Die Beispiele sind so zahlreich, dass man hier gar keine mehr zu nennen braucht: Falschinformationen – nicht nur, aber auch rund ums Klima – finden sich im Internet in schier unüberschaubarer Menge. Mehr noch: Sie verbreiten sich offensichtlich schneller und weiter als korrekte Fakten. Grund dafür sind laut einer Science-Studie aus dem vergangenen Jahr weniger Geschick oder technische Raffinesse der Urheber, sondern vor allem die Grund-Mechanismen der menschlichen Psyche.

Als Gegenmittel sind in den vergangenen Jahren sogenannte "Faktenchecks" sehr beliebt geworden, klimafakten.de zum Beispiel hat seit seinem Start 2011 fast 50 derartige Texte veröffentlicht. Die EU-Kommission lobt Fact-Checking als Instrument gegen Desinformation und Propaganda. Die längste Tradition haben einschlägige Websites in den USA, etwa factcheck.org oder snopes.com. Die britische BBC bietet einen solchen Service mit ihrem "Reality Check" ebenso wie etwa die ARD, die nach jeder Ausgabe des Talks „hart aber fair“ einen Faktencheck wichtiger Aussagen aus der Sendung im Internet veröffentlicht. Es gibt die österreichische Website mimikama.at oder EchtJetzt vom gemeinnützigen Rechercheprojekt Correctiv. Selbst im Kinderfernsehen ist das Format angekommen: "Checker Tobi" zum Beispiel ist im Kika ein Moderator namens Tobi, der fürs junge Publikum bestimmte Themen überprüft.

"Wir sehen extreme Ablehnung, aber auch Zustimmung"

Eines der wohl bekanntesten Angebote in Deutschland ist der "Faktenfinder" der Online-Ausgabe der ARD-Tagesschau. Die Resonanz auf die Beiträge sei kontrovers, berichtet der zuständige Redakteur Patrick Gensing: "Wir sehen extreme Ablehnung oftmals von rechtsextremen Akteuren – aber auch Zustimmung seitens Kollegen und Wissenschaftlern, die unsere Arbeit als Teil des Auftrags öffentlich-rechtlicher Rundfunksender verstehen."

Sogar in den Kinderkanal von ARD und ZDF hat es das Format des Faktenchecks bereits geschafft - in Person von "Checker Tobi"; Foto: Screenshot Kika

Auch Gensing hält es für eine Kernaufgabe der gebührenfinanzierten Medienanstalten, "Orientierung zu bieten und sich dabei auch mit unappetitlichen Themen zu beschäftigen, die in den sozialen Medien Relevanz und Breitenwirkung erfahren". Viele Menschen seien heute mit Halbwahrheiten und glatten Lügen konfrontiert. "Wir versuchen, die Debatte zu versachlichen und Medienkompetenz zu vermitteln und dabei zu erklären, worauf man als Rezipient achten sollte."

Doch was bringen Faktenchecks überhaupt? Sind sie wirklich ein effektives Mittel gegen Desinformation? Helfen Sie tatsächlich der Gesellschaft dabei, sich besser zu informieren und dann bessere Entscheidungen zu treffen? Bisher gebe es keine wissenschaftliche Evaluierung der "Faktenfinder"-Angebote, sagt Gensing. Sein persönlicher Eindruck aber sei dieser: "Ich sehe beispielsweise auf Facebook Leute, die sehr organisiert trollen – aber auch immer öfter auch Leute, die dagegenhalten und auf einen Faktenfinder- oder Tagesschau-Beitrag verweisen."

Studie: Faktenchecks erreichen ihre eigentliche Zielgruppe nicht

Auf Kommunikationsforscher üben Internetdienste eine starke Faszination aus, dank ihres hohen Transparenzgrades sind sie ein idealer Untersuchungsgegenstand. Zur Frage, wie wirksam Fakten-Check-Angebote im Netz sind, untersuchten beispielsweise Forscher der Princeton University in den USA sowie des Dartmouth College und der University of Exeter in Großbritannien während der Hochphase des US-Präsidentschaftswahlkampfs im Herbst 2016 den Internetverkehr von rund 2.500 Wahlberechtigten und befragten sie anschließend. Ihr ernüchterndes Ergebnis: Fakten-Checks erreichten ihre eigentliche Zielgruppe nicht.

