Wer dieser Tage in Bonn und Umgebung unterwegs ist, wird dem Klimathema schwer entkommen können – zu zahlreich sind im Stadtbild die Hinweise darauf, dass die einstige Bundeshauptstadt für zwei Wochen die Hauptstadt des weltweiten Klimadiskurses ist. Und dass die Delegierten der rund 200 Vertragsstaaten des Paris-Abkommens bei ihrem 23. Gipfeltreffen (COP23) den Klimawandel sehr ernst nehmen. Und doch steht am deutschen Pavillon auf dem COP-Gelände am Montag die Frage auf dem Programm, wie sich die (Klima-)Wissenschaft in Zeiten sogenannter Fake News behaupten kann, wie man die Geltungskraft wissenschaftlichen Wissens im globalen Social-Media-Mahlstrom des Halbgaren verteidigt.

Susanne Dröge (SWP), Bernhard Pötter (taz), Ellen Matthies (Universität Magdeburg) und Stefan Rahmstorf (PIK) bei der Debatte am Deutschen Pavillon auf der COP23; Foto: Carel Mohn

Die Diskussionsrunde findet im Rahmen der vom Bundesforschungsministerium ausgerichteten #GermanScienceHour statt. "Natürlich gibt es im Internet jede Menge gute Informationen zum Klimawandel, aber es ist nicht immer einfach, sie auf Anhieb zu finden", bringt der Klimaforscher und Wissenschaftsblogger Stefan Rahmstorf* vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zu Beginn der Debatte ein Grundproblem auf den Punkt. "Wer in einer Internet-Suchmaschine danach sucht, dem werden als erste Treffer häufig Webseiten angeboten, die die Klimaforschung leugnen und abstreiten." Umso wichtiger sei es, so Rahmstorf, dass Wissenschaftler nicht nur Forschungsergebnisse kommunizieren. Vielmehr müssten sie öffentlich immer wieder über den Prozess der Forschung als solchen sprechen. "Wissenschaftler haben keinen magischen Zugang zur Wahrheit. Aber wir haben eine Methode, nach der Wahrheit zu suchen, und das müssen wir erklären."

"Menschen glauben an Wissenschaft - etwa wenn sie ins Flugzeug steigen"

Auf die akute Herausforderung durch einen orchestrierten Angriff auf die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaft verwies der Journalist Bernhard Pötter, der für die Berliner tageszeitung seit langem über Klimathemen berichtet. "Wir haben seit kurzem mehr als 90 AfD-Abgeordnete im Deutschen Bundestag, die denken, der Klimawandel sei kein Thema." Für konzertierte Attacken auf die Wissenschaft, wie sie von der AfD zu erwarten seien, sei der Journalismus schon aus strukturellen Gründen anfällig. So gehöre es zum Berufsethos von Journalisten, gegenüber sicheren Wahrheiten grundsätzlich skeptisch zu sein und Autoritäten in Frage zu stellen – "und zwar auch wissenschaftliche Autoritäten". Doch dürften Journalisten, so Pötters Ermahnung, nicht in die Fallen des "organisierten Leugnertums" tappen. "Es gibt organisierte Interessen, die den Klimawandel so darzustellen versuchen, als ob man dazu unterschiedliche Meinungen haben könne nach dem Motto: ‚Die einen sagen dieses, die anderen jenes‘. Und genau diese Darstellung sollte man nicht übernehmen."

Auch taz-Journalist Pötter empfiehlt, in der Kommunikation darauf zu setzen, die Arbeitsweise von Wissenschaft sichtbar zu machen. Und ist optimistisch, dass dies gelingen kann: "Es ist keineswegs so, dass wir als Gesellschaft unseren Glauben in die Relevanz von Wissenschaft zu verlieren drohen – Menschen besteigen im Vertrauen auf die Wissenschaft Flugzeuge, oder sie unterziehen sich aufwendigen Krebstherapien." Wichtig sei also die Erkenntnis, dass die Angriffe auf die Klimawissenschaft politisch motiviert seien.

"Die verschiedenen Interessen in der Klimadebatte transparent machen"

Für ein Ertragen und Aushalten unterschiedlicher politischer Interessen in der Debatte über den Klimawandel plädiert denn auch die Klimapolitikforscherin und Politikberaterin Susanne Dröge von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Man muss vermitteln, dass es rund um die Klimapolitik höchst unterschiedliche Interessen gibt, so dass die Menschen die Motive hinter unterschiedlichen Standpunkten in der Klimadebatte besser einordnen können."

Doch wie hilfreich ist der Fokus auf das organisierten Leugnertum? Wie berechtigt ist es, den Störmanövern einer kleinen Minderheit Aufmerksamkeit zu widmen, statt mit der übergroßen Mehrheit der Öffentlichkeit zu arbeiten, die für den Klimaschutz erreichbar ist? Auf diesen Einwand aus dem Publikum ging die Umweltpsychologin Ellen Matthies von der Universität Magdeburg ein. Den Leugnisten solle man weniger Aufmerksamkeit schenken, sagte sie. "Zumal ich überzeugt bin, dass die allermeisten von ihnen lediglich wie Schauspieler eine Rolle spielen und ihren eigenen Aussagen nicht glauben."

"Gegen Falschinformationen kann man regelrecht impfen"

Matthies nutzte das Podium, um eine Art Gegenprogramm zu entwickeln, einen improvisierten Drei-Punkte-Plan psychologisch informierter Klimakommunikation. Erstens ruft sie in Erinnerung, dass Individuen beim Bewerten und Einordnen von Information zu eigennütziger Voreingenommenheit neigten ("self-serving bias"): Wer mit Problemen konfrontiert sei, die starke Emotionen auslösen und wem zugleich Informationen fehlten, wie dieses Problem gelöst werden könne, der tendiere dazu, das Problem zu verdrängen und zu verleugnen, so Matthies.

Sie verweist zum Zweiten darauf, dass der Umgang mit Informationen über den Klimawandel geübt und reflektiert werde müsse. "Sozialpsychologische Experimente haben gezeigt, dass man beispielsweise Studierende gegen Fehlinformationen regelrecht impfen könne, indem man aufzeigt, dass es bewusste Fehlinformationen tatsächlich gibt, indem man ihnen vermittelt, die Merkmale solcher Fehlinformation zu erkennen und indem man über die Motive für Fehlinformationen spricht."

Das dritte entscheidende Element eines gelingenden Diskurses schließlich ist für Ellen Matthies die Erfahrung, dass das Problem Klimawandel kein Problem des einzelnen Individuums ist. "Es kommt darauf an zu verstehen, dass beim Klimawandel die Gesellschaft als Ganzes gefordert ist – und dass es diese gesellschaftlichen Lösungen auch tatsächlich gibt."

* Prof. Stefan Rahmstorf ist auch Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von klimafakten.de

 Carel Mohn