Aus der Perspektive der AfD gibt es kein Problem mit dem menschengemachten Klimawandel – unter den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien nimmt sie damit eine Sonderstellung ein. Mit ihrer klaren Verweigerung gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen und einer durchgängigen Ablehnung praktisch aller im Europäischen Parlament verhandelten Klimaschutzinitiativen markiert die AfD allerdings selbst im Vergleich mit anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa einen Extremfall. Dies zeigt eine vom Berliner Beratungsinstitut Adelphi veröffentlichte Analyse von insgesamt 21 rechtspopulistischen Parteien in Europa.

Für ihre Untersuchung haben die beiden Autoren, Stella Schaller und Alexander Carius, die Parteiprogramme, Pressemitteilungen sowie öffentliche Äußerungen führender Parteivertreter der wichtigsten rechtspopulistischen Parteien in 19 EU-Staaten sowie in Norwegen und der Schweiz untersucht. Außerdem analysiert die Studie das Abstimmungsverhalten derjenigen Parteien, die mit  eigenen Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten sind. Sie trägt den Namen "Convenient Truths" (Bequeme Wahrheiten) und nimmt damit Bezug auf den vom früheren US-Vizepräsidenten Al Gore produzierten Dokumentarfilm über die die Erderhitzung "An Inconvenient Truth" (Eine unbequeme Wahrheit).

In Bezug auf den Klimawandel ist die AfD besonders extrem - sie hat anti-wissenschaftliche Positionen sogar im Grundsatzprogramm verankert

Das klare Bestreiten einer anthropogenen Erderhitzung gehört bei lediglich sieben der untersuchten rechtspopulistischen Parteien zur offiziellen Parteilinie bzw. ist abzulesen am Parteiprogramm oder den Äußerungen ihres Spitzenpersonals. Zu dieser ersten Gruppe von Parteien zählen die Schwedendemokraten, die britische UK Independence Party, die Dänische Volkspartei, die niederländische Partei für die Freiheit, die Konservative Volkspartei Estlands, die österreichische FPÖ und die deutsche AfD. Allerdings gibt es auch in dieser Gruppe teils deutliche Unterschiede, inwieweit eine klar anti-wissenschaftliche Position offizieller Teil der Parteilinie ist. Bei einigen der genannten Parteien - zum Beispiel der FPÖ - beschränkt sich dies auf Äußerungen prominenter Parteivertreter, etwa 2017 des Vorsitzenden Hans-Christian Strache. Demgegenüber sind bei der AfD anti-wissenschaftliche Positionen sogar im Grundsatzprogramm verankert.

Die Adelphi-Studie unterscheidet in Bezug auf die Klimawissenschaften drei verschiedene Typen von rechtspopulistischen Parteien in Europa - die AfD gehört zur Gruppe der "Leugnisten" bzw. "Skeptiker"; Abbildung: Adelphi 2019

Neben dieser Gruppe von Wissenschaftsleugnern gibt es laut der Adelphi-Studie zwei weitere Typen unter den rechtspopulistischen Parteien: So identifizieren die Autoren elf Parteien, die sich entweder gar nicht oder nur vage, widersprüchlich oder zurückhaltend zur Erderhitzung äußern. Hierbei wird – etwa bei der norwegischen Fortschrittspartei – gelegentlich darauf verwiesen, dass man zu wenig darüber wisse, welche Faktoren das Klima beeinflussen. Weitere Vertreter dieses Typs sind der belgische Vaams Belang, die tschechische Partei Freiheit und Direkte Demokratie, die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die italienische Lega und die griechische Goldene Morgenröte.

Die heimische Natur schützen, erneuerbare Energien ausbauen – für manche Rechtspopulisten gehört das zum offiziellen Programm

Letztere steht stellvertretend für eine Strömung innerhalb der extremen Rechten, die Umwelt- und Naturschutz sogar zu einem Kernanliegen erklärt - und zwar verstanden als Schutz der eigenen Heimat und der heimischen Natur- und Kulturlandschaft. Eine entsprechende Programmatik erlaubt es beispielsweise auch der FPÖ in Österreich, zwar einerseits den Klimawandel anzuzweifeln, sich andererseits aber gemeinsam mit ihrem konservativen ÖVP-Koalitionspartner für einen Ausbau der Erneuerbaren Energien auszusprechen.

