisten” haben sie vorwiegend positiv beurteilt. Sie betonen beispielsweise, dass Online- und Social Media die Kommunikation zwischen der Wissenschaft und der breiteren Öffentlichkeit verbessern könnten, und zwar so, dass das Verständnis und die Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer gefördert werden. Die „Pessimisten“ betonen demgegenüber die Gefahren von Social Media, so zum Beispiel, dass diese vor allem zur Unterhaltung und für ‚Soft News‘ statt für ‚Hard News‘genutzt werden, und dass sie individuelle statt kollektiver Interessen ansprechen. Auch weisen sie darauf hin, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, in Social Media glaubwürdige von weniger glaubwürdigen Informationen zu unterscheiden, und dass diese Platt­formen eine Fragmentierung oder sogar Polarisierung der öffentlichen Debatte befördern können.

Leider deutet sozialwissenschaftliche Forschung zur Online-Kommunikation über Klimawandel und -politik eher darauf hin, dass die pessimistische Sicht treffender ist. Der Bedeutungsgewinn von Social Media scheint es deutlich schwieriger zu machen, konstruktive Klimapolitik zu betreiben. Und das scheint mehr als der übliche Kulturpessimismus zu sein, die die Entwicklung neuer Medien bereits früher begleitet haben. Ja, dem Aufkommen neuer Medientechnologien wurde in der Vergangenheit häufig mit Zurückhaltung, Sorge oder sogar offener Ablehnung begegnet – einst bei den Populärromanen, vor vielen Jahrzehnten bei den Rundfunkmedien oder später beim Heimcomputer. Und ja, Zweifel am Klimawandel und der Notwendigkeit einer wirkungsvollen Klimawandel-Politik hat es in einem gewissen Umfang immer gegeben, insbesondere in den anglophonen Ländern. Aber Social Media sind auf eine Art und in einem Maße disruptiv, die sich deutlich von diesen historischen Beispielen unter­scheiden. Sie sind „eine transformative Digitaltechnologie“, die „viele der Kommunikations­barrieren zwischen Individuen überwunden“ und „etablierte Kommunikationshierarchien … wie nie zuvor aufgebrochen“ hat.  (Pearce et al., 2018: 1). Das gibt Anlass zur Sorge.

Social Media untergraben die öffentliche Kommunikation über Klimawandel und Klimapolitik auf mehrerlei Weise:

Social Media verschieben die Kommunikation über den Klimawandel – von Pluralisierung über Fragmentierung zur Polarisierung

Social Media, insbesondere die populären Online-Plattformen, befördern strukturell eine Pluralisierung gesellschaftlicher Kommunikation. Es ist einfach, sich ein Konto bei Facebook, Instagram, Snapchat, YouTube oder Twitter anzulegen. Ist dies erst einmal geschehen, können Nutzerinnen und Nutzer selbst Inhalte einstellen oder Beiträge Anderer „liken“ oder teilen. Dies nährte anfangs die Hoffnung, dass Social Media bis dato unterprivilegierte Menschen oder Gruppen stärken und unterrepräsentierten Meinungen und Argumenten mehr Raum in der öffentlichen Debatte verschaffen könnten.

Zunächst schienen diese Hoffnungen auch berechtigt zu sein. Social Media schienen öffentliche Debatten in der Tat pluraler zu machen, auch die über den Klimawandel (für eine Zusammenfassung der Literatur, siehe Schäfer, 2012). Die jüngere Forschung hat diesen Optimismus allerdings getrübt und zeigt, dass Social Media nicht alle Gruppen gleichermaßen stärken. Sie zeigt einerseits übereinstimmend, dass „die Mainstream-Medien weiterhin weit verbreitet sind“ (Pearce et al., 2018: 5). Andererseits scheinen die sogenannten Klima“skeptiker:innen“ in Social Media besonders präsent zu sein und von ihnen zu profitieren – also diejenigen Stimmen außerhalb des Mainstreams, welche die Existenz, die anthropogenen Ursachen oder die schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels leugnen (für einen Überblick, siehe Pearce et al., 2018).

