Mehrere internationale Studien aus den zurückliegenden zwei Jahren zeigen: Die Zustimmung für Klimaschutzmaßnahmen ist hoch. Eine wissenschaftliche Umfrage mit mehr als 130.000 Befragten aus 125 Ländern beispielsweise belegt, dass 89 Prozent der Menschen stärkere Klimaschutzmaßnahmen unterstützen. Weitere Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse. Manchen Menschen mit Sympathie für Klimaschutz mag es paradox erscheinen, dass trotz der hohen Unterstützung die Bemühungen um stringente Klimapolitik bis jetzt meist gescheitert sind. Warum also bleibt der Klimaschutz politisch aus, wenn die Bevölkerung ihn doch eigentlich befürwortet?

Dabei geht es nicht nur um prinzipielle Zustimmung: Die oben erwähnte Studie zeigt sogar, dass 69 Prozent der Befragten auch bereit wären, ein Prozent ihres Einkommens zum Klimaschutz beizusteuern. Noch näher an politischen Vorschlägen zum globalen Klimaschutz ist eine aktuelle Untersuchung, an der auch einer der Verfasser:innen dieses Textes beteiligt war:  Ihr zufolge unterstützen 75 Prozent aller Europäer:innen und etwa die Hälfte der Amerikaner:innen ein globales Klimaschutz-System – selbst wenn ihnen dadurch finanzielle Kosten entstehen. Die Probanden dieser Untersuchung befürworten ein globales Emissionshandelssystem mit Pro-Kopf-Rückverteilung (as heißt  jeder Mensch bekäme dieselbe monatliche Geldsumme aus den Einnahmen des Emmissionshandels).Dabei würden Emissionsrechte global gehandelt und Länder wie Indien von den Rückzahlungen stark profitieren. Drei Viertel der befragten Deutschen geben an, dieses System selbst dann zu unterstützen, wenn sie verstanden haben, dass es sie pro Monat rund 25 Euro kosten würde. 

Trotz dieser beeindruckenden Befunde bleibt indes festzuhalten: Eine Politik, die es vermag, diese Zustimmungswerte in konkrete, emissionssenkende Maßnahmen zu übersetzen, ist kaum in Sicht. Man kann sich diesem Paradoxon des mangelnden Klimaschutzes aus drei Richtungen nähern:

  • Erstens unterliegen Studien, die auf Umfragen basieren, methodischen Einschränkungen. Es ist zum Beispiel schwierig, die Komplexität realer Klimapolitik in Befragungen abzubilden.
  • Zweitens kann psychologische Forschung erklären, dass Zustimmung oftmals nicht zu individuellem Handeln führt – beispielsweise, weil eingeübte Routinen den Verhaltensimpuls aushebeln.
  • Drittens gibt es vielfältige Einflussfaktoren auf politische Entscheidungen, die über die öffentliche Meinung hinausgehen.

Warum reichen Umfragen allein nicht aus, um politische Machbarkeit abzubilden?

Die eingangs erwähnten Umfrageergebnisse machen Hoffnung, zeichnen jedoch möglicherweise ein zu optimistisches Bild der tatsächlichen politischen Machbarkeit für Klimaschutz. Die Szenarien, die solche Studien nutzen, vereinfachen die Komplexität echter Klimapolitik erheblich. So ist die Bereitschaft, ein Prozent des eigenen Einkommens zu spenden, zwar ein guter Indikator für die allgemeine Zustimmung zu Klimaschutz und den Willen, etwas dazu beizutragen, bildet aber nicht die vielschichtigen Anforderungen ab, die ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen an Menschen stellen. Hinreichend wirksamer Klimaschutz wird zu Verhaltensanpassungen im Alltag führen, in einigen Branchen berufliche Veränderungen mit sich bringen und einen Umbau der landesweiten Infrastruktur nach sich ziehen. All dies geht weit über eine Spende von einem Prozent des Einkommens hinaus.

Ähnlich verhält es sich mit den Grenzen der Zustimmung zu einem globalen Klimaschutz-System. Die Unterstützung für ein solches internationales Abkommen mit gleichmäßiger Verteilung von Emissionsrechten weltweit mag in der Theorie hoch sein. Doch die praktische Umsetzung eines solchen Systems wirft komplexe Fragen der internationalen Zusammenarbeit, unterschiedlicher nationaler Interessen und schwieriger Übergangsprozesse auf, die in einer solchen Erhebung schwer verständlich zu machen und somit kaum untersuchbar sind. Die Ergebnisse umfragebasierter Studien zur Popularität von Klimaschutz sind also mit etwas Vorsicht zu betrachten.

