Wir kennen alle die Last der guten Vorsätze: Wir wollen weniger Zucker essen, Fahrrad statt Auto fahren, uns stärker politisch engagieren. Oft wissen wir bereits, was gesund für uns und gut wäre – doch die Umsetzung fällt uns schwer. Auch bei der Klimakrise ist sonnenklar, was zu tun wäre – doch eWie Ins scheint, als seien wir kollektiv gelähmt durch liebgewonnene Gewohnheiten oder das Verdrängen des Bedrohlichen. Gerade in dieser psychisch-mentalen Dynamik liegt die wohl größte Herausforderung der Klimawende.

Auf einem "Ausreden-Glücksrad" stellt die neue Ausstellung typische Verzögerungsargumente ("Discourses of Delay") spielerisch dar; Foto: Stefanie Kösling/MfK Frankfurt/Main

Warum also tun wir (noch) nicht, was wir wissen – als einzelne Person, als politisch verfasste Gemeinwesen, als ganze Menschheit? Dieser Frage geht ab dem 13. Oktober 2022 die Ausstellung KLIMA_X im Museum für Kommunikation in Frankfurt/Main nach. In sieben Ausstellungsbereichen geht es zwar auch um den Stand der naturwissenschaftlichen Klimaforschung – vor allem aber darum, wie Menschen mit Klimafakten umgehen, welche Gefühle diese auslösen, wie Medien, Nichtregierungsorganisationen oder Unternehmen darüber kommunizieren. klimafakten.de war an Konzeption und Ausarbeitung der Schau beteiligt, weitere Kooperationspartner sind unter anderem das Hessische Klimaschutzministerium und die Landesenergieagentur Hessen (LEA), die beide auch am Rahmenprogramm der Ausstellung mitwirken. 

Hockeyschläger-Kurve und Desinformations-Kampagnen,
Klimatiere und ein Ausreden-Glücksrad

Wie über den Klimawandel kommuniziert wird, spielt eine wichtige Rolle dabei, Menschen zur Veränderung zu bewegen. KLIMA_X blickt zurück auf fünf Jahrzehnte Klimakommunikation: Der wegweisende Bericht des Club of Rome von 1972 und die ikonische Hockeyschläger-Kurve kommen dabei ebenso vor wie diverse IPCC-Reports, Desinformations-Strategien von fossilen Industrien oder Fridays-for-Future-Demonstrationen.

Jeder Mensch erlebt, verarbeitet und bewertet die Klimakrise anders. KLIMA_X lädt die Besucherinnen und Besucher ein, ihren eigenen Veränderungstyp auszukundschaften – versinnbildlicht sind diese durch verschiedene „Klimatiere“: Das Publikum wird aufgefordert, ein Tier zu wählen, dem man sich im Augenblick des Ausstellungsbesuchs am nächsten fühlt: Vielleicht dem wütenden Gorilla? Oder dem aufgeschreckten Huhn? Oder der fleißigen Biene? In einem interaktiven Netzwerkdiagramm können die Gäste hinterlassen, wie stark sie Emotionen im Zusammenhang mit der Klimakrise fühlen. Zur Auswahl stehen zwölf Emotionen beispielsweise „verärgert“ oder „verängstigt“, „machtlos“ oder „hoffnungsvoll“.

Mit "Klimatieren" sind verschiedene Emotionen versinnbildlicht, die man angesichts der Klimakrise spüren kann – hier (von links) der wütende Gorilla, die langsame Schildkröte, die bockige Ziege und das aufgescheuchte Huhn; Foto: Stefanie Kösling/MfK Frankfurt/Main

In weiteren interaktiven Stationen geht es um typische Verzögerungsargumente im Klimadiskurs („Ausreden-Glücksrad“) oder darum, wie die Zukunft aussehen könnte („Anruf in die Zukunft“). Es werden Beispiele gelungener Veränderung und gesellschaftlicher Umwälzungen gezeigt, die Mut machen für den Klimaschutz. Außerdem porträtiert die Ausstellung inspirierende Agent:innen des Wandels: Ausgewählte Menschen erzählen in Interviews, wie sie ihre Wege für eine klimafreundliche Art zu leben, zu konsumieren und zu wirtschaften gefunden haben.

„Die Ausstellung ist ein Meilenstein. Mit ihr ist die Klimakommunikation
wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“

„In Deutschland herrscht zu großen Teilen Einigkeit, dass wir ein ernsthaftes Klimaproblem haben, und immer mehr Menschen wollen ihren Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase leisten“, sagt Katja Weber, Kuratorin der Ausstellung. „Warum dennoch die Umsetzung so schwerfällt, ‘warum wir nicht tun, was wir wissen‘ hat mit dem Zwischenraum zwischen KLIMA und dem X zu tun. Denn es gibt einen Gap zwischen Wissen und Handeln. Die Ausstellung versucht diese Leerstelle zu erklären.“

Aus der Perspektive von klimafakten.de markiert die Frankfurter Ausstellung einen Meilenstein: „Follow the science – es ist bitter, sich einzugestehen, dass dieser intuitiv richtige Ansatz der vergangenen Jahrzehnte nicht zu wirksamem Klimaschutz geführt hat“, sagt klimafakten.de-Chefredakteur Carel Mohn. „Wenn jetzt die Art, wie wir uns als Gesellschaft über die Klimakrise verständigen, in einem der weltweit wichtigsten Museen für Kommunikation verhandelt wird, dann gibt mir das Hoffnung: Die Frage der Klimakommunikation ist offenbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“

Die Ausstellung KLIMA_X ist bis 27. August 2023 im Museum für Kommunikation in Frankfurt am Main zu sehen, anschließend kommt sie ans Museum für Kommunikation Berlin. Zum umfangreichen Begleitprogramm gehören unter anderem Aufführungen des Klima-Comedy-Ensembles „Volle Halle“, Familienführungen und Workshops für Schulklassen.

Weitere Informationen finden Sie hier,
die sieben Klimatiere sind auch auf dem
„Expotizer“ zur Ausstellung zu finden.