Social Media im vorletzten Jahrhundert - Eine Szene aus dem Wiener Kaffeehaus Griensteidl vor 1897, Foto für die Illustrierte Die vornehme Welt; Quelle: Wikimedia Commons/Carl von Zamboni/PD

Diese kommunikative Zweiteilung scheint zu einer Fragmentierung und zunehmenden Polarisierung der Kommunikation über den Klimawandel in Social Media zu führen. Entstanden sind sogenannte „Echokammern“ (in denen die Nutzerinnen und Nutzer ihre Online-Kommunikation so konfigurieren, dass sie dort auf vornehmlich auf Akteure und Positionen treffen, die sich mit ihren eigenen Meinungen decken) und „Filterblasen“ (in denen bereits bestehende Präferenzen der Nutzerinnen und Nutzer von den Plattformbetreibern durch algorithmische Selektion und die Darbietung von Inhalten, die zu diesen Präferenzen passen, verstärkt werden). Auch wenn die Forschung darauf hindeutet, dass die Sorge über Filterblasen und Echokammern möglicherweise übertrieben ist und wohl für alle politischen Themen gilt, zeichnen die Studien zur Kommunikation über den Klimawandel ein anderes Bild (siehe beispielsweise Williams et al., 2015).

Dies ist problematisch, weil dadurch öffentlicher Konsens über die Existenz des Klimawandels und über die beste Ausrichtung der Politik erschwert wird. Auch kann es dazu führen, dass Menschen falsch einschätzen, wie verbreitet ihre eigenen – oder andere – Positionen zum Thema Klimawandel gesellschaftlich de facto sind: Sie nehmen in Ihren Social-Media-Feeds möglicherweise nur spezifische Stimmen und Standpunkte wahr, kommen unter Umständen aber dennoch zu dem Eindruck, dass sie dort einen umfassenden Überblick über sämtliche in der Gesellschaft existierenden Sichtweisen erhalten.

Social Media untergraben die kognitive Basis der Klimapolitik

Ein zweiter Anlass zur Sorge ist der Stellenwert der (Klima-)Forschung in Social Media. Studien über Wissenschaftskommunikation haben gezeigt, dass die simple Weitergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse einen großen Teil der Öffentlichkeit weder erreicht noch ihre Einstellungen oder Verhaltensweisen zu Themen wie dem Klimawandel verändert. Dieser schwache Stand der Wissenschaft in der Diskussion über den Klimawandel in den Social Media ist aus dreierlei Gründen bedenklich.

Erstens konzentriert sich die Kommunikation in Social Media eher auf unterhaltende ‚Soft-News‘-Themen und nicht auf Politik oder Wissenschaft. Das ist beunruhigend, weil diese Plattformen für viele Menschen wichtige Informationsquellen und Orientierungshilfen geworden sind, und zwar auf Kosten der traditionellen Nachrichtenmedien. Für manche Menschen mag das nicht weiter problematisch sein. Wer sich für den Klimawandel interessiert und engagiert nach Informationen zum Thema sucht, findet in Social Media eine Fülle an Informationen. Anders ist die Lage für jene Nutzerinnen und Nutzer, die sich wenig(er) für Klimawandel oder Umweltthemen interessieren und auch nicht aktiv nach Informationen dazu suchen. Vor zehn oder 20 Jahren wäre diese Gruppe – die in vielen Ländern die Mehrheit der Bevölkerung ausmacht (siehe Übersicht der Analysen zur Zielgruppen-Segmentierung von Hine et al., 2014) – diesen Themen bei der routinemäßigen Morgenlektüre der Tageszeitung oder in den abendlichen Fernsehnachrichten begegnet. Auf Social Media ist es unwahrscheinlicher, dass sie auf diese Themen stoßen.

 

»Falschdarstellungen von Wissenschaft profitieren von den üblichen Algorithmen der Social-Media-Plattformen. Diese sind nicht darauf ausgelegt, die Informationsqualität oder -genauigkeit zu erhalten oder zu verbessern.«

 

Zweitens sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Social Media nicht stark präsent. Vielen von ihnen nutzen diese Online-Netzwerke für berufliche oder private Zwecke, und es gibt einige prominente Beispiele von Klimawissenschaftlern, die sich an Debatten in Social Media beteiligen (besonders in Blogs oder auf Twitter). Insgesamt betrachtet jedoch sind Stimmen aus der Forschung dort aber nicht stark vertreten.