Zu einer dritten Gruppe rechnet die Adelphi-Studie jene rechtspopulistische Parteien, die den menschengemachten Klimawandel anerkennen und Klimaschutzmaßnahmen aktiv unterstützen. Dies gilt für die ungarische Regierungspartei Fidesz, die Finnen-Partei (ehemals Wahre Finnen) und die ebenfalls in der dortigen Regierung vertretene Nationale Allianz in Lettland.

Auch beim Abstimmungsverhalten zu klimapolitischen Gesetzesvorhaben im EU-Parlament nimmt die AfD (Balken ganz links) eine besonders extreme Position unter den rechtspopulistischen Parteien ein; Abbildung: Adelphi 2019

Diese Unterschiede in Programmatik und öffentlicher Positionierung spiegeln sich auch im Abstimmungsverhalten im Europaparlament. Hierzu untersuchten Schaller und Carius, wie die EU-Abgeordneten rechtspopulistischer Parteien seit Verabschiedung des Pariser Klima-Abkommens 2015 bei 13 wichtigen EU-Gesetzgebungsverfahren votiert hatten. Auch hier zeigt sich, dass rechtspopulistische Abgeordnete keineswegs einheitlich und durchgängig gegen alle EU-Klimaschutzgesetze stimmten. Zwar votierten beispielsweise die Abgeordneten der AfD geschlossen gegen sämtliche in Straßburg verhandelten Klimaschutzgesetze. Ein Teil der rechtspopulistischen Parteien hingegen – etwa die Dänische Volkspartei, die ungarische Fidesz oder die litauische Partei Ordnung und Gerechtigkeit – unterstützte sogar die Mehrzahl der entsprechenden Initiativen.

Rechtspopulisten zu Klimaforschung und Klimapolitik:
Dagegen sein, weil alle anderen dafür sind

Etwas anders stellt sich das Bild dar, wenn man die auf insgesamt vier verschiedene Fraktionen im Europaparlament verteilten Rechtspopulisten insgesamt ins Blickfeld nimmt. So zeigt sich, dass sich die Rechtspopulisten in der Summe stärker als alle anderen Parteien beziehungsweise Fraktionen im Europaparlament gegen Klimaschutzpolitik positionieren.

Die von Adelphi auf eigene Initiative erarbeitete und selbst finanzierte Studie definiert Rechtspopulismus als eine politische Ideologie, die rechtsgerichtete Weltanschauungen und Politikvorstellungen verbindet mit einer populistischen Rhetorik – und einem Politikangebot an vermeintlich "einfache Bürger", die den Eindruck haben, ihre Interessen würden von "etablierten Eliten" missachtet. Dementsprechend präsentieren sich die rechtspopulistischen Parteien durchweg als Anti-Eliten- und Anti-Establishment-Parteien. Zu dieser Selbstdarstellung passe es dann auch, sich gegen Klimaschutz zu positionieren, so Studienautorin Schaller: "Wenn der politische Mainstream für Klimaschutz ist, ist es schon allein deswegen attraktiv, dagegen zu sein. Die Klimapolitik bietet hier sozusagen das Material für die Aussage 'Wir gegen die anderen'.

Die Klimarisiken für den "einfachen Bürger" werden konsequent ausgeblendet - etwa die erhöhte Sterblichkeit durch Hitzewellen

Ein interessanter Befund ergibt sich, wenn man dem Selbstverständnis rechtspopulistischer Parteien als der Vertretung der "wahren Interessen der einfachen Bürger" nachgeht. Im Widerspruch hierzu steht die Tatsache, dass keine der untersuchten Parteien die Verwundbarkeit der eigenen Wirtschaft und Gesellschaft infolge der Erderhitzung thematisiert. Eine zunehmende Sterblichkeit aufgrund von Hitzewellen zum Beispiel, die Gefahr von Ernteausfällen durch Dürren, Waldbrände, Starkregen oder Überschwemmungen – all dies findet in den Parteiprogrammen und öffentlichen Äußerungen rechtspopulistischer Parteien nicht statt.

Auf diese Widersprüchlichkeiten beim Anspruch, die "wahre" Interessenvertretung des Volkswillens zu sein, verweist auch eine jüngst vom Pew Research Center veröffentlichte weltweite Befragung dazu, worin die Bürgerinnen und Bürger besonders große Gefahren sehen. Vor allen anderen Themen sehen die Befragten hier den Klimawandel: Etwa 67 Prozent betrachten die Erderhitzung als eine erhebliche Bedrohung. Immerhin noch jeder zweite der für die Studie befragten AfD-Anhänger (49 Prozent) teilt diese Einschätzung - doch diese Besorgnis ignoriert die Partei komplett.

Carel Mohn