Der Klimawandel ist für die Schweizerinnen und Schweizer ein wichtiges Thema - und sie sind sich seiner Gefahren sehr bewusst. Dies zeigen unabhängig voneinander zwei sozialwissenschaftliche Untersuchungen. Laut einer Umfrage für das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) zum Beispiel stellt die Erderwärmung für die Schweizer die gefühlt größte Bedrohung dar, deutlich vor zum Beispiel Arbeitslosigkeit und Terrorismus. Und die internationale Vergleichsstudie European Social Survey (ESS) ergab: In der Schweiz beschäftigen sich mehr Menschen stark mit dem Klimawandel als in allen anderen 17 beteiligten europäischen Ländern.

Bei der Frage, wie sehr sie die Schweiz durch verschiedene Gefahren bedroht sehen, stuften die Befragten der SRF-Erhebung den Klimawandel mit einem Wert von 3,6 auf einer fünfstufigen Skala am höchsten ein. Auch sich persönlich sahen die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer am stärksten durch den Klimawandel bedroht. Dahinter rangierte - sowohl für die Schweiz als auch für sich selbst - ein Zusammenbruch des Rentensystems und eine Wirtschafts- bzw. Finanzkrise.

Einschätzung der Bedrohlichkeit für das ganze Land und für sich selbst - befragt wurden 2.095 Schweizerinnen und Schweizer im Oktober 2017; Quelle: SRG SSR/Link-Institut

Anlass für die SRF-Erhebung war ein Themenabend zum Klimawandel, der Ende November vergangenen Jahres im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde. Fast 2.100 Personen in allen Landesteilen wurden hierfür durch das Link-Institut aus Luzern befragt. Fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer (97 Prozent) gaben an, dass die Folgen des Klimawandels bereits deutlich oder zumindest schon stellenweise sichtbar seien. Die augenfälligste Auswirkung ist dabei die Gletscherschmelze, sie wurde von 48 Prozent der Befragten und damit am häufigsten genannt, es folgten Hitzewellen (34 Prozent) und Wetterextreme (22 Prozent). Demgegenüber nannten vergleichsweise wenige Befragte solche Phänomene wie "weniger Schnee" (13 Prozent) oder "Veränderungen von Pflanzen oder Tierarten" (10 Prozent).

Kaum jemand in der Schweiz bezweifelt die Existenz des Klimawandels

Der ESS ist eine großangelegte, sozialwissenschaftliche Untersuchung, die seit 2002 im Abstand von zwei Jahren die Meinungen und Haltungen zu politischen und gesellschaftlichen Fragen in etlichen Staaten Europas erkundet. Die achte Befragungswelle, an der in der Schweiz 1.525 Personen teilnahmen, fand im Jahr 2016 statt; erstmals wurden dabei auch Einstellungen zu Klimawandel und Energiepolitik untersucht.  

Laut ESS gaben 54 Prozent der befragten Schweizer an, sie dächten "viel" oder sogar "sehr viel" über den Klimawandel nach, die Deutschen lagen mit 53 Prozent fast gleichauf. Der Durchschnitt aller teilnehmenden Länder lag bei 33 Prozent. Am wenigsten Thema ist die Erderwärmung in Russland (16 Prozent), Polen (18 Prozent) und Tschechien (19 Prozent) - und deutlich ist der Unterschied auch zum Alpennachbarn Österreich (31 Prozent).

Für die achte Welle des European Social Survey (ESS) wurden 2016 und 2017 in den 18 genannten Ländern insgesamt 34.837 Personen befragt; Quelle: ESS8-2016, ed.1.0/eigene Auswertung

Sowohl die SRF-Befragung als auch der ESS ergaben, dass mit unter zwei Prozent nur sehr wenige Menschen in der Schweiz die Existenz des Klimawandels bestreiten. Dass etwas anderes als der Mensch Hauptverursacher der gegenwärtigen Erderwärmung sei, glauben weniger als fünf Prozent. Die SRF-Erhebung bestätigt zudem einen Befund, der sich ebenso in den ESS-Gesamtdaten für alle 18 teilnehmenden Länder oder auch in den USA zeigt: Die Wahrnehmung des Klimawandels unterscheidet sich je nach politischer Orientierung der Befragten - so sehen politisch links orientierte Schweizer den Klimawandel auf der erwähnten Fünfer-Skala mit dem Wert 4,0 noch deutlich bedrohlicher ein als politisch eher rechts orientierte mit 3,2 (Mitte: 3,6).

Die Schweizer haben großes Vertrauen in die Klimaforschung

Nur eine Minderheit der Schweizer (40 Prozent) gab in der SRF-Umfrage an, sie wisse genug über den Klimawandel (55 Prozent verneinten die Frage). Die mit Abstand wichtigste Informationsquelle sind die klassischen Medien, etwa Zeitungen (91 Prozent). Das größte Vertrauen in Sachen Klimawandel bringen die Schweizer der Wissenschaft entgegen: Nur vier Prozent der Befragten halten sie "nicht" oder "überhaupt nicht" für glaubwürdig, immerhin 84 Prozent hingegen für "glaubwürdig" oder "sehr glaubwürdig".

Geht es um Maßnahmen gegen den Klimawandel, ist die Unterstützung der Schweizer durchaus hoch: 83 Prozent der Befragten in der SRF-Erhebung gaben an, sie fänden die Subventionierung Erneuerbarer Energien in der Schweiz als "sehr gut" oder "eher gut" (nur sechs Prozent bewerteten sie als "eher schlecht" oder "sehr schlecht"). Eine Mehrheit unterstützt auch die Besteuerung fossiler Brennstoffe (54 Prozent gegen elf Prozent Ablehnung). Diese Werte bewegen sich übrigens im Bereich jener, die im Rahmen des ESS für Deutschland ermittelt wurden.

Nicht einmal 20 Prozent trauen der Schweizer Politik adäquate Schritte zu

Doch dass die Politik tatsächlich und wirksam gegen den Klimawandel aktiv wird, glauben nur wenige Schweizer: Weniger als 20 Prozent der Befragten in der SRF-Erhebung antworteten "ja" oder "eher ja" auf die Frage, ob "unsere Politiker in der Schweiz in der Lage [sind], die richtigen Lösungen für das Problem Klimawandel zu finden". Mehr als 30 Prozent sagten "nein" oder "eher nein", 44 Prozent antworteten "teils-teils".

Ein ähnliches Bild ergaben auch die ESS-Daten: Lediglich 24 Prozent der befragten Schweizer glaubten daran, dass weltweit genügend Regierungen etwas gegen den Klimawandel unternehmen werden. Nur die Deutschen (19 Prozent) waren noch pessimistischer.

Toralf Staud