Beate Küpper, 49, ist Professorin für Soziale Arbeit in Gruppen und Konfliktsituationen an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Bis 2011 leitete sie am Institut für Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld das vielbeachtete Projekt "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit". 2015/16 war sie Mitglied des Unabhängigen Expertenkreises "Antisemitismus" des Deutschen Bundestags. Seit 2017 sitzt sie im Wissenschaftlichen Beirat von klimafakten.de

 

Verschwörungsphantasien, das Verächtlichmachen von Wissenschaft, die Ablehnung der Eliten (zu denen unter anderem Vertreter aus Politik und Wissenschaft gezählt werden), eine konstruierte Unten-oben-Frontstellung – so ähnlich wird die Leugnung des Klimawandels nicht nur, aber insbesondere auf Medienplattformen im Internet kommuniziert. Das gilt etwa für das inzwischen auch in Deutschland bekannt gewordene ultrarechte Breitbart News Network, aber auch für die deutschsprachige, mindestens rechtspopulistisch bis neurechte Plattform Politically Incorrect (PI-News).

Hier finden sich neben verächtlichen bis hasserfüllten Beiträgen über den Islam und Muslime auch etliche, die den Klimawandel leugnen, nicht selten begleitet von Verschwörungsphantasien mit antisemitischen Untertönen. Leugner des Klimawandels und Rechtspopulisten folgen dabei ganz ähnlichen Logiken und Strategien. Etliche Überschneidungen gibt es sowohl bei den Akteuren wie auch in den ideologischen Versatzstücken, insbesondere hinsichtlich des Feindbildes der Eliten.

Rechtspopulisten und Leugner des Klimawandels unterstellen der Gegenseite Hysterie - und halten sich selbst für rational

Neuerdings werden Klimawandelleugnung und Rassismus auch kombiniert. So titelte jüngst PI-News (Gastbeitrag von M. Hofmann vom 18. 6. 2017): "Die CO2-Celsisus-Schuld. Gerd Müller (CDU): 100 Millionen afrikanische Klimaflüchtlinge", in dem sowohl behauptet wird, "der klimapolitische Unsinn" und die "linksgrüne ideologische Panikmache" sei von "seriösen Wissenschaftlern" längst entlarvt, um sich dann mit einer Sammlung schrecklicher Beispiele in rassistisch-schwadronierendem Ton fortzufahren ("...für ein paar Ziegen als minderjährige Sexsklavinnen an ihre Nachbarn verkaufen...", "....verschwinden regelmäßig Albinos").

Bemerkenswert ist: Für sich selbst werden Sachlichkeit und Rationalität beansprucht, klimapolitisch Aktiven hingegen wird Hysterie unterstellt. Zugleich wird emotional hitzig gegen sie polemisiert und verschwörerisch auf dunkle Mächte im Hintergrund gedeutet, wie in den folgenden User-Kommentaren deutlich wird: "Die werden uns solange überfluten, bis wir weggemischt sind". Bei der Klimawandelleugnung wie bei anderen Themen, derer sich der Rechtpopulismus bedient, wird dabei mit verächtlich machenden Begrifflichkeiten wie "Gutmenschentum", und Wortanhängseln wie "-ideologie", "-hysterie" oder "-wahn" gearbeitet. Dies diskreditiert jene, die sich für Klima, Demokratie oder schlicht für andere Menschen engagieren, weil sie ja offenbar rein von Emotionen gesteuert seien.

Die Logik des Rechtspopulismus lässt sich auf zwei Achsen beschreiben, auf denen sich seine Denk- und Argumentationsmuster abbilden: Zum einen auf einer vertikalen von "die da oben" versus "wir hier unten, der ehrliche, hart arbeitende Mann". Zum anderen auf einer horizontalen von "wir" versus "die". Das "Oben" wird variabel gefüllt mit pauschalen Beschimpfungen gegen "die Eliten", "die Medien", "die Politiker" oder "Brüssel", die der Verschwörung, Korruptheit und Unehrlichkeit verdächtigt werden. Das "Wir" wird dabei überraschend vage gehalten, so dass sich viele mit diesem Wir identifizieren können, ohne über die Heterogenität dieses "Wir" zu stolpern.

Die Vorstellung einer Verschwörung dunkler Mächte macht anfällig auch für Antisemitismus

Das "Die" schließlich wird flexibel mit verschiedenen sozialen Minderheiten belegt, die als Sündenböcke verfügbar sind (oft mit langer Tradition) und die in der breiten Gesellschaft ohnehin von etlichen nicht wohlgelitten sind – derzeit insbesondere Muslime, Geflüchtete und generell einwanderte "Fremde", aber immer auch Juden, Roma, Homosexuelle, Feministinnen, Linke oder auch "die EU". Sie werden verhöhnt, mit Hass belegt, im schlimmsten Fall wird zu Gewalt gegen sie aufgerufen. Kreiert wird dabei der Mythos eines homogenen Volkes, das einen einheitlichen Willen hat. Man erhebt den Anspruch, die einzig "wahre Stimme" dieses Volkes zu sein, die durch eine einzige Führung repräsentiert werde kann. Jene, die anderer Meinung sind, lügen oder sind kriminell, gehörten schlicht nicht zum "Volk" – diese Konstellation macht den Rechtspopulismus im Kern so undemokratisch, wie der an der US-amerikanischen Princeton University tätige Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller schreibt.

