Klaus Uwe Feichtinger studierte Jura an der Universität Graz, wo er auch promovierte. Danach arbeitete er unter anderem als Referent des SPÖ-Nationalratsabgeordneten Christian Faul und Geschäftsführer einer kommunalen Wohnungsgesellschaft. In seiner steiermärkischen Heimat ist er seit langem kommunalpolitisch in der SPÖ, seit 2013 sitzt er im österreichischen Nationalrat und ist Umweltsprecher der SPÖ-Fraktion.

 

Die österreichische Sozialdemokratie hat ökologischen Anliegen schon lange einen hohen Stellenwert eingeräumt - doch deren Bedeutung wurde sie in der Praxis nicht immer konsequent gerecht. Wo ökologische und ökonomische Anliegen nicht miteinander vereinbar waren, hat sie dem Wirtschaftswachstum oft eine Vorrangstellung eingeräumt. Was uns auch in der Zukunft von anderen Ansätzen in diesem Bereich unterscheidet, ist das Ziel einer sozialverträglichen Umgestaltung unserer Gesellschaft hin zu ökologischer Nachhaltigkeit.

Aber angesichts des Klimawandels ist klar, dass dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen – auch als Grundlage der sozialen Gerechtigkeit – die höchste Priorität zukommen muss. Denn sie wird dazu führen, dass es sich einige wenige richten können, während viele den Folgen der Klimaerhitzung hilflos ausgesetzt sind. Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind heute schon überproportional von den Folgen der Umweltverschmutzung betroffen. Unter der Luftverschmutzung des motorisierten Individualverkehrs leiden besonders jene, die in den billigeren Wohnlagen in der Nähe stark befahrener Straßen wohnen. Und wenn in den Städten in den Sommermonaten der so genannte "Backofen-Effekt" eintritt, leiden besonders jene, die kein Wochenendhaus am Land haben, die nicht in klimatisierten Wohnungen leben und nicht in den reichen Vorstädten mit viel Grün zwischen den Villen.

 

"Sozialschwache sind von der Klimaerhitzung stärker betroffen. In den Sommermonaten in den Städten leiden besonders jene, die kein Wochenendhaus am Land haben, die nicht in klimatisierten Wohnungen leben und nicht in den reichen Vorstädten mit viel Grün zwischen den Villen"

 

Um diese Ungerechtigkeit auszugleichen, braucht es eine aktive Politik: Umwelt- und Klimapolitik heißt letztlich, allen Menschen ein besseres und gesünderes Leben zu ermöglichen. Dabei geht es nicht notwendigerweise darum, dass die aktuelle Generation ihre Lebensqualität verringern muss, um künftigen Generationen eine Welt mit hoher Umweltqualität zu hinterlassen. Sie kann auch für uns, die wir jetzt auf dieser Erde leben, eine Erhöhung unserer Lebensqualität sowie Wohlstand und Beschäftigung bringen.

Die Klimaerhitzung wird gerne als globales Phänomen verstanden, das eine ebenso globale Lösung verlangt. Ein solches Verständnis bietet auch eine billige Ausrede, nationale Anstrengungen zu unterlassen und sich auf fehlende internationale Kooperation herauszureden. Dabei sind Treibhausgasemissionen, die hauptverantwortlich für den Klimawandel sind, zu einem großen Teil auch für lokale Umweltprobleme verantwortlich. Was wir lokal an Schadstoffen ausstoßen, summiert sich nicht irgendwo in einer globalen Ferne zur Klimakatastrophe, sondern sorgt unmittelbar und konkret vor unserer Haustüre für schwerwiegende Belastungen. Klimapolitik, die auch lokale Luftverschmutzung reduziert, trägt zu mehr Umweltgerechtigkeit bei.

Plakat der SPÖ zur Europawahl 2019; Quelle: SPÖ

Das heißt, dass nationalstaatliche oder regionale klimapolitische Maßnahmen sinnvoll sind. Wir wollen nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch für die Nationalstaaten klare Ziele zur Verbesserung der Energieeffizienz, zum Ausbau erneuerbarer Energieformen und zur CO2-Reduktion. Österreich soll sich hier an die Spitze stellen und bis 2040 CO2-neutral werden. Zum Schutz der Umwelt sollten zudem umweltfreundliche Technologien stärker gefördert und umweltschädliche Technologien stärker besteuert werden.

Umweltpolitik und Verteilungsfragen sind eng miteinander verbunden. Es ist unsinnig, die ökologische und die soziale Frage gegeneinander auszuspielen. Das wäre so, als hätte man vor 150 Jahren die Kämpfe für Sicherheit in der Fabrik gegen den Kampf um höhere Löhne ausgespielt. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben Wohlstand und andere politische Ziele wie Gesundheit oder Lebensqualität immer zusammengehört. Wir wissen auch, dass die Umwelt- und Klimapolitik im Sinne der Bevölkerung gestaltet werden kann und muss.