Die Forscher stellten fest, dass 40 Prozent der Unterstützer des republikanischen Kandidaten Donald Trump mindestens einen Artikel mit Falschaussagen online lasen, während das bei nur 15 Prozent der Unterstützer der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton der Fall war. Nur 20 Prozent der Befragten besuchten aber auch eine Seite wie PolitiFact oder Snopes. Allerdings waren das meist diejenigen, die zuvor gar nicht mit Falschnachrichten in Kontakt gekommen waren. Hingegen hatte kein einziger derjenigen, die Falschnachrichten konsumiert hatten, die entsprechenden Faktenüberprüfungen gelesen.

Unmittelbar korrigierend wirken Fakten-Check-Portale also kaum. Allerdings gab die Studie einen Hinweis darauf, wo die Musik spielt: So nahm Facebook bei der Verbreitung von Falschnachrichten eine prominente Rolle ein. In einem Drittel der Fälle gelangten die Leser nämlich über einen Facebook-Link auf die Desinformations-Seiten. Die Studie untersuchte allerdings nur die Internetnutzung von Desktops aus, weshalb die Bedeutung von Messenger-Diensten wie WhatsApp bei der Verbreitung von Falschnachrichten nicht in den Fokus der Forscher geriet.

Das Internet galt eigentlich mal als Mittel für bessere Kommunikation …

Doch inwieweit trägt der Meinungsaustausch über Internetdienste eigentlich generell dazu bei, eigene Denkweisen zu hinterfragen? Am Anfang des World Wide Web stand das Versprechen des "Global Village", dass Menschen andere Menschen an anderen Orten mit anderen Meinungen besser verstehen können, wenn sie sie nur kennenlernen. Jeder Mensch war im Grunde nur durch einen Link, einen Klick entfernt. Später wurde das vom amerikanischen Psychologen Stanley Milgram 1967 entdeckte Kleine-Welt-Phänomen, dass jeder Mensch jeden beliebigen anderen Menschen über durchschnittlich sechs Ecken kennt, von Netzwerkanalysen in Social Networks bestätigt.

Ende der 2000er Jahre waren viele Medienakteure optimistisch gestimmt, dass über eine bessere Leserpartizipation in Online-Portalen eigene Resonanzräume im Internet geschaffen werden können. Diese sollten nicht nur aus Lesern, sondern aus Leser-Communities bestehen und den Weg zu neuen Formen des Bürgerjournalismus bereiten. Mit den Attacken aus dem konservativen Lager auf den damaligen US-Präsidenten Barack Obama, die gezielt mit Falschaussagen und Verschwörungstheorien arbeiteten, entstanden immer mehr Factchecking- Angebote. Seither wird auch die Frage diskutiert, ob sich Menschen, die Politik und Medien misstrauen, nicht viel lieber in Echokammern zurückziehen und sich damit automatisch Argumenten, die ihrer eigenen Weltsicht widersprechen, verschließen. Findet der Meinungsaustausch also gar nicht so statt, wie es das Kleine-Welt-Phänomen zunächst suggerierte?

In dem Beitrag "Echo Chambers of Denial: Explaining User Comments on Climate Change" geht der Hamburger Kommunikationsforscher Michael Brüggemann (der auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von klimafakten.de ist) dieser Frage nach. Er untersuchte mit seinem Team, welche Faktoren eher skeptische oder eher zustimmende Kommentare hinsichtlich des menschenverursachten Klimawandels begünstigen. Er ging von der Schweigespirale-Theorie der Meinungsforscherin Noelle-Neumann aus, wonach Menschen eine soziale Isolierung fürchten, wenn sie eine abweichende Meinung äußern. Für seine Untersuchung nahm das Team 3470 Kommentare zu insgesamt 803 Beiträgen aus 24 Onlinemedien der USA, Großbritannien, Deutschland, Indien und der Schweiz unter die Lupe. Es sah sich dabei immer nur die ersten zehn Kommentare jedes Nachrichtenbeitrags an, da diese seitens der Leser die höchste Aufmerksamkeit erfahren.

