Viele Klimaschutzkampagnen sind möglicherweise grundsätzlich falsch konzipiert. In ihnen werden häufig die individuelle Verantwortung und individuelle Handlungsmöglichkeiten angesprochen – etwa bei Appellen zum sparsamen Energieverbrauch. "You control Climate Change", lautete beispielsweise vor einigen Jahren der zentrale Slogan einer großangelegten Klimaschutz-Kampagne der EU. Doch eine andere Ansprache, berichten zwei Wissenschaftler der University of California in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Climatic Change, könnte deutlich wirksamer sein.

"Du kontrollierst den Klimawandel - dreh runter, schalt aus, recyle, gehe, ändere" - Hauptmotiv aus einer Klimaschutzkampagne der Europäischen Union von 2006/07; Quelle: Europäische Kommission

Die Politikwissenschaftler Nick Obradovich und Scott Guenther fanden durch eine Serie von Experimenten, dass die Bereitschaft, Geld für Klimaschutz zu geben, um bis zu 50 Prozent höher lag, wenn der Klimawandel nicht als individuelles, sondern als kollektives Problem gesehen wurde. Für ihre Studie teilten die beiden Forscher ihre Probanden (insgesamt rund 2.000) per Zufallsauswahl in drei Gruppen – alle sollten einen kurzen Text schreiben, doch die Themenvorgabe unterschied sich: Die einen sollten darüber nachdenken, wie sie persönlich für den Klimawandel verantwortlich sind. Die zweite Gruppe sollte darüber schreiben, wie Klimawandel kollektiv verursacht wird. Eine Kontrollgruppe bekam als Thema banale Alltagsroutinen, zum Beispiel Zähneputzen oder Kaffeetrinken. Als Belohnung nahmen die Probanden an einer Verlosung teil - sollten aber angeben, wieviel vom möglichen 100-Dollar-Gewinn sie für Klimaschutzprojekte spenden würden.

"Kollektive Verantwortung erhöht Bereitschaft zu Klimaschutz"

Ergebnis: In der zweiten Gruppe war die Spendenbereitschaft um bis zu 50 Prozent höher als in der Kontrollgruppe, in der ersten Gruppe hingegen lag sie nicht signifikant höher. Zudem stieg bei der zweiten Gruppe die Bereitschaft, die persönlich verursachten Emissionen zu mindern. Für ihre Experimente rekrutierten die Forscher Probanden aus einem Umweltschutzverband und aus der allgemeinen Öffentlichkeit - und bei letzteren war der Anstieg der Motivation durch kollektive Ansprache am größten. Bei Breitenkampagnen zum Klimaschutz könnte es daher besonders viel bringen, den Klimawandel als kollektiv verursachtes Problem zu begreifen.

Gegenüber dem Magazin ThinkProgress erklärten die Forscher, dass sie ein Punkt besonders überraschte: Als sie nach einigen Tagen die Probanden erneut befragten, war der Unterschied in der Spendenbereitschaft immer noch feststellbar – und eine solch anhaltende Wirkung sei alles andere als üblich. Fazit: "Das Konzentrieren auf die persönliche Verantwortung wirkt sich nicht signifikant auf Spenden zugunsten des Klimaschutzes oder die Absicht eines klimaschonenden Verhaltens aus." Dies werde vielmehr erreicht, wenn man die kollektive Verantwortung für den Klimawandel betont.

Zur Erklärung der überraschenden Befunde sind weitere Studien nötig

Die Befunde seien spannend, meint Prof. Andreas Ernst, Umweltpsychologe an der Universität Kassel - denn sie weichen von bisherigen Einschätzungen ab, dass eine individuelle Ansprache die größte Wirkung erzielt. Die Methodik der Untersuchung schätzt Ernst als "total solide" ein. Als mögliche Erklärung der überraschenden Ergebnisse benennt Ernst folgenden Effekt: Der kollektive Fokus der Kampagnen aktiviere quasi nebenbei eine Erwartung, dass sich die anderen Leute (als Mit-Verursacher) ebenfalls an der Lösung des Problems beteiligen würden - der Einzelne sich also nicht so allein fühlt bei der großen Aufgabe des Klimaschutzes. Auch die Studienautoren haben keine sichere Erklärung für das von ihnen beobachtete Phänomen. Eine Möglichkeit sei, schreiben sie, dass bei der individuellen Ansprache eine stärkere Abwehrreaktion ("Reaktanz") gegen das unbequeme Thema Klimawandel hervorgerufen wird. Für die Suche nach Erklärungen sei jedenfalls weitere Forschung nötig.

Bestätigen sich die Ergebnisse von Obradovich und Guenther, dann dürfte zumindest der Slogan der aktuellen Klimaschutzkampagne des Bundesumweltministeriums deutlich besser gewählt sein als jener der eingangs erwähnten EU-Kampagne. Er lautet: "Zusammen ist es Klimaschutz".

tst

Slogan der aktuellen Klimaschutzkampagne des Bundesumweltministeriums; Quelle: BMU