Wie handlungsbereit sind die Menschen in Deutschland, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen – und was hält sie davon ab? Dieser Frage widmet sich das Forschungsprojekt PACE an der Universität Erfurt unter der Leitung von Cornelia Betsch. PACE hat das Ziel, Wissen, Risikowahrnehmung, Vertrauen, Einstellungen und Verhalten in der Klimakrise besser zu verstehen. Dadurch entsteht ein klareres Bild über psychologische Gelingensbedingungen des Klimaschutzes. Die Befunde ermöglichen es, evidenzbasierte Strategien und Methoden für eine bessere Klimakommunikation zu entwickeln. Sie helfen außerdem dabei, Klimaschutzmaßnahmen so zu gestalten, dass die Öffentlichkeit sie eher akzeptiert und unterstützt. So schafft das Projekt eine Grundlage für Klimaschutz auf politischer und gesellschaftlicher Ebene. Hierbei schaut PACE nicht nur auf individuelles Verhalten in der Klimakrise, sondern ergänzt diese Perspektive um die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen sowie um politische Partizipation für mehr Klimaschutz.
Der Planetary Health Action Survey (abgekürzt: PACE) ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Erfurt, des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg, des Robert Koch-Instituts, des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit, des Leibniz-Instituts für Psychologie und des Science Media Center und wird finanziell unterstützt durch die Klaus-Tschira-Stiftung.
Die PACE-Daten vermessen sehr umfassend und laufend aktualisiert sowohl Einstellungen als auch Verhalten der deutschen Bevölkerung in der Klimakrise. Das Spektrum der Erhebung reicht dabei vom reinen Wissensstand über die politische Partizipation der Befragten (etwa die Teilnahme an Demonstrationen oder Diskussionen im Freundes- und Verwandtenkreis zum Klimawandel) bis hin zur Bewertung konkreter politischer Maßnahmen wie etwa eines Tempolimits oder eines Verbots von Inlandsflügen
Wer menschliches Verhalten versteht, kann es wirksam verändern – denn nur Lösungen, die vom Menschen her gedacht sind, können ihre volle Wirkung entfalten. Mehrmals im Jahr werden dafür in der PACE-Studie rund tausend Menschen aus der deutschen Bevölkerung befragt, die repräsentativ für Alter und Geschlecht sowie Bundesland sind. Die jüngste Erhebung aus dem Mai 2025 hat drei zentrale Erkenntnisse gebracht, die wichtig sind für die Klimakommunikation, politische Strategien und gesellschaftliche Transformation.
Klimapolitik: Die meisten Menschen erwarten von „ihrer“ Partei mehr, als sie sehen
Wenn es um die politische Verantwortung im Klimaschutz geht, sind sich viele Menschen in Deutschland im Großteil einig: Von der Partei, die sie wählen würden, wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre (Sonntagsfrage), wünschen sich die Befragten signifikant mehr Klimaschutz als sie es aktuell bei „ihrer“ Partei wahrnehmen. (Lediglich bei jenen, die AfD oder FDP wählen, sind die Befunde statistisch nicht signifikant; aber auch über sie lässt sich sagen: Weniger Klimaschutz wünschen sie sich im Durchschnitt nicht.)

Abbildung: PACE-Erhebung Mai 2025
Auch von der neuen schwarz-roten Koalition in Berlin wünschen sich viele Bürger*innen in Zukunft deutlich mehr Engagement beim Klimaschutz, als sie bei der Koalition aktuell vermuten. Mit anderen Worten: Die Menschen hätten gern mehr politischen Ehrgeiz in Sachen Klimaschutz – und sehen aktuell nicht, dass er realisiert wird.

Abbildung: PACE-Erhebung Mai 2025
Was bedeutet das in der Praxis? Die Unterstützung für ambitionierte Klimapolitik ist breiter, als es der öffentliche Diskurs manchmal vermuten lässt. Parteiübergreifend lohnt es sich also, auf der Basis gemeinsamer Anliegen das Gespräch mit Bürger*innen zu suchen. Politisch Verantwortliche sollten klare Ziele kommunizieren und sichtbare, effektive Maßnahmen umsetzen. Dabei kann die mediale Berichterstattung unterstützen, indem sie Diskrepanzen zwischen Wahlprogramm, Regierungsrealität und öffentlichen Erwartungen spiegelt.