Kommentarspalten von Online-Medien als Nische für Klimawandel-Leugner

Dabei kam es zu einer differenzierten Beobachtung: Ausgerechnet in den USA, wo das Leugnen des menschengemachten Klimawandels in der Politik eine beachtliche Zustimmung findet, werden wenig ablehnende Kommentare gepostet. Die Nutzer gleichen ihre Meinung an die Meinung an, die im jeweiligen Onlinemedium hauptsächlich vertreten wird. Während Leser der liberalen Huffington Post mit klimaskeptischen Kommentaren kaum zu finden sind, ist das bei USA Today anders, da die Zeitung sich bei dem Thema neutral positioniert hat.  Demnach funktionieren die Kommentarspalten wie Echokammern.

Hingegen sind Klimaleugner in den Kommentarspalten in Ländern wie Deutschland und der Schweiz sichtbarer, in denen die nationale Klimadebatte die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse wiederspiegelt und der Diskurs weniger polarisiert ist. Dort fungieren die Kommentarspalten für die Klimaleugner als Nische. Angesichts dieser Studienergebnisse halten es die Kommunikationsforscher für wichtig, dass Klimawissenschaftler die von ihnen festgestellten Fakten nicht nur in liberalen Elite-Medien, sondern in Boulevardmedien und konservativen Zeitungen bekannt machen sollten, um aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive eine besser informierte Debatte zu ermöglichen.

Entsprechend müssten die Wissenschaftler selbst aktiver werden, um ihre Forschungsergebnisse einem möglichst großen Publikum bekannt zu machen. Ansonsten würden die Nischen des Klimaleugnens fortbestehen, wie sie vor allem in den Kommentaren von Kolumnisten und Lesern in den Boulevardmedien und konservativen Zeitungen zu beobachten seien. Um im Bild des "globalen Dorfes" zu bleiben, müssten die Klimawissenschaftler selbst wahrnehmen, dass es auch im Zeitalter des weltumspannenden Internet noch lokale digitale Dörfer gibt, deren Bewohner nur zu erreichen sind, wenn man sie selbst aufsucht.

Bisweilen verhärten konträre Informationen das eigene Weltbild

Doch was passiert, wenn die Bewohner eines lokalen Dorfes mit neuen, möglicherweise ihrem Weltbild nicht entsprechenden Nachrichten und Meinungen tatsächlich konfrontiert werden? Das untersuchten Soziologen und Politologen der New York University, der Duke University in Durham und Brigham Young University in Provo in einem Experiment. Sie vereinbarten mit ausgesuchten Twitternutzern in den USA, dass sie einen Monat lang einem Twitter-Bot folgen sollten, der politisch konträre Ansichten vertrat. Die Nutzer erhielten dafür einen bestimmten Geldbetrag. Der Bot retweetete 24-mal pro Tag Nachrichten von konservativen bzw. linksliberalen Twitter-Konten. Dabei stellten die Forscher fest, dass Republikaner, die einem liberal gesinnten Bot folgten, danach noch konservativere Ansichten vertraten. Demokraten hingegen zeigten sich noch liberaler, nachdem sie einem konservativen Twitter-Bot gefolgt waren.