Diese Ideologiefragmente, das heißt das im Kern völkische Denken und die Abwertung markierter sozialer Minderheiten macht den Rechtspopulismus zum Rechtspopulismus, während er mit anderen Formen des Populismus wie dem Linkspopulismus und dem neoliberalen Populismus einige dieser Strategien teilt. Empirisch teilt ein nicht unerheblicher Anteil der Bevölkerung rechtspopulistische Einstellungsmuster, wobei die Zustimmung mit der politischen Selbstpositionierung von links über die Mitte nach rechts zunimmt, wie unter anderem die "Mitte-Studien" der Friedrich-Ebert-Stiftung 2014 und 2016 belegen. Dabei herrscht die Vorstellung einer Verschwörung großer undurchsichtiger Mächte im Hintergrund, die das Geschehen steuern, die Einfluss auf Journalistinnen, Politiker oder auch Wissenschaftlerinnen nehmen. Dies macht den Populismus von rechts, aber auch von links so anfällig auch für den Antisemitismus, der über einen ominösen "jüdischen Einfluss" schwadroniert. Auch dies belegt die Studie.

Beide Gruppen setzen auf Emotionalisierung und gezielte Tabubrüche als Kommunikationsstrategien

Der Rechtspopulismus arbeitet dabei mit klaren Strategien: Vereinfachung komplexer Sachverhalte und einem manichäischem Denken in Schwarz-Weiß, Gut-Böse, mit einer Personalisierung und Emotionalisierung von Inhalten, mit Skandalen und gezielten Tabubrüchen, der Verbreitung der Erzählung des bedrohten Volks und der Ablehnung von Mediation etwa durch Parteien oder Medien, die den vermeintlichen Willen des Volkes nur verfälschen und seiner Durchsetzung durch einen einzigen Führer im Wege stehen. Dies sind ganz ähnlich im Übrigen auch die Erfolgskriterien von Massenmedien, in denen Rechtspopulisten und ihre Argumentationsweise daher geradezu automatisch im Vorteil sind, wie es die an der Universität Bielefeld lehrende Kommunikationswissenschaftlerin Paula Diehl beschreibt.

Kein Zufall ist vor diesem Hintergrund die verbreitete und auch strategisch eingesetzte Wissenschaftsfeindlichkeit des Rechtspopulismus. Die logische Ableitung, die sorgfältige Prüfung von Thesen, das vorsichtige Formulieren von Schlussfolgerungen – all dies wischt der Rechtspopulismus mit dem "gesunden Bauchempfinden des Volks" und mit als Fakten umdefinierten Gefühlen hinweg. Wissenschaft untersucht komplexe Sachverhalte auf möglichst sachliche und objektive Art und Weise. Sie kommt daher selten zu einfachen Schwarz-weiß-Antworten.

Wissenschaftlichkeit ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was Rechtspopulismus erfolgreich macht

Wissenschaft ist mithin so ziemlich das Gegenteil dessen, was den Rechtspopulismus, aber auch die Massenmedien erfolgreich macht. Deshalb ist sie auch so schwer vermittelbar. Das macht sie nicht nur kompliziert, sondern auch angreifbar. Dies gilt insbesondere für die Statistik, die immer – das ist ihre Logik – mit Wahrscheinlichkeiten, nie mit Wahrheiten arbeitet. So ist etwa der Nachweis, dass mit statistisch sehr großer Wahrscheinlichkeit der Klimawandels mindestens zu einem sehr großen Teil menschengemacht ist, erstens wenig zugänglich, weil kompliziert und zweitens leicht angreifbar, weil sich immer irgendeine Gegenstudie finden lässt. Kognitiv viel leichter zugänglich sind einfache Antworten unter Rückgriff auf das, was man ohne "schon immer wusste" bzw. zu wissen glaubte, was sich an personifizierbaren Schuldigen festmachen lässt.

Die sozialpsychologische Forschung über Prozesse der Meinungsbildung belegt immer wieder, dass der Mensch seine Meinungen selten rational bildet, sondern sehr oft irrational und mit möglichst wenig kognitivem Aufwand, der für das Gehirn anstrengend ist. Bevorzugt greift er auf Daumenregeln und einfache Reize zurück, die ihm einen (vermeintlichen) Hinweis darauf geben, was wohl richtig und was auch sozial angemessen und erwünscht ist, zu meinen. Wiederholungen, emotionale Verknüpfungen wie sie zum Beispiel über Bilder erfolgen oder die Präsentation von "Experten" (unabhängig von deren tatsächlicher Qualifikation) helfen, schnell und einfach zu vermeintlichen Wahrheiten zu gelangen. Die Eigenlogik sozialer Medien, der schnelle Zugriff auf das Internet, in dem gut recherchierte und fundierte Information neben privaten Meinungen auf der gleichen Ebene präsentiert werden, machen es schwer, Fakten von „alternativen Fakten“ zu trennen. Allein weil diese Differenzierung für den User so kompliziert ist, fördert dies die Sehnsucht und den Rückgriff auf einfache Wahrheiten. Wer diese teilt, kann sich dann selbst als Teil der "Wissenden", der vermeintlich eigentlichen Elite, zurechnen – auch dies ist das verlockende Angebot zugleich des Rechtspopulismus wie der Wissenschaftsleugnung.