Drittens variiert die Darstellung der Klimawissenschaft in Social Media stark. Während vielfach eine korrekte Wiedergabe der dem Klimawandel zugrundeliegenden Wissenschaft zu finden ist, etwa in Bezug auf die Sachstandsberichte des Weltklimarats (IPCC), wird die (Klima-)Wissenschaft von Klima“skeptiker:innen“ und in der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen teils verzerrt oder falsch dargestellt (für eine Zusammenfassung, siehe Schäfer, 2012, 533f.). Diese Fehldarstellungen profitieren von der allgemein verbreiteten algorithmischen Kuratierung auf Social-Media-Plattformen, die darauf ausgerichtet ist, die Nutzer-Interaktion zu maximieren, um mehr Werbung verkaufen zu können. Sie ist nicht darauf ausgelegt, die Informationsqualität oder -genauigkeit zu erhalten oder zu verbessern.

Social Media senken Kommunikationsstandards in der Öffentlichkeit und erschweren Kompromisse

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit öffentlichen Debatten beschäftigen, haben sich häufig auf die Öffentlichkeitstheorie gestützt, um die Qualität der gesellschaftlichen Kommunikation zu bewerten und sind dabei meist einem Habermas’schen Ideal gefolgt (siehe Edgar, 2006; S. 64‐67 ff.). Dieses Ideal befürwortet die Einbindung unterschiedlicher Akteure in öffentliche Debatten und postuliert, das dort möglichst alle Positionen repräsentiert sein sollten. Dies scheint in der Klimawandel-Diskussion auf Social Media nur teilweise verwirklicht zu sein. Ein weiterer Aspekt ist der Kommunikationsstil. Nur eine rationale, zivilisierte und respektvolle Auseinandersetzung - so Habermas‘ Theorie - könne in der Gesellschaft eine fruchtbare Diskussion und in der Folge einen belastbaren Konsens darüber entstehen lassen, wie Probleme  kollektiv gelöst werden können (zum Beispiel der Klimawandel).

Social Media, so eine von zahlreichen Wissenschaftlern geäußerte Sorge, senken Kommunikationsstandards demgegenüber aber eher. Als wesentlicher Grund dafür gilt, dass auf diesen Online-Plattformen „Türhüter“ wie Journalistinnen und Journalisten fehlen oder zumindest eine geringere Rolle , die in den traditionellen Nachrichtenmedien Inhalte auf Basis professioneller Normen und etablierter Verfahren auswählen. Schließlich können die Nutzerinnen und Nutzer sich an Diskussionen in Social Media anonym beteiligen und diese nutzen, um ohne Transparenz ihre eigene Agenda voranzutreiben, und bisweilen auch dafür, bestimmte Akteure oder Positionen abzuwerten oder zu attackieren.

Das Wiener Café Hummel vor der Innenrenovation von 2012; Foto: Andreas Faessler/Wikimedia Commons

Die Forschung über die Klimawandel-Kommunikation in Social Media legt mithin nahe, dass die hohen Ansprüche der Öffentlichkeitstheorie nicht erfüllt werden. Während die Studien zwar zeigen, dass Ansichten und Argumente in diesen Diskussionen tatsächlich vielfältig sind – eine Tatsache, die von Öffentlichkeitstheoretikern positiv bewertet würde –, belegen sie auch, dass ansonsten Einiges im Argen liegt (für einen Überblick, siehe Schäfer, 2012). Klimawandel-Diskussionen in Social Media: „[…]sind oft lang[,] unstrukturiert, wütend oder beleidigend und voll von Behauptungen, bei denen kaum ein Gegenprobe möglich ist[.] Es gibt zahlreiche kontroverse und unüberprüfbare Behauptungen, dazu nicht wenige Fragen ohne offensichtliche Antworten, oder auch Antworten ohne offensichtliche Fragen. Die Einträge sind häufig zusammenhangslos und schwer zu verfolgen – teilweise polemisch, teilweise wirr, teilweise abschweifend, teilweise provozierend, und häufig widersprechen oder kritisieren Personen sich einander aufs Schärfste. Die Qualität und der Ton der Inhalte sind oft ‚uninspirierend‘ und sinken stellenweise sogar auf Spielplatz-Niveau.“ (Gavin, 2009; 137).