In ihren Schlussfolgerungen warnen die Forscher jedoch davor, diesen Backfire-Befund zu verallgemeinern, da die meisten Amerikaner Twitter nicht nutzen. Die Forscher gehen davon aus, dass sie mit ihrer Studie nur Angehörige der gesellschaftlichen Oberschicht erreichten. Sie betonen auch, dass es unklar sei, welche Wirkung das Studiendesign auf die Nutzer hatte, die von ihnen für ihre erhöhte Aufmerksamkeit ja bezahlt worden waren. Möglicherweise habe diese erhöhte Nachrichtennutzung selbst die Gegenreaktion ausgelöst. Außerdem nahmen an der Studie keine Twitter-Nutzer teil, die nur unregelmäßig Twitter nutzen oder die sich keiner bestimmten politischen Partei zugehörig fühlen. Möglicherweise ignorieren diese Twitternutzer Nachrichten einfach, die ihrer Meinung nicht entsprechen. Unstrittig ist also weiterer Forschungsbedarf gegeben.

Dass der Backfire-Effekt eher selten auftritt, lässt eine Untersuchung der US-Politikwissenschaftler Ethan Porter und Thomas Wood vermuten. Sie untersuchten in fünf Experimenten, wie über 10.000 Einzelpersonen mit verschiedenen politischen Überzeugungen auf Fakt-Checkings zu 52 Themen reagierten, die sich auf Äußerungen von Politikern bezogen. Demnach nehmen die meisten Bürger die faktischen Informationen auch dann ernst, wenn sie ihr eigenes Weltbild herausfordern. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass dies auch die politische Einstellung und damit das Wahlverhalten automatisch ändert.

Faktenchecks hecheln den Falschmeldungen stets hinterher …

Interessant sind auch die Schlussfolgerungen des Kommunikationswissenschaftlers Alexander Sängerlaub, der in einer Untersuchung für die Stiftung Neue Verantwortung die eingeschränkte Wirkung des Fact-Checkings auf mehrere Faktoren zurückführte: Zum einen erfolgt die Überprüfung in der Regel als Reaktion auf eine veröffentlichte Desinformation. Deshalb erreicht sie deutlich weniger Menschen als die ursprüngliche Falschmeldung. Zum anderen lösen die falschen Meldungen meist gezielt hohe Emotionen bei den Lesern aus, weshalb sie öfter in sozialen Netzwerken geteilt werden. Dabei dauert es 24 bis 72 Stunden, bis eine Falschmeldung wieder zurückgenommen werden kann.

Desinformationen verbreiten sich so weit, weil sie starke Emotionen auslösen - das ist eines der Fazits des Reports "Feuerwehr ohne Wasser" der Stiftung für Verantwortung

Wahlkämpfer setzen inzwischen genau auf diese Umstände: Im Kampf um die brasilianische Präsidentschaft 2018 konnte Wahlsieger Jair Bolsonaro in mehreren Wahlkreisen erst in den letzten 48 Stunden die Wählerzustimmung deutlich steigern. Der Schweizer Historiker Antoine Acker berichtete im Online-Magazin "Geschichte der Gegenwart", dass etwa im Bundes­staat Rio de Janeiro der Stimm­an­teil von Bolso­naros engen Verbün­deten und Gouver­neurskan­di­daten Wilson Witzel innerhalb von nur 24 Stunden von 14 Prozent auf 41 Prozent gesteigert werden konnte. Eine zentral geplante millionenschwere Propagandakampagne hatte über die Sozialen Netzwerke und Whatsapp Kandidaten der Gegenpartei diffamiert.

Genau aus diesem Grund halten auch Factchecker von Snopes, die Facebook nach den US-Präsidentschaftswahlen 2016 einstellte, ihre Arbeit für fruchtlos: Facebook greife ihre Richtigstellungen zu spät auf, kritisierte ein Factchecker im britischen Guardian, und erreiche damit nicht mehr die Leute, die die Falschmeldung konsumiert haben. Manche Factchecker sehen ihre Arbeit daher mittlerweile als PR-Feigenblättchen für den Social-Media-Konzern.