Wie breit akzeptieren Menschen Basisbefunde zum Klimawandel?
Das Yale Program on Climate Change Communication (YPCCC) hat die Komplexität des Klimawandels schon vor Jahren auf fünf wissenschaftlich abgesicherte, kurze Schlüssel-Aussagen vereinfacht, die jede*r kennen sollte: It’s real. It’s bad. It’s us. Experts agree. There’s hope! (Eine deutsche Version in 20 Worten findet sich hier.) Zuletzt wurde noch ein sechster Punkt ergänzt: Others care. Diese Schlüssel-Befunde der Klimaforschung eignen sich – auch über Parteigrenzen hinweg – als Grundlage für eine lösungsorientierte Debatte. Ausformuliert würden die Eckpunkte etwa lauten:
- Das Klima auf der Erde verändert sich aktuell sehr deutlich.
- Der Klimawandel wird das Leben auf der Erde wesentlich verschlechtern.
- Die Veränderungen des Klimas sind auf den Einfluss der Menschen zurückzuführen.
- Die Wissenschaft ist sich einig, dass der Klimawandel geschieht und menschengemacht ist.
- Wir können noch etwas tun.
- Die Mehrheit der Menschen ist besorgt über den Klimawandel und unterstützt Klimaschutzmaßnahmen.
Bislang gab es kaum Untersuchungen dazu, wie breit die deutsche Bevölkerung diese Klima-Fakten akzeptiert, die aktuelle PACE-Befragung (Mai 2025) liefert Daten dazu. Sie sind gemischt: Circa die Hälfte bis zwei Drittel der Befragten stimmen den fünf Kernbefunden der Forschung stark oder sehr stark zu. Am meisten Zustimmung herrscht darüber, dass sich das Klima auf der Erde aktuell deutlich verändert (66 Prozent) und dass es dennoch Hoffnung für die Menschheit gibt (62 Prozent), bei lediglich 14 Prozent der Befragten gibt es jeweils nur eine geringe oder keine Zustimmung. Rund doppelt so hoch ist jedoch der Anteil derer, die lediglich in geringem Maße oder nicht zustimmen, bei zwei anderen Kernaussagen: Dass der Klimawandel menschengemacht ist und dass sich die Forschung darüber einig ist.

Abbildung: PACE-Erhebung Mai 2025
(Punkt 6 „Others care“ wurde in der Erhebung noch nicht abgefragt.)
Die Zustimmung zum wissenschaftlichen Konsens ist zuletzt gesunken
Im Vergleich mit PACE-Daten aus dem Jahr 2022 fallen einige Veränderungen auf: In der aktuellen Befragung nahmen weniger Menschen Veränderungen des Klimas wahr als vor drei Jahren (66 Prozent statt damals 74 Prozent), und weniger Menschen stimmen zu, dass die Veränderung auf menschlichen Einfluss zurückzuführen ist (52 Prozent gegenüber 62 Prozent). Außerdem stimmen heute weniger Menschen der Einsicht zu, dass der Klimawandel das Leben auf der Erde wesentlich verschlechtern wird (61 Prozent statt 70 Prozent).
Was bedeutet das für die Praxis? Es braucht eine kontinuierliche, bessere Kommunikation über Ursachen, Folgen und Lösungswege der Klimakrise. Die Faktenlage muss also immer wieder aufs Neue über verschiedene Kommunikationskanäle vermittelt werden – und das nicht nur während Hitzewellen oder anderen Extremwetterereignissen. Vor allem aber sollte die hohe wissenschaftliche Einigkeit stärker betont und wissenschaftliche Erkenntnisse über den menschlichen Einfluss aufs Klima herausgearbeitet werden.
Der Lokaljournalismus eignet sich gut, um die gefühlte Distanz zum Klimawandel abzubauen, indem er lokale Ereignisse aufgreift. Hoffnung scheint ebenfalls ein wichtiger Hebel für die Kommunikation zu sein – aber sie sollte mit konkreten Handlungsoptionen verbunden sein, sonst kann sie schnell zur Vertröstung werden.