Soziale Medien schwächen die wirtschaftlichen Grundlagen des (Klima-)Journalismus‘

Die zunehmende Popularität von Social Media hat zudem indirekte, schädliche Auswirkungen auf andere gesellschaftliche Vermittler, die Information und Orientierung zu Themen kollektiver Relevanz liefern. Das gilt in erster Linie für den Journalismus. Traditionelle journalistische  Medien sind in vielen Ländern unter Druck geraten (für einen Überblick, siehe Schäfer, 2017): Das Publikum und die Zahl der (bezahlten) Abonnements schrumpft und dadurch auch die Werbeeinnahmen.

Deshalb haben viele Medienhäuser ihre Kosten senken müssen. Mit am härtesten hat dies den Wissenschafts- und Umweltjournalismus getroffen. Schließlich waren diese beiden Themen für die meisten Medien nie eine Priorität. Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten „ist es allzu oft so, dass man die Wissenschaftsnachrichten als verzichtbar betrachtet“, als „ein Luxusgut, das zunehmend schwierig zu rechtfertigen ist, wenn bestimmte andere Nachrichtenarten sowohl günstiger zu produzieren als auch beim Publikum (und damit den Werbekunden) beliebter sind“ (Allan, 2011: 773). Als Folge wurden viele Redaktionen mit Fachexpertise zum Klimawandel verkleinert oder sogar geschlossen.

Zusätzlich werden die Arbeitsbedingungen für die in den Redaktionen verbleibenden Journalistinnen und Journalisten schlechter. Sie müssen eine wachsenden Informationsfülle bearbeiten (darunter Social Media-Inhalte), und das mit weniger Personal, weniger Ressourcen und verkürzten Reaktionszeiten. Gleichzeitig sollen sie diese Inhalte für eine wachsende Zahl an Medienkanälen produzieren, angefangen von ihren journalistischen Kernprodukten über Produkte für Online- und mobile Mediennutzung bis hin wiederum zu Social Media-Kanälen (für einen Überblick, siehe Schäfer, 2017).

Demgegenüber galten „Digital-Born Media“ – also online entstandene Anbieter von News wie Buzzfeed oder Vice mit starker Präsenz in und Ausrichtung auf Social Media -  - als interessante, aufstrebende Alternativen zum etablierten Journalismus. Und tatsächlich ist belegt, dass ihre Arbeit eine andere, potenziell wirksamere Berichterstattung zum Klimawandel hervorgebracht hat, die auf fesselnde Weise neue Publikumsgruppen erreicht (Painter et al., 2016). Allerdings haben auch viele dieser Anbieter mittlerweile wirtschaftliche Schwierigkeiten.

 

»Social Media vermitteln weniger Menschen den Eindruck, dass der Klimawandel ein reales und dringliches Problem ist. Sie bieten einseitige Darstellungen und gewöhnen die Menschen unter Umständen an einen aggressiveren Stil in der Kommunikation mit Andersdenkenden.«

 

Das Ergebnis ist besorgniserregend. Die Menschen sind heute mit einer sich rasch verändernden Medienlandschaft und ständig wachsenden Informationsmengen konfrontiert, in denen sie sich zwischen Inhalten unterschiedlicher Ausrichtungen und Qualitäten zurechtfinden müssen. Diese Inhalte werden zudem von neuen Kontexthinweisen begleitet, wie „Likes“, „Shares“ oder Kommentaren - welche das Urteil vieler User über die Glaubwürdigkeit dieser Inhalte beeinflussen. Social Media haben somit dazu beigetragen, die Institutionen, die in der Vergangenheit verlässliche Orientierung geboten haben, auszuhöhlen.

Daher fehlt es nun an gesellschaftlichen Grundlagen für die Gestaltung einer wirksamen Klimawandel-Politik. Social Media vermitteln weniger Menschen den Eindruck, dass der Klimawandel ein reales und dringliches Problem ist. Sie bieten ihnen einseitige Darstellungen und erwecken den Eindruck, dass andere Sichtweisen nicht existieren und weniger berechtigt sind. Sie gewöhnen die Menschen unter Umständen sogar an einen aggressiveren Stil in der Kommunikation mit Andersdenkenden. Unter solchen Bedingungen wird es schwieriger, konstruktiv zu diskutieren und einen gesellschaftlichen Konsens zu finden – beides wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche und nachhaltige Politikgestaltung.