… aber sie könnten helfen, künftige Desinformation zu erkennen

Fact-Checking als Mittel gegen Desinformation kann Journalisten, Bürger und Politiker über laufende Desinformationskampagnen informieren. Es dient damit, so Alexander Sängerlaub, als "Rauchmelder gegen Fake-News-Brände". Wenn die Journalisten berichten, wie sie Falschmeldungen aufgedeckt haben, erhöhen sie damit auch die Medienkompetenz ihrer Leser. Diese werden nämlich nicht nur aufgeklärt, sondern erfahren auch, wie sie selbst solche Nachrichten überprüfen könnten.

Auf die Vermittlung von Medienkompetenz legt beispielsweise auch Patrick Gensing vom Tagesschau-Faktenfinder wert: "Wenn behauptet wird, dass Factchecking zur Verbreitung von Fake News beiträgt, weil es die falschen Inhalte wiederholt, überzeugt mich das nicht.  Es ist ja nicht verkehrt, wenn sich die Leute an eine falsche Behauptung erinnern, wenn solche Muster bei anderen Meldungen wieder auftauchen." Gleichwohl ist es wichtig, den richtigen Ton bei der Korrektur der Informationen zu finden. Die Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling betont, dass Fact-Checker die Falschinformation nicht einfach negieren sollten, sondern neue Narrative finden müssen, um die aufklärerische Wirkung zu erhöhen.

Alexander Sängerlaub empfiehlt, Fact-Checking-Prozesse noch effizienter zu gestalten und die verschiedenen Fact-Checker besser miteinander zu vernetzen. Derzeit betreiben nämlich die Redaktionen ihre Arbeit unabhängig voneinander mit oft knappen personellen Ressourcen. Nach dem Vorbild des Recherchekollektivs aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ließe sich das aber noch besser bündeln. Größere Verbünde könnten außerdem besser Schulungen und Weiterbildungen anbieten.

Schon jetzt gibt es technische Werkzeuge, mit denen Bilder gesucht und Manipulationen von Videos erkannt werden können. Sängerlaub schlägt daher die Errichtung einer gemeinsamen Datenbank für die hilfreichsten Tools vor, die alle Redaktionen beim Fact-Checking unterstützen können. Die Lizenzierung dieser Software-Werkzeuge unter Open-Source-Lizenzen könnte die Weiterentwicklung fördern. Ein transparenter Umgang mit Fehlern bzw. deren Korrektur könnte das Vertrauen der Leser in die Redaktionen stärken. Mit diesen Maßnahmen könnte letztlich den Fake News der gesellschaftliche Nährboden entzogen werden, meint Sängerlaub optimistisch.

In der realen Welt läuft die Kommunikation oft sehr anders als online

Möglicherweise ist dieser Ansatz jedoch noch zu instrumentell und greift nicht weit genug. Wissenschaftlich lässt sich die Verbreitung von Falschnachrichten in digitalen Kommunikationsräumen zwar leichter messen. Wichtig sind jedoch auch die Erfahrungsberichte aus der analogen Welt. Bemerkenswert ist die persönliche Erfahrung von Klimamanagern und Klimakommunikatoren, dass dort, wo ein Gespräch entstehen und auf Argumente ausführlich und wertschätzend eingegangen werden kann, eine Öffnung hin zu einem Dialog stattfinden kann, in dem auch Lösungen gemeinsam gedacht und entwickelt werden können. Soziale Netzwerke wie Facebook hingegen fallen dabei wiederholt in Studien und persönlichen Schilderungen als Kommunikationsraum auf, in dem dies nicht möglich ist.

Das legen beispielsweise die Erfahrungen von Ilka Müller vom Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz (SK:KK) beim Deutschen Institut für Urbanistik nahe. Das SK:KK stellte im Rahmen seiner Klimaschutz-Aktionstage 2018 eine Wimmelwand auf, die zu Klimaschutz im Alltag aufklärte. Angesprochen wurden Menschen aller Altersgruppen, wie sie CO2 im Alltag sparen können. "Alle unsere Aussagen basierten auf im Vorfeld recherchierten Fakten", betont Müller und erzählt: "Größtenteils haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir Mythen dann ausräumen konnten, wenn sie nicht Teil einer Weltanschauung waren, also immer dann, wenn die falsche Aussage auf ‚habe ich mal gehört‘ beruhten."

