In Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker "Alice im Wunderland" trifft die Protagonistin unter anderem auf die Weiße Königin. Beide kommen ins Gespräch, und irgendwann behauptet die Weiße Königin, sie sei mehr als 101 Jahre alt. Alice meint, das könne sie nicht glauben. Och, das liege nur an mangelnder Übung, entgegnet die Weiße Königin: "Manchmal habe ich schon an sechs unmögliche Sachen geglaubt, noch bevor es Frühstückszeit ist."

Dieses Zitat steht am Anfang eines Aufsatzes, der in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsjournals Synthese erschienen ist. Die Autoren sind der Psychologe Stephan Lewandowsky von der britischen University of Bristol, der Physiker John Cook von der australischen University of Queensland und die Wissenschaftsphilosphin Elisabeth Lloyd von der US-amerikanischen Indiana University. In ihrer Arbeit untersuchen sie Behauptungen, die aus den Kreisen sogenannter "Klimaskeptiker" gegen die Klimaforschung vorgebracht werden. Diese Argumentationen, so das Fazit des Aufsatzes, sind nicht nur unstimmig, sondern widersprechen sich sogar - sie seien also nur in einer Nonsens-Welt wie Alices Wunderland möglich.

"Klimaprognosen sind unzuverlässig, aber es kommt sicher eine Eiszeit"

Der Aufsatz schildert eine ganze Reihe solcher Behauptungen, die nicht nur im Gegensatz zum Konsens der Klimaforschung stehen, wonach der Mensch hauptverantwortlich ist für den gegenwärtigen Klimawandel ist. Sondern die sich logisch gegenseitig ausschließen. Beispielsweise werde gleichzeitig behauptet, dass die Erde sich auf dem Weg in eine Eiszeit befinde - und dass die künftige Klimaentwicklung gar nicht vorhergesagt werden könne. Oder dass die Erderwärmung 1998 geendet habe - und dass die weltweiten Temperaturmessungen nicht verlässlich seien. Oder dass der grönländische Eisschild gar nicht kollabieren könne - und dass Grönland im Mittelalter eine grüne Insel gewesen sei.

Nun ist es natürlich möglich, dass verschiedene Menschen verschiedene Thesen zur Nicht-Existenz des menschengemachten Klimawandels entwickeln - die untereinander nicht widerspruchsfrei sein müssen. Doch verblüffenderweise gebe es immer wieder auch bei ein und derselben Person in sich widersprüchliche Aussagen, etwa beim australischen Wissenschaftskritiker Ian Plimer. Der habe in einem seiner Bücher sowohl geschrieben, dass Kohlendioxid die Erde warmhalte, als auch, dass CO2 und Erdtemperatur gar nicht zusammenhingen. (Auf der Website SkepticalScience.com, die von Mit-Autor John Cook gegründet wurde und Partner von klimafakten.de ist, findet sich eine ausführliche Liste widersprüchlicher Behauptungen.)

Ziel von Wissenschaft ist es eigentlich, stimmige Theorien zu entwickeln

Der Aufsatz erinnert daran, was das Ziel von Wissenschaft ist: kohärente Theorien zu entwickeln, also solche, mit denen beobachtete Phänomene widerspruchsfrei erklärt werden. Die Erkenntnisse der Klimaforschung, wie sie etwa in den IPCC-Reports zusammengefasst sind, ergäben ein solches stimmiges Bild. Die Gegner der Klimaforschung jedoch, so der Aufsatz, hätten kein Gedankengebäude zu bieten, das "den Standards konventionellen wissenschaftlichen Denkens genügt".

Natürlich sei sich auch die Klimaforschung nicht in allem einig und liefere zu einzelnen Fragen verschiedene, konkurierende Antworten, räumt Autor Stephan Lewandowsky im britischen Guardian ein. Aber das dürfe nicht verwechselt werden mit der tiefgehenden, logischen Widersprüchlichkeit ihrer Gegner. "Ein Phänomen kann durchaus verschiedene Ursachen haben", erklärt er. "Aber eine Ursache kann nicht gegenteilige Phänomene verursachen." Wenn es etwa in der Klimaforschung heißt, sowohl die Ozeanströmung El Nino als auch menschengemachtes Kohlendioxid können die Erde erwärmen - dann sei das etwas ganz anderes als gleichzeitig zu behaupten, CO2 erwärme die Erde, habe aber keinen Einfluss auf die Temperatur.

Abwehr der Klimaforschung vor allem ideologisch getrieben

Stellenweise klingt der Aufsatz spöttisch. Am Ende aber kommt er zu einem sehr ernsten Schluss: Auf einer Metaebene, nämlich wenn man von den konkreten Behauptungen abstrahiert, dann finde sich letztlich doch eine Kohärenz in der bizarren, alice-artigen Denkwelt. "Der gemeinsame Nenner aller genannten Positionen ist die Überzeugung, dass es keine Bedrohung durch den Klimawandel gibt." Die vielen widersprüchlichen Argumentationen der Klimaforschungsgegner führen nämlich stets zu ein und demselben Schluss: dass eine drastische Minderung des Treibhausgasausstoßes nicht erforderlich sei.

"Es gibt starke Belege dafür, dass die Abwehr klimawissenschaftlicher Erkenntnisse in erster Linie von ideologischen Faktoren getrieben ist", meinen die Autoren. Personen, deren Weltanschauung zum Beispiel die Freiheit der Märkte hochschätzt und staatliche Regulierungen ablehnt, würden sich durch die Ergebnisse der Klimaforschung angegriffen fühlen - und den Konflikt dann eben durch ein "identitäts-schützendes Denken" lösen. "Wissenschaftsleugnung kann daher", so das Fazit des Aufsatzes, "vielleicht am besten verstanden werden als rationale Aktivität, die aus politischen Gründen einen in sich schlüssigen Wissensbestand durch inkohärente, verschwörungstheoretische Pseudo-Wissenschaft ersetzt - was politisch bemerkenswert kohärent und wirksam ist."

Toralf Staud