Bruno Rossmann, 67, studierte Volkswirtschaften in Wien und Stonybrook (US-Bundesstaat New York) und arbeitete danach als Haushaltsexperte im österreichischen Finanzministerium und der Kammer für Arbeiter und Angestellte. Von 2006 bis 2008 sowie von 2012 bis 2017 war er Nationalratsabgeordneter der Grünen und deren haushaltspolitischer Sprecher. Seit 2017 ist er Abgeordneter der Partei JETZT (ehemals Liste Pilz) und seit 2018 auch Fraktionschef, daneben ist er umwelt- und klimapolitischer Sprecher.

 

Geschichten über den Klimawandel handeln oft von untergehenden Inseln und empörten Kindern. So wahr und bewegend diese Geschichten sind, erklären sie den Klimaschutz damit für manche zur reinen Gewissensfrage. Es sind Geschichten, die uns betroffen machen, aber nicht wirklich betreffen. Weil sie nur die halbe Geschichte erzählen und diese nicht da ankommen lassen, wo sie erzählt wird: im alltäglichen Hier und Jetzt.

Denn nein, Klimaschutz ist nicht bloß ein Dienst an künftigen Generationen auf fernen Kontinenten. Klimaschutz schützt auch uns, hier und jetzt in Mitteleuropa. Denn der Klimawandel ist auch in unseren Breiten längst angekommen. Viele unserer Beschäftigten quälen sich abseits gekühlter Büros durch immer heißere Sommer, und auch die Anzahl an Hitzetoten übersteigt teilweise bereits die Anzahl an Verkehrstoten. Unsere Landwirte kämpfen mit den immer häufigeren Unwetterschäden aus sich abwechselnden Dürren und Hagelgewittern. Während im Winter auf den Pisten eine immer größere Menge an Wasser und Energie in Kunstschnee gesteckt wird, leiden die umliegenden Wälder im Sommer unter dem wegen des Temperaturanstiegs immer besser gedeihenden Borkenkäfer. Und auch für Tier und Mensch gefährliche Ungeziefer und Parasiten verbreiten sich durch den Klimawandel und damit leicht verzögert die von ihnen übertragenen Krankheiten. Kurzum: Klimaschutz ist in Wahrheit auch für uns in Mitteleuropa längst Selbstschutz!

 

"Klimaschutz ist nicht bloß ein Dienst an künftigen Generationen auf fernen Kontinenten. Klimaschutz schützt auch uns, hier und jetzt in Mitteleuropa. Denn der Klimawandel ist auch in unseren Breiten längst angekommen"

 

Klimaschutz ist also ein Dienst an uns im Hier und Jetzt. Doch diese Erkenntnis macht die notwendigen Maßnahmen nicht weniger einschneidend. Sie erfolgreich umzusetzen, verlangt daher nicht nur Mut und Entschlossenheit, sondern gerade in der Politik auch Feingefühl. Die für einen effektiven Klimaschutz nötigen Umstellungen von Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten sind nicht für alle gleichermaßen leistbar und möglich.

Ein ungebremster Klimawandel käme uns zwar teurer zu stehen als alle notwendigen Maßnahmen zu seiner Eindämmung, aber auch Klimaschutz ist kein Schnäppchen. Im Gegenteil: Klimaschutz kostet, und zwar eine Menge. Der Staat kann nicht erwarten, dass die Bürgerinnen und Bürger all diese Kosten einfach so auf sich nehmen und schon gar nicht aus eigenen Stücken heraus. Viele private Haushalte könnten es sich schlicht gar nicht leisten, mal eben rasch auf Biogemüse vom Bauern um die Ecke, die Solarheizung oder das Elektroauto umzusteigen. Es wäre geradezu heuchlerisch, im Namen eines besseren Lebens gerade das der Ärmsten über die Zumutbarkeit hinaus zu erschweren.

Werbemotiv von Bruno Rossmann, das seit 2018 auf Social-Media-Kanälen verbreitet wird; Quelle: nr-club.jetzt

Auch unter den Unternehmen gibt es einzelne Branchen und Betriebe, denen der Umstieg schwerer fällt als anderen – denen es nicht am Willen mangelt, sondern eben an leistbaren Möglichkeiten. In gewisser Weise muss daher auch beim Klimaschutz das Leistungsfähigkeitsprinzip gelten. Anstatt vom Fleck weg alle gleichermaßen in die Pflicht zu nehmen, muss sich die sich durch Maßnahmen ergebende Belastung auch nach der individuellen Möglichkeit richten, diese zu tragen.

Klimaschutz darf eben kein ausschließliches Anliegen zukünftiger Generationen sein, sondern eines der Gegenwart. Deshalb darf die Forderung von Nachhaltigkeit nicht auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit gestellt werden. Um in sich konsistent zu sein und zugleich auch von einer Mehrheit annehmbar, müssen Maßnahmen zum Klimaschutz auch den Ansprüchen der Gerechtigkeit Genüge tun.

 

"Kohlendioxid und andere Treibhausgase treiben den Klimawandel an und damit die von ihm verursachten Kosten in die Höhe. Doch diese Kosten werden nicht von den Verursachern getragen"

 

Tatsächlich ist es gerade die Ungerechtigkeit, aus der sich der vom Menschen verursachte Teil des Klimawandels speist. Es sind die Treibhausgasemissionen, allen voran CO2, welche den Treibhauseffekt der Erde verstärken und damit zur Erderwärmung beitragen. Es sind somit die Treibhausgasemissionen, welche den Klimawandel und damit die von ihm verursachten Kosten in die Höhe treiben. Während Treibhausgasemissionen also Kosten verursachen, werden diese Kosten nicht von den Verursachern der Treibhausgasemissionen getragen.