Zusammenfassung

Die Beobachtungen dieses Artikels sind aus zwei Gründen mit Vorsicht zu genießen: Erstens verändern sich die Social Media schnell. Jedes Jahr entstehen neue Plattformen, entscheiden sich User um oder wechseln zwischen diesen Plattformen. Gleichzeitig wandeln sich existierende Social Media oder bauen ihre Funktionalitäten aus. Insofern sind Social Media für die Analyse ein bewegliches Ziel, ein „moving target”. Zweitens gibt es noch immer zu wenig Forschung über Klimawandel-Kommunikation auf Social Media. Die Studien, die es gibt, konzentrieren sich zudem einseitig auf englischsprachige Länder und vor allem auf Twitter (siehe Pearce et al., 2018).

Allerdings zeichnet die bisherige Forschung bis dato ein eher düsteres Bild: Social Media-Kommunikation über den Klimawandel ist fragmentiert, teils polarisiert. Sie liefert Menschen ein womöglich unvollständiges Bild des Themas und kann sie von Gruppen mit anderen Meinungen isolieren oder entfremden. Außerdem hat sie schädliche Folgen, die über Social Media selbst hinausgehen. Sie unterminiert den Umwelt- und Wissenschaftsjournalismus, der sich in einer existenziellen Krise befindet. Es wird lange dauern, bevor sich neue und tragfähige Modelle für den Wissenschaftsjournalismus entwickeln.

Diese Entwicklungen untergraben die gesellschaftliche und diskursive Grundlage der Klimapolitik. Insbesondere in demokratischen Ländern müssen politische Entscheidungen auf öffentlichen Debatten beruhen und gesellschaftlich legitimiert sein. Social Media erschweren derartige Debatten. Damit dürfte auch die Akzeptanz für eine Politik sinken, welche Maßnahmen fordert, die nicht im Einklang mit den individuellen Ansichten der Nutzerinnen und Nutzer stehen. Ein gesellschaftlicher Konsens dürfte schwieriger werden – dabei sollte dieser die Basis erfolgreicher Klimapolitik sein.

Übersetzung: Vivi Benthin 

Literatur
- Allan, S. (2011) Introduction: science journalism in a digital age. Journalism. 12(7): 771–777.
- Edgar, A. (2006) Habermas: The Key Concepts. Abingdon: Routledge.
Gavin, N. (2009) The web and climate change politics lessons from Britain? In Boyce, T. and Lewis, J., eds. Climate Change and the Media. New York: Peter Lang. pp.129–142.
- Hine, D.W., Reser, J.P., Morrison, M., Phillips, W.J., Nunn, P. and Cooksey, R. (2014) Audience segmentation and climate change communication: conceptual and methodological considerations. WIREs Climate Change. 5(4): 441–459.
- Painter, J., Erviti, M.C., Fletcher, R., Howard, C., Kristiansen, S., Leon, B., Ouakrat, A., Russell, A. und Schäfer, M.S. (2016) Something Old, Something New. Digital Media and the Coverage of Climate Change. Oxford: Reuters Institute for the Study of Journalism.
- Pearce, W., Niederer, S., Özkula, S.M. and Querubín, N.S. (2019) The social media life of climate change: Platforms, publics, and future imaginaries. WIREs Climate Change. 10(2): e569.
- Schäfer, M. (2012) Online communication on climate change and climate politics: A literature review. WIREs Climate Change. 3(6): 527‐543.
-Schäfer, M.S. (2017) How changing media structures are affecting science news coverage. In Jamieson, K.H., Kahan, D.M. and Scheufele, D., eds. The Oxford Handbook on the Science of Science Communication. Oxford: Oxford University Press. pp.51–59.
-Williams, H.T.P., McMurray, J.R., Kurz, T. und Lambert, F.H. (2015) Network analysis reveals open forums and echo chambers in social media discussions of climate change. Global Environmental Change. 32: 126–138