Warum setzen Menschen ihre Klimaschutz-Einstellungen nicht in Handeln um?

Eine Vielzahl psychologischer Mechanismen erschwert Menschen den Weg von der Einstellung zum Handeln. Selbst wenn Menschen also grundsätzlich klimafreundlich eingestellt sind, heißt das noch nicht, dass sie entsprechend handeln oder Klimapolitik auch aktiv unterstützen.

Ein zentrales Problem ist die sogenannte “Value-Action Gap”. Diese bezeichnet die Kluft zwischen dem, was Menschen für richtig halten, und dem, was sie tatsächlich tun. Insbesondere gilt, dass politische Ziele oft hohe Zustimmungswerte haben, wenn sie abstrakt sind – sobald es jedoch um konkrete Maßnahmen geht, die Zustimmung sinkt (“Abstract-Concrete-Gap”). Klimaschutz wird oft als abstrakt sowie zeitlich (ferne Zukunft), räumlich (andere Länder) und sozial (andere Menschen) entfernt wahrgenommen, während die Kosten von Klimaschutz sofort spürbar sind. Hier manifestiert sich also psychologische Distanz  als zugrundeliegendes Problem. Das Klimaproblem erscheint im Alltag jedenfalls nicht als konkret genug, um praktische Konsequenzen von Klimaschutz zu ziehen: einen Verzicht auf Flugreisen zum Beispiel, den Umstieg auf alternative Verkehrsmittel oder das Umstellen der eigenen Ernährung.

zwei rote Verkehrsampeln

Große Mehrheiten erwarten ein deutlich ehrgeizigeres und wirksames Handeln in der Klimakrise – doch Fortschritte werden oft durch psychologische Effekte und Hürden im politischen System blockiert; Foto: Carel Mohn 

Hinzu kommt “pluralistische Ignoranz”: Dieser Fachbegriff beschreibt das Phänomen, dass Menschen die Bereitschaft ihrer Mitmenschen unterschätzen, ebenfalls zum Klimaschutz beizutragen (im Englischen auch „perception gap“ genannt, also Wahrnehmungskluft). Diese falsche Wahrnehmung kann dazu führen, dass Menschen selbst nicht aktiv werden – schließlich sehen sie sich fälschlicherweise in der Minderheit.

Zusätzlich verschärft der sogenannte "Campaign-Effekt" diese Problematik: Öffentliche politische Debatten über klimapolitische Maßnahmen können  die Unterstützung für genau diese Maßnahmen reduzieren. Gerade der demokratische Prozess der öffentlichen Diskussion, der eigentlich informieren und mobilisieren sollte, kann also klimapolitischen Fortschritt unterminieren, wenn zweckrationale Maßnahmen “politisiert” werden.

Welche politischen Hürden erschweren die Klimapolitik?

Die oben genannten Mechanismen können auch erklären, warum sich klimafreundliche Einstellungen nicht notwendigerweise in klimafreundliches Wahlverhalten übertragen. Die größten Hemmnisse für ambitionierten Klimaschutz und den größten Beitrag zur Auflösung des Paradoxons stellen allerdings weniger die Grenzen von Umfragen noch die Fehlleistungen der menschlichen Psyche dar, sondern die Mechanismen des politischen Prozesses.

Zwischen öffentlicher Meinung und Entscheidungen der Regierenden liegen verschiedene strukturelle Elemente unseres politischen Systems. Von diesen Gegebenheiten erscheinen uns fünf Punkte  besonders bedeutsam, um zu erklären, warum hohe Zustimmungswerte nicht automatisch zu entsprechender Politik führen:

  • erstens der überproportionale Einfluss von Wirtschaftseliten auf klimapolitische Entscheidungen,
  • zweitens die Konkurrenz zwischen Klimaschutz und anderen Wahlkampfthemen in repräsentativen Demokratien,
  • drittens die parteiübergreifende Repräsentation klimaskeptischer Interessen,
  • viertens politische Pfadabhängigkeiten, die den Status quo begünstigen, und
  • fünftens problematische Anreizstrukturen für Politiker:innen.