Das Verständnis von Gerechtigkeit wird sich von Person zu Person und von Partei zu Partei unterscheiden. Doch werden sich wohl die meisten darüber einig sein, dass es grundsätzlich nur gerecht ist, wenn die Verursacher von Kosten diese auch tragen. Auf Basis dieses Konsenses sollte sich auch in der Politik endlich eine Mehrheit für effektiven Klimaschutz finden lassen.

Zu den Klimazielen besteht europaweit bereits mehrheitlicher Konsens. Allen voran steht die bis 2030 geplante Reduktion der Treibhausgasemissionen auf 60 Prozent der 1990 ausgestoßenen Menge. Die aktuell in Österreich ausgestoßene Menge entspricht in etwa jener von 1990 - und müsste daher um 40 Prozent reduziert werden.

 

"Eine CO2-Steuer wäre die effizienteste Möglichkeit, die notwendigen Emissionsminderungen einzuleiten. Sie setzt einen marktkonformen Anreiz - und kann sozial ausgestaltet werden"

 

Die effizienteste Möglichkeit, diese Reduktion einzuleiten, ist eine CO2-Steuer. Darüber herrscht in der Wissenschaft breiter Konsens. Eine CO2-Steuer bewirkt, dass die Verursacher der Treibhausgasemissionen auch die dabei anfallenden Kosten tragen. Dadurch setzt sie einen marktkonformen Anreiz zu sauberer Produktion und letztlich sauberen Konsum. Eine aufkommensneutrale CO2-Steuer stellt dabei keine zusätzliche Steuerbelastung dar. Das von privaten Haushalten eingenommene Geld fließt in Form von Pro-Kopf-Transfers als "Klimabonus" an diese zurück. Das von Unternehmen eingenommene Geld finanziert im Gegenzug eine Senkung der Lohnnebenkosten. Außerdem wird die CO2-Steuer in Etappen eingeführt, um Haushalten und Unternehmen ausreichend Zeit zu geben, sich anzupassen.

Eine solche CO2-Steuer nimmt nicht nur Rücksicht auf die Wirtschaft, sondern durch ihre soziale Ausgestaltung auch auf die Gerechtigkeit.  Der "Klimabonus" an die privaten Haushalte ergibt sich als Durchschnitt der Einnahmen aus der CO2-Steuer. Von dieser CO2-Steuer bezahlen Haushalte niedriger Einkommen unterdurchschnittlich wenig, weil sie weniger Energie konsumieren als Haushalte höherer Einkommen. Auf diese Weise führt die CO2-Steuer zu einer Umverteilung von oben nach unten und damit zu einer gerechteren Einkommensverteilung.

Auch die durch die CO2-Steuer finanzierte Senkung der Lohnnebenkosten steht im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit. Gerade in Österreich ist die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit sehr hoch, während Vermögen oder eben Umweltbelastung zu gering besteuert sind. Eine aus CO2-Steuern finanzierte Senkung der Lohnnebenkosten würde diese Ungleichverteilung der Steuerlast ein Stück weit geraderücken.

 

"Klimapolitik ist derzeit vorwiegend symbolhaft und wird nicht zum Ziel führen. Sie bräuchte neue Denkmuster und Mut - aber auch Feingefühl, um den von Emotionen getriebenen Wählerinnen und Wählern den langfristigen Nutzen des Klimaschutzes näherzubringen"

 

Die CO2-Steuer ist kein Allheilmittel, aber sie ist eine ganz entscheidende Maßnahme, um die Klimaerwärmung zu bekämpfen und die vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Dafür aber sind noch weitere Maßnahmen zu ergreifen, darunter etwa die Streichung umweltschädlicher Subventionen in Milliardenhöhe, wie etwa die Mehrwertsteuer- und Mineralölsteuerbefreiung des internationalen Flugverkehrs. Auch die in Österreich ausbezahlte Pendlerpauschale bedarf dringend einer Ökologisierung, die Anreize für die Nutzung des Fahrrads und des öffentlichen Verkehrs setzt. Parallel dazu braucht es dringend den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, um der Bevölkerung ausreichend Alternativen zum verteuerten Individualverkehr zu geben. Dazu kommen der Ausbau der erneuerbaren Energie auf Basis eines neuen Fördergesetzes und die massive Förderung thermischer Sanierung von Gebäuden. All das verursacht Kosten – weniger als ein ungebremster Klimawandel, aber mehr als die Politik bisher bereit war, an öffentlichen Mitteln zur Verfügung zu stellen.

Die derzeit vorwiegend symbolhafte Klima- und Umweltschutzpolitik agiert verantwortungslos und wird nicht zum Ziel führen. Eine vorausschauende Politik braucht neue Denkmuster und erfordert Mut und Entschlossenheit. Sie braucht aber auch Feingefühl, um den von Emotionen getriebenen Wählerinnen und Wählern den langfristigen Nutzen des Klimaschutzes näherzubringen. So undankbar die Verkündigung effektiver Maßnahmen des Klimaschutzes ist, so dankbar werden die Menschen schon bald für deren Umsetzung sein.

Bisher erschienen in dieser Serie:

Teil 1 - Lukas Köhler (FDP, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 2 - Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 3 - Georg Nüßlein (CDU/CSU, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 4 - Carsten Träger (SPD, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 5 - Anja Weisgerber (CDU/CSU, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 6 - Lorenz Gösta Beutin (Die Linke, Mitglied des Deutschen Bundestags)
Teil 7 - Michael Bernhard (Neos, Mitglied des österreichischen Nationalrats)