Carsten Träger, 45, hat in Erlangen Politik- und Medienwissenschaften sowie Geschichte studiert. Nach einem Zweitstudium zum Diplom-Kommunikationswirt und Volontariat zum PR-Berater arbeitete er zehn Jahre in diesem Beruf, unter anderem für die Sparkasse Fürth. Seit 2002 hat er in seiner Heimatstadt Fürth kommunalpolitisch aktiv, seit 2014 Vorsitzender des SPD-Bezirks Mittelfranken. Im Bundestag, in den er erstmals 2013 gewählt wurde, ist er Sprecher der Arbeitsgruppe Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit der SPD-Fraktion.

"Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit." Diesen Appell der Dringlichkeit hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres Anfang September 2018 bei einer Rede in New York an die Welt gerichtet, um deren "Lähmung" in Klimaschutzfragen zu überwinden. Doch wie können wir es schaffen, ein oftmals vorherrschendes Gefühl von Sinnlosigkeit der persönlichen Handlungen angesichts der Größe der Herausforderung zu überwinden? Wie können wir Menschen für eine ambitionierte Klimapolitik gewinnen?

Bei aller Diskussion um das Verursacherprinzip haben selbstredend alle vergangenen, derzeitigen und zukünftigen Emittenten klimaschädlicher Gase ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Bereits begangene Fehler dürfen nicht sehenden Auges wiederholt werden. Gleichzeitig sollten Akteure, deren Leistungsfähigkeit die anderer Beteiligter weit überschreitet, ihrer privilegierten Stellung gerecht werden - zumal sie meist durch klimaschädliches Verhalten in diese privilegierte Position gekommen sind. Denn die umwälzenden Veränderungen, die ein tatenloses Zusehen mit sich bringen würde, übersteigen heute noch unsere Vorstellungskraft. Folgerichtig sind die mit konsequentem Klimaschutz einhergehenden notwendigen Transformationen von ungeheurer Reichweite - sowohl im Kopf als auch in ihrer praktischen Umsetzung.

"Energiewende, Mobilität, Landwirtschaft, Verkehr - auch in diesen Themenfeldern werden wir die Kraft aufbringen, den Wandel zu gestalten. Mit tiefgreifenden Veränderungen hat die Sozialdemokratie im Laufe ihrer Geschichte viele Erfahrungen gesammelt"

In der Energiewende zum Beispiel sind wir noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Dabei zeigt ein vergleichender Blick auf die Energiepreise, welche Strecke wir bereits beim Umbau der Energieversorgung zurückgelegt haben: War zur Jahrtausendwende eine Kilowattstunde aus erneuerbaren Energien noch sehr kostenintensiv, so wird heute Windstrom für 4 bis 5 Cent ptro Kilowattstunde verkauft. Gleichwohl ist noch ein weiter Weg im Energie- und vor allem im Wärmesektor zu gehen. Die Diskussionen rund um die Strukturwandelkommission und das Klimaschutzgesetz zeigen, wie schmerzhaft der Abschied von der traditionellen Energieerzeugung für ganze Regionen ist. Aber auch disruptive Veränderungen in den Bereichen Mobilität, Landwirtschaft und Wohnen stehen bevor.

Plakat der SPD zur Bundestagswahl 2009; Abb.: SPD-Bundesvorstand/FES-AdsD

Im Rahmen dieses Prozesses übernimmt die Sozialdemokratie Verantwortung und lässt ihre eng mit historisch tiefgreifenden Veränderungen verbundenen Erfahrungen in den Diskurs einfließen. Auch in diesen Themenfeldern wird die SPD die Kraft aufbringen, den Wandel zu gestalten. Chance und Herausforderung gleichermaßen liegen darin, dass die Megatrends Globalisierung und Digitalisierung bei weitem noch nicht abgeschlossen sind. Es wird darauf ankommen, Möglichkeiten zu schaffen und geschickt zu nutzen, die sich durch diese drei Veränderungsprozesse ergeben können. Wie in der Vergangenheit auch, wird es die große Aufgabe der Politik sein, den Wandel zu begleiten und in Bahnen zu lenken. Während die beharrenden Kräfte derzeit Konjunktur auf dem Stimmungsbarometer haben, wird es eine große Herausforderung, die Diskussion nach vorne zu richten. Aufbruch statt Abgrund!

Wenn bereits heute 1,5 Millionen Menschen in der Ressourcen- und Energietechnik beschäftigt sind und der heimische Markt von 347 Milliarden Euro auf voraussichtlich 738 Milliarden Euro 2025 steigen wird, sind es diese Aspekte, die wir in den Vordergrund rücken müssen. Denn essenzielle Aufgabe der Sozialdemokratie ist es, Perspektiven und ein gesellschaftliches Konzept für die Zukunft anzubieten, auf das die Bürgerinnen und Bürger vertrauen können.