Alle Menschen haben ein Recht auf eine intakte Umwelt. Konsequentes Handeln gegen Umweltverschmutzung und Klimawandel – etwa durch ein Verbot von unnötigem Plastik – muss und darf keine negativen sozialen Auswirkungen haben. Wir haben alle Chancen der Welt, dadurch mehr Beschäftigung, eine gleichere Einkommensverteilung und ein gesünderes und längeres Leben zu erreichen.

 

"Es ist unsinnig, die ökologische und die soziale Frage gegeneinander auszuspielen. Das wäre so, als hätte man vor 150 Jahren die Kämpfe für Sicherheit in der Fabrik gegen den Kampf um höhere Löhne ausgespielt"

 

Wenn es darum geht, den individuellen Ressourcenverbrauch zu verringern, spielt eine optimal ausgebauten öffentlichen Infrastruktur eine zentrale Rolle. Als etwas, das alle gesellschaftlichen Schichten teilen, stärkt ein gut funktionierender öffentlicher Verkehr nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, er führt auch zu einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs, vor allem wenn er von verlässlichen kleinräumigen Netzen in Verkehrsverbünden bis hin zu internationalen Bahn- und Wasserstraßenverbindungen reicht. Ähnliche Wirkungen haben auch gut ausgebaute kommunale Dienstleistungen, öffentlich zugängliche Naherholungsräume und ein starker gemeinnütziger, nachhaltiger und öffentlicher Wohnbausektor, der für einen großen Teil der Bevölkerung zugänglich ist.

Wir Sozialdemokraten werden für den Erhalt der Umwelt und gegen die Privatisierung öffentlicher Ressourcen ankämpfen. Wir bekennen uns zum Vorsorgeprinzip, wonach neue Technologien erst dann zur Anwendung kommen dürfen, wenn ihre grundsätzliche Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit nachgewiesen ist. In der öffentlichen Beschaffung ist bei Ausschreibungen zwingend auf ökologische und soziale Standards zu achten.

Das Thema Energie muss als System betrachtet werden und nicht als zusammenhangloses Panorama von Fragen wie Treibstoff, Warmwasser und Stromerzeugung. Unsere große Chance dabei ist die Digitalisierung aller Komponenten, die eine kluge Abstimmung aller Einzelteile möglich macht. Wir wollen mithilfe des technologischen Fortschritts einerseits die Versorgung sicherstellen und andererseits viel weniger Energie verbrauchen. Wir setzen uns ein für eine effiziente und naturverträgliche Ökostromförderung und außerdem für eine energieeffiziente Bauweise und umfassende thermische Sanierungen.

 

"Bei klimaschonenden Technologien soll Österreich zur Weltspitze gehören. Denn damit sichern wir nicht nur unsere ökologischen Grundlagen, sondern auch unsere künftige ökonomische Wohlfahrt"

 

Wir bekennen uns klar zu einer politischen Verantwortung für die Energieinfrastruktur einschließlich des Netzausbaus und effizienter Technologien für die Gewinnung, den Transport und die Speicherung von Energie. Die Energiegewinnung aus Atomkraft ist brandgefährlich und hinterlässt Atommüll, der noch vielen nachfolgenden Generationen zur Last fallen wird. Deshalb werden wir weiterhin gegen Atomkraftwerke auftreten und uns auch auf internationaler Ebene für einen Ausstieg aus der Atomkraft einsetzen.

Österreich soll in diesem Bereich zur Weltspitze gehören, denn damit sichern wir nicht nur unsere ökologischen Grundlagen, sondern auch unsere künftige ökonomische Wohlfahrt, da diese Branchen die Technologien der Zukunft entwickeln. Um das zu erreichen, müssen wir eine zielgerichtete Forschungspolitik betreiben, die innovative, disziplinenübergreifende Durchbrüche ermöglicht. Gleichzeitig werden wir den Ausbau des öffentlichen Verkehrs forcieren.

Bisher erschienen in dieser Serie:

Teil 1 - Lukas Köhler (FDP, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 2 - Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 3 - Georg Nüßlein (CDU/CSU, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 4 - Carsten Träger (SPD, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 5 - Anja Weisgerber (CDU/CSU, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 6 - Lorenz Gösta Beutin (Die Linke, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 7 - Michael Bernhard (Neos, Mitglied des österreichischen Nationalrats)
Teil 8 - Bruno Rossmann (Jetzt, Mitglied des österreichischen Nationalrats)