Torsten Schäfer, 40, ist Professor für Journalismus an der Hochschule Darmstadt. Er hat Journalistik in Dortmund studiert und in Aachen in Politikwissenschaften promoviert. Seit vielen Jahren arbeitet er als Umwelt- und Reisejournalist, unter anderem für GEO, Süddeutsche Zeitung und FAZ, und leitet das Online-Portal gruener-journalismus.de

 

Jetzt geht es in der Klimadebatte um die Sprache, endlich. Denn auch in diesem Feld haben wir uns lange vor allem um Zielgruppen, Kanäle, (soziale) Medien, Formate und natürlich den megawichtigen Content gekümmert. Und bei diesem ganzen, von furchtbarem Marketing-Denglisch und Technologie-Geschwurbel getragenen Strategiedenken den Kern der Sache leider oft vergessen: die Sprache. So einfach diese Erkenntnis es ist, so kompliziert ist es mit ihr.

Über die Sprache in der Klima-Berichterstattung der Medien haben wir bisher kaum gesprochen. Und schon gar nicht über einzelne Worte und deren Wirkung, über sogenannte Frames (zugrundeliegende inhaltliche Rahmungen) und Narrative (sinnstiftende Erzählungen). Jetzt üben wir das ein - und sollten damit nicht mehr aufhören!

Sprache ist nicht statisch - sondern lebendig, veränderlich, kreativ

Anlass für viele Debatten waren und sind Entscheidungen von Medien wie BBC, AP oder Guardian, die ihre Wortwahl überprüft und teilweise Korrekturen vorgenommen haben. Auch deutschsprachige Redaktionen diskutieren nun verstärkt über die besten Worte für den Klimajournalismus - ohne gleich die Verbotskeule zu schwingen und Unwörter auf Listen zu setzen. Das ist auch der bessere Weg. Denn eine reine Lehre angeblich bester Begriffe suggeriert, Sprache sei statisch. Doch sie ist ganz anders: lebendig, veränderlich, kreativ. 

Dass es zu den einzelnen Begriffen sehr unterschiedliche Meinungen gibt, verwundert nicht. Denn es geht um viel. So mögen die einen den Terminus 'Klimawandel' ablehnen, weil der Begriff einst in der US-Politik gezielt platziert wurde, um die menschengetriebenen Veränderungen im Klimasystem der Erde zu verharmlosen. Die anderen - so auch ich - betonen pragmatisch den Umstand, dass das Wort mittlerweile zu gängig ist, um es wieder abzuschaffen.

Überhaupt abschaffen - das ist bei Worten nicht einfach. Alternativen anzubieten ist meist sinnvoller: Klimakrise, Klimaerhitzung und so weiter. Die 'Klimaerwärmung' angesichts ihres ungebremsten Fortschreitens steigern und daraus Hitze machen, erscheint wirklich nicht übertrieben. Dennoch sollte man Vorsicht walten lassen bei dem Willen, den Begriffen eine größere Warnwirkung zu verleihen:  Katastrophenbotschaften gibt es im Klimajournalismus ohnehin schon oft. Und sie scheinen bisher nicht dazu beizutragen, dass das Publikum den Beiträgen hinterherrennt.

Die 'Klimaskeptiker' müssen weg!

Journalistinnen und Journalisten sollten deshalb Begriffe wie 'Klimakrise' oder 'Erderhitzung' durchaus verwenden - aber nicht nur. Entscheidend ist die Mischung, also die richtige Dosis zu finden aus Warnung und Beschreibung. Dafür braucht es keine Wortverbote, sondern Debatte, Thesenpapiere, Seminare, Kollegenaustausch, Artikel. Aber eben kein Ausschlussverfahren, mit einer Ausnahme: Die 'Klimaskeptiker' müssen weg. Denn Skepsis war schon im alten Griechenland eine philosophische Grundtugend, weshalb 'Klimaskeptiker' immer ein bisschen wie gut informierte, nachdenkliche Intellektuelle rüberkommen, die ja vielleicht auch recht haben könnten.

Besser ist: 'Klimaleugner' oder meinetwegen auch 'Klimawandel-Leugner'. 'Wissenschaftsleugner' wäre zu weit gesprungen, auch wenn es für das Beispiel des Klimawandels stimmt. Aber man müsste dann mit jedem dieser Herren (ja, es sind ganz überwiegend Herren) auch über viele andere Forschungsfelder sprechen und ihre Positionen dazu abfragen, um zu ermitteln, ob sie auch anderen Disziplinen jenseits der Klimawissenschaften mit Abwehr begegnen. Zudem ist das Wort einfach sperrig, sein Klang unschön - darauf kommt es ja, ganz nebenbei, auch an, wenn wir Journalisten über Sprache nachdenken. Dasselbe gilt für 'Leugnisten' - eine Neuschöpfung, die ich bei jeder Textredigatur rauswerfen würde. 

Wichtiger als ein einzelnes Wort ist es, Kontext herzustellen

Ohnehin ist die Debatte um einzelne Worte zu eng. Wir sollten mehr über Wortfolgen sprechen, über Sätze, das Herstellen von Zusammenhängen. Denn folgen hinter dem Begriff 'Klimawandel' noch Zahlen und Beispiele, die jeweils klar machen, wie ernst die Lage ist, dann wird selbst bei Verwendung eines Begriffs wie 'Klimawandel' ein korrektes Bild vermittelt.

Es geht uns Journalistinnen und Journalisten, kurz gesagt, neben dem Klartext, den wir im Kampf gegen Fachsprache, Behördendeutsch und Start-Up-Geschwurbel ständig führen (sollten), um den Kontext, in den ein Wort oder auch ein Satz eingebettet ist. Und um den Subtext. Diese drei Sprachebenen kann man im Redaktionsalltag noch ganz gut behalten - und dabei daran denken, dass für die Verständlichkeit entscheidend ist, wie ich die Ebenen in Beziehung setze. Und nicht, ob ein einzelnes Wort richtig oder falsch ist. Texterfolg ist komplizierter. Zum Glück.