Wichtig ist aber auch, dass die Zustimmung zu grundlegenden Klima-Fakten nicht automatisch mit der Zustimmung zu politischen Klima-Maßnahmen gleichzusetzen ist. Um diese zu stärken, könnte es wichtig sein, in der politischen Kommunikation stärker an den wissenschaftlichen Erkenntnisstand anzuknüpfen, um zu verdeutlichen, warum bestimmte Schritte notwendig sind.
Fragen der Bürger*innen in Sachen Klimaschutz sind sehr konkret
Im Juni 2025 veranstaltete ein Bündnis aus mehr als hundert Organisationen und Initiativen den Tag der Klimademokratie, an dem Bürger*innen mit Abgeordneten des Bundestags über eine bessere Klimazukunft ins Gespräch kommen konnten. Das PACE-Team nahm die Aktion zum Anlass, bei ihren Probanden zu erkunden, welches denn ihre brennendsten Fragen zum Klima(-schutz) an die Politik sind. Die Antworten geben uns ein Bild davon, was Menschen aktuell beschäftigt und sie umtreibt. (Die Erhebung fand nicht in Zusammenarbeit mit dem Bündnis Klimademokratie statt, mit den gesammelten Fragen der Probanden haben sich dann aber PACE-Mitarbeiter*innen am Tag der Klimademokratie beteiligt.)
Egal ob Tempolimit, Klimageld, Ausbau des Schienennetzes oder Reformen des Bausektors – die Ergebnisse waren eindeutig: Die 418 Teilnehmenden der Studie, die Fragen formuliert haben, stellten sehr konkrete, drängende Fragen. Und sie drehten sich meist um einen bestimmten Aspekt: die Umsetzung.
Fragen lauteten zum Beispiel: „Wann kommt endlich das Klimageld?“ oder „Wann wird das Schienennetz ausgebaut?“ Außerdem treibt die Bürger*innen um, warum politischer Verantwortung nicht nachgekommen wird. Beispielsweise fragten die Teilnehmenden, wieso Deutschland seine Klimaziele verfehle, weshalb wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert würden, oder warum man Großkonzerne/Industrie nicht stärker in die Pflicht nehme. Andere Teilnehmende wünschen sich mehr Informationen über klimapolitische Maßnahmen; sie wollten etwa wissen, wie wirtschaftlich unterschiedliche Maßnahmen sind, welche Rolle Deutschland im globalen Klimaschutz spielt, oder warum gewisse Klimaschutzmaßnahmen scheitern bzw. abgelehnt werden.
Die Fragen der Teilnehmenden unterstrichen zum einen die generellen PACE-Befunde zur grundsätzlich hohen Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen in Deutschland und zur hohen generellen Bereitschaft zu mehr Klimaschutz. Außerdem können die Fragen darauf hindeuten, dass die Teilnehmenden nicht nur von Maßnahmen überzeugt, sondern mitgenommen werden wollen. Diese Tendenz bietet politischen Entscheider*innen die Möglichkeit, nicht nur die Maßnahmen an sich zu kommunizieren, sondern ebenso den Umsetzungsstand und die Effektivität zu berichten – ehrlich, transparent und kontinuierlich. Medien könnten hierbei eine zentrale Rolle spielen, indem sie zum Beispiel systematisch den Informationsbedarf der Bevölkerung aufgreifen und in Formate wie eine „Klimafrage der Woche“ oder andere interaktive Formate überführen.
Fazit
In Deutschland besteht eine breite Zustimmung zu Klimaschutz, doch es mangelt am Glauben an die politische Umsetzung. Die meisten Menschen wünschen sich mehr Klimaschutz – und zwar sowohl von der Partei, die sie bei der nächsten Bundestagswahl wählen würden, als auch von der aktuellen Bundesregierung. Sie wünschen sich nicht nur Faktenwissen, sondern auch konkrete Informationen zur politischen Umsetzung und greifbare Perspektiven. Es braucht daher klare, transparente Kommunikation – über Maßnahmen, deren Umsetzungsstand und Effektivität sowie über aktuelle Herausforderungen.