"Die Grundsätze einer gesunden Lebensumwelt, von Chancengleichheit und Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit im globalen Kontext sind die zentralen Aspekte, mit denen Menschen für Klimaschutz motiviert werden können"

Mut zu gestalten, Mut einen Schritt weiter zu denken und Mut neue Wege zu gehen, sind hierbei integrale Bestandteile für eine Politik des Fortschritts, welche wir forcieren. Handeln aus Überzeugung haben wir bei unseren politischen Partnern zuletzt zu wenig gespürt. Die bisher konstruierte Illusion eines glaubhaften Eintretens für mehr Klimaschutz durch die CDU/CSU-geführten Ministerien wird in sich zusammenbrechen - spätestens mit dem Scheitern der Ziele zur Emissionsreduktion. Wie wir an der aktuellen Diskussion über Nachrüstungen bei Dieselfahrzeugen erleben, werden die Belange der Bürgerinnen und Bürger nicht nach moralischen und rechtstaatlichen Prinzipien geschützt, sondern die politische Meinung der Windrichtung erst angepasst, wenn der öffentliche Druck zu groß geworden ist.

Es ist am Ende Aufgabe der Politik, richtungsweisende Entscheidungen zu treffen, Planungssicherheit zu gewährleisten und Vertrauen in eine kohärente politische Linie zu schaffen. Dass Moral, Vernunft und die normative Kraft der Ideen im Konflikt gegen liberale Industriepolitik, niedrige Grenzwerte und zunehmende Umweltverschmutzung bestehen, kann aus der Erfahrung der letzten Monate bezweifelt werden. Der Arbeitsauftrag, so anstrengend und schwierig er sein mag, kann daher nur sein, sich mit aller Kraft gegen den Klimawandel zu stemmen und politische Überzeugungsarbeit in Bevölkerung und Unternehmen zu leisten, Mehrheiten zu gewinnen und zu verteidigen.

Die wissenschaftlichen Fakten sprechen eine deutliche, klare Sprache. Sie werden von einem Großteil der Gesellschaft anerkannt. Als Programmpartei unterstützt und fördert die SPD die zunehmende Akzeptanz von zukunftsweisenden Maßnahmen. Gerechtigkeit, als Maxime der politischen Handlungen der SPD mit den Grundsätzen einer gesunden Lebensumwelt, von Chancengleichheit und Generationen- und Verteilungsgerechtigkeit im globalen Kontext sind die zentralen Aspekte, mit denen Menschen bewegt und für die anspruchsvollen Herausforderungen des Klimaschutzes motiviert werden können. So empfinden 47 Prozent der Befragten einer Studie die Energiewende als "eher ungerecht" - dennoch sehen 75 Prozent Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe an, bei der jeder in der Gesellschaft (auch sie persönlich) einen Beitrag leisten sollten. Hier wird für mich deutlich, dass es ein essenzieller Kernpunkt für die Akzeptanz der Transformation ist, die mit Klimaschutz einhergehenden Transformationen sozial gerecht zu gestalten.

"Klimaschutz bringt neben großen Herausforderungen auch große Chancen - nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer und ökonomischer Hinsicht. Wir müssen uns an die Spitze der Veränderung stellen"

Besondere Relevanz muss meiner Ansicht nach der Aspekt der Generationengerechtigkeit erfahren. Es darf unter keinen Umständen geschehen, dass Nutzen und Schaden späterer Generationen geringer bewertet werden, als Nutzen und Schaden gegenwärtig lebender Generationen. Sie sind einseitig Nutznießer oder Betroffene der Folgen von Handlungen vorangegangener Generationen. Klimapolitische Weichenstellungen entfalten langfristige Wirkung, deshalb ist politischer Weitblick gefordert.

Klimaschutz ist das Thema unserer Zeit und wird uns und kommende Generationen vor einen tiefgreifenden Wandel mit globaler Dimension stellen. Er fordert von uns nicht weniger als den Umbau der Industriegesellschaft des 20. Jahrhunderts. Wir können diesen Weg nur gemeinschaftlich gehen. Er bietet neben großen Herausforderungen auch große Chancen – nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer und ökonomischer Hinsicht. Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen und uns an die Spitze der Veränderung stellen. Deutschland ist dabei, seine internationale Vorreiterrolle zu verspielen. Die Diskussion um den Diesel, den Verbrennungsmotor und Grenzwerte von Emissionen bietet eine gute Gelegenheit für einen mutigen Schritt.

Bisher erschienen in dieser Serie:
Teil 1 - Lukas Köhler (FDP)
Teil 2 - Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen)
Teil 3 - Georg Nüßlein (CDU/CSU)
Teil 5 - Anja Weisgerber (CDU/CSU)

Porträtfoto: Benno Kraehahn