Diese verschiedenen Aspekte des politischen Systems interagieren miteinander – und sie sind es, die die Kluft zwischen öffentlicher Meinung und politischem Handeln schaffen.

Ein erster wichtiger Aspekt ist dabei die Frage, wessen Stimme im politischen Prozess tatsächlich gehört wird. Eine Erklärung des Klimaschutzparadoxons liegt daher in der ungleichen Verteilung politischen Einflusses. Eine wichtige Studie aus dem US-amerikanischen Kontext zeigt, dass Wirtschaftseliten und organisierte Unternehmensinteressen einen überproportional großen Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, während die Meinungen durchschnittlicher Bürger:innen weniger Gewicht haben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entscheidung geringe öffentliche Aufmerksamkeit erfährt.

Daneben gibt es weitere Mechanismen des politischen Systems, die das Paradoxon erklären können. So wählen Menschen in den meisten Demokratien beispielsweise keine Einzelmaßnahmen, sondern Parteien oder Kandidat:innen, die ganze Bündel von politischen Vorschlägen vertreten. Klimaschutz konkurriert also mit anderen wichtigen Themen. Wenn Klimapolitik weniger auffällig ist als andere Themen, entscheiden sich manche von der Notwendigkeit des Klimaschutzes überzeugte Wähler:innen für Parteien, die in anderen Bereichen ihre Prioritäten besser vertreten, aber beim Klimaschutz schwächer aufgestellt sind.

Darüber hinaus sind fossile Interessen politisch oft doppelt repräsentiert. Damit ist gemeint, dass sie von mehreren Parteien repräsentiert werden und nicht nur von einer, wie es bei anderen politischen Themen oft der Fall ist. Der Grund dafür ist, dass klimapolitische Präferenzen quer durch traditionelle politische Lager  verlaufen – sowohl bei Unternehmen und bei Gewerkschaften, als auch in konservativen und sozialdemokratischen oder linken Parteien gibt es Gegner und Befürworter von Klimamaßnahmen. Das hat zur Folge, dass das politische Interesse, die grüne Transformation der Wirtschaft mindestens zu verlangsamen, in verschiedenen politischen Lagern vertreten wird. Links finden sie Unterstützung bei Gewerkschaften und deren Verbindung zu sozialdemokratischen Parteien, rechts bei konservativen Parteien mit Verbindung zur Industrie. Diese doppelte Repräsentation ermöglicht es Klimaschutz-Gegnern, Reformen von mehreren Seiten zu blockieren, da sie an unterschiedlichen Stellen im  politischen Prozess klimafreundliche Entscheidungen  erschweren können.

Kunstwerk: rosafarbene Falle zwischen Bäumen

Die milliardenschwere Subventionierung fossiler Energien wirkt politisch wie eine gigantische Falle, aus der nur schwer zu entkommen ist; Foto: Carel Mohn

Zudem schaffen bestehende politische Ziele und etablierte Politikfelder Pfadabhängigkeiten. Einmal etablierte Strukturen, etwa Subventionen für fossile Energien, sind schwer wieder abzuschaffen, da sie Interessengruppen hervorgebracht haben, die den Status quo verteidigen. So ist beispielsweise eine CO2-Steuer schwer einzuführen, da an mehreren Punkten ein Veto eingelegt werden kann. Wenn die Gegner einer solchen Steuer dann auch noch in mehreren Parteien vertreten sind, ist es zusätzlich leichter, ein Veto einzulegen oder gegen ein vorgeschlagenes Gesetz zu stimmen. Besteht sie jedoch einmal, ist sie auch schwer wieder abzuschaffen, da dem auch hier an mehreren Punkten im politischen Prozess widersprochen werden kann.

Gleichzeitig sind die Kosten und der Nutzen von Klimaschutz ungleich verteilt. Während die Vorteile von Klimaschutz global und in der langen Frist realisiert werden, sind die kurzfristigen wirtschaftlichen Kosten oft auf bestimmte Regionen konzentriert. Gegenden wie die Lausitz oder das Ruhrgebiet sind traditionell von kohle- und industrieintensiven Wirtschaftszweigen geprägt. Klimapolitische Maßnahmen treffen diese Gebiete daher besonders direkt, was bei Menschen in den Regionen zu Sorgen um ihre wirtschaftliche Existenz und Widerstand gegen Klimaschutz führen kann. Insofern haben gewählte Politiker:innen oft kein Eigeninteresse daran, politische Maßnahmen zu verabschieden, die Wähler:innen heute etwas kosten, jedoch erst in der Zukunft ihre positive Wirkung entfalten. Das gilt insbesondere, wenn der Wahlkreis eine:r Politiker:in unter mehr Klimaschutz leiden würde, die Vorteile aber möglicherweise in ganz anderen Wahlkreisen am stärksten spürbar sind. Politiker:innen haben somit oft wenig Anreiz, klimapolitisch zu handeln.