Mittels Fakten und Angaben der Quellen konnte das Team bewirken, dass die Informationen aufgenommen wurden, wobei sich "nicht selten aus ersten Berührungsängsten längere Gespräche ergaben". Anders war das bei Besuchern, "die an unseren Aktionsstand kamen, um uns mitzuteilen, dass es weder die menschengemachte Erderwärmung noch eine Klimakrise gäbe". Sie waren "auch mit Fakten nicht zu erreichen", erzählt Müller. "Nicht selten wurden wir dann mit Verschwörung bezüglich unseres Auftraggebers konfrontiert und dass wir als BMU-Projekt der Bundesregierung nach dem Mund reden müssten." Der Verweis, dass das SK:KK am Deutschen Institut für Urbanistik angesiedelt ist, überzeugte nicht.

Die Kommunikation auf Facebook gestaltete sich für das SK:KK-Team noch schwieriger: Basierend auf der Idee der Aktionstage-Wimmelwand startete das Team eine Mini-Kampagne zu Klimaschutz im Alltag. Müller: "Unsere Erfahrung deckt sich mit dem bekannten Phänomen, dass wir sehr viel härter angegangen wurden als im ‚realen Leben‘. Wir wurden teilweise so sehr mit Kommentaren überhäuft, dass es uns als relativ kleines Projekt nicht möglich war, die Diskussionen zu moderieren." Das Team reagierte damit, dass es auf weitere seriöse Quellen mit Bezug auf die jeweiligen Kampagnenthemen wie Mehrwegflaschen, Stromverbrauch oder Nahrungsmittelverschwendung verwies, die weitere Aspekte beleuchteten. Ilka Müller hat den Eindruck, dass die wenigsten Menschen auf die Argumente eingingen. Nur in Ausnahmen reagierten die Menschen auf den multifaktoriellen Erklärungsansatz mit einem "Vielen Dank für die Hinweis, ich wollte bewusst überspitzen". Müller: "Generell war unser Eindruck: Immer dann, wenn Menschen das Gefühl hatten, dass sie in ihrer persönlichen Freiheit im Alltag 'eingeschränkt' werden, wurde der Ton schärfer."

Ein Lösungsweg: Kommunikationsräume anders gestalten?

Die sogenannten "Sozialen Netzwerke" erweisen sich als schwieriges Terrain. "Was wir mit Facebook und ähnlichen digitalen Diensten haben, ist eine Technologie, die entweder auf Weltbeherrschung abzielt oder darauf optimiert ist, dass du als Nutzer deine eigene Bildschirmzeit maximierst", sagt etwa der Organisations- und Aktionsforscher Otto Scharmer vom Massachusetts Institute for Technology (MIT). Das sei "zwar gut für das Advertising und die Profite, aber verheerend für die Lebensqualität der Nutzer." Es gehe daher auch darum "andere Plattformen, andere Technologien und andere rechtliche Rahmenbedingungen zu entwickeln".

Vermutlich hängt es von der Gestaltung des Kommunikationsraums ab, ob und wie Sachargumente angenommen werden. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, wie Reflexionsräume für den Einzelnen sowie für Gruppen gestaltet werden können, die einen Kommunikationsstil befördern, der die Akzeptanz von irreführenden oder falschen Informationen erschwert. Inwieweit es gelingen kann, entsprechende Reflexionsräume auch online oder in einer Verzahnung von Online- und Offline-Aktivitäten herzustellen, ist Gegenstand aktueller Forschungsprojekte wie beispielsweise dem jetzt am MIT entstehenden Societal Transformation Lab, das unter anderem von Otto Scharmer konzipiert wurde.

Christiane Schulzki-Haddouti