Was bedeutet das für die deutsche Klimapolitik?

Für eine erfolgreiche deutsche Klimapolitik ergeben sich daraus dreierlei Handlungsempfehlungen:

Erstens ist das Design der klimapolitischen Maßnahmen entscheidend, wie Wissenschaftler:innen zeigen. Klimaschutzmaßnahmen mit Umverteilung zu kombinieren findet höhere Zustimmung. So werden beispielsweise CO2-Preise eher akzeptiert, wenn die Einnahmen an die Bürger:innen zurückfließen und als sozialer Ausgleich genutzt werden. Gleichzeitig steigt die Unterstützung, wenn Menschen konkrete Alternativen zu klimaschädlichem Verhalten haben, etwa gut verfügbare öffentliche Verkehrsmittel als Alternative zum Auto. Darüber hinaus kann die Art der Informationen über Klimaschutzmaßnahmen die Zustimmung für diese erhöhen, zum Beispiel wenn die Informationen die Hauptsorgen der Menschen ansprechen. Des Weiteren ist die wahrgenommene Wirksamkeit von Maßnahmen entscheidend für die Unterstützung in der Bevölkerung.

Zweitens sind Maßnahmen hilfreich, die mögliche Verlierer des unvermeidlichen Strukturwandels kompensieren: "Just Transition"-Vereinbarungen für betroffene Regionen (z. B. Kohleregionen) helfen, diese für den Klimaschutz zu gewinnen. Solche Vereinbarungen geben den Regionen Perspektiven für wirtschaftlichen Wandel und neue Arbeitsplätze, sodass die Transformation als Chance begriffen werden kann. Dabei werden der anstehende Strukturwandel mit der betroffenen Region besprochen und Vereinbarungen getroffen, sodass die Region den Wandel akzeptiert und die Lebensqualität der Bewohner:innen weiterhin gesichert ist.

 

„Klimaschutz hat kein Popularitätsproblem, nicht in Deutschland und auch nicht in den meisten anderen Ländern der Welt. Psychologische, aber in erster Linie strukturelle politische Gegebenheiten erklären, warum hohe Zustimmungswerte nicht automatisch zu entsprechender Politik führen.“

 

Drittens bedarf es institutioneller Reformen, um die positiven Einstellungen in der Bevölkerung in politisches Handeln zu übersetzen: Schließlich muss ein Gegengewicht zum überproportionalen Einfluss wirtschaftlicher Eliten in demokratischen Prozessen geschaffen werden. Dies könnte etwa durch den stärkeren Einbezug von Umwelt- und Sozialverbänden in klimapolitische Entscheidungen geschehen, aber auch durch institutionelle Reformen. Beispiele dafür umfassen  eine Ombudsperson für zukünftige Generationen, die Gesetzesvorschläge auf ihre Klimafreundlichkeit prüft, Bürgerräte, die klimapolitische Entscheidungsprozesse mitgestalten, eine stärkere Einbeziehung des Expertenrats für Klimafragen in Gesetzgebungsprozesse, eine “Klimazentralbank” oder sogenanntes Green Budgeting, das staatliche Ausgaben und Gesetzesvorhaben auf ihren Klimafußabdruck untersucht.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Klimaschutz hat kein Popularitätsproblem, nicht in Deutschland und auch nicht in den meisten anderen Ländern der Welt. Paradox erscheint, dass daraus nur sehr indirekt klimapolitisches Handeln folgt. Psychologische, aber in erster Linie strukturelle politische Gegebenheiten erklären, warum hohe Zustimmungswerte nicht automatisch zu entsprechender Politik führen. Trotzdem sind Studien grundsätzlich überzeugend, die belegen, dass die große Mehrheit der Menschen für Klimaschutz ist. Man sollte sie als Aufruf an Entscheidungsträger:innen verstehen, die hohe Zustimmung zum Klimaschutz in der Bevölkerung politisch besser zu nutzen.