Viele Menschen überschätzen ihr Wissen zum Klimawandel. Zu diesem Ergebnis kam eine österreichische Studie, die im Sommer 2020 im Fachmagazin Journal of Environmental Psychology erschienen ist. Für die Untersuchung befragten Annina Thaller und Thomas Brudermann von der Universität Graz knapp 500 Männer und Frauen zwischen 18 und 72 Jahren, die Auswahl war repräsentativ für die österreichische Bevölkerung.

Bereits etliche frühere Studien haben gezeigt, wie sehr Überschätzung des eigenen Wissens, Missverständnisse sowie ungenaue und unvollständige Informationen beim Einzelnen die Grundlage für das Denken über Klimawandel bilden. „Das Wissenschaftsverständnis eines Menschen sagt wenig darüber aus, wie die jeweilige Person den Klimawandel beurteilt“, erklärt Thomas Brudermann. Der promovierte Wirtschaftspsychologe lehrt am Institut für Systemwissenschaften, Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung das Fach Entscheidungswissenschaften.

Brudermann verweist auf Studien aus den USA, denenzufolge besteht kein Zusammenhang zwischen grundsätzlichem Verständnis von Wissenschaft (der sogenannten science literacy) und der Akzeptanz von Risiken des Klimawandels besteht. Die Polarisierung erfolge in den USA viel stärker entlang von Parteilinien: „Ob jemand Demokrat oder Republikaner ist, sagt mehr darüber aus, ob diese Person den Klimawandel zur Kenntnis nimmt oder eher leugnet.“

Ausgerechnet bei jenen Fragen, bei denen es die wenigsten korrekten Antworten gab, war die Selbstüberschätzung am größten 

Die österreichische Studie sollte nun ergründen, was Laien zum Klimawandel wissen, wie sie ihr Wissen einschätzen und welche Folgerungen sich daraus für Gegenmaßnahmen der Klimapolitik ergäben. „Wir haben zehn Fragen zum Klimawandel gestellt“, erklärt Brudermann. Genauer gesagt: Den Probandinnen und Probanden wurden zehn Aussagen vorgelegt, und sie sollten jeweils angeben, ob diese richtig oder falsch waren. Brudermann: „Nur etwas mehr als die Hälfte der Antworten waren richtig.“ Besonders bemerkenswert: Das Vertrauen in das eigene Wissen ist dann am höchsten, wenn das tatsächliche Wissen selbst am niedrigsten Stand ist. Die Forscher sprechen hier von over-confidence, von Selbstüberschätzung.

Beispielsweise sagten nur 16,4 Prozent zutreffend, Wasserdampf sei ein (natürliches) Treibhausgas; die große Mehrheit der Befragten hingegen verneinte dies. Doch 80 Prozent waren der Ansicht, richtig geantwortet zu haben (eine over-confidence also von mehr als 60 Prozentpunkten). Ein ähnliches Bild ergaben die Antworten zur abgefragten Behauptung, ein Dieselmotor emittiere pro Person und Kilometer mehr an Kohlendioxid-Emissionen als ein vergleichbarer Benzinmotor: Nur 36,5 Prozent gaben hier mit „nein“ die korrekte Antwort; aber 79 Prozent waren überzeugt, die Lösung gewusst zu haben. Am höchsten lag der Anteil zutreffender Antworten übrigens bei der Frage, ob bei der Produktion eines Kilogramms Schweinefleisch mehr Treibhausgase anfallen als bei einem Kilo Weizen (knapp 80 Prozent richtige Antworten und nur minimale over-confidence).

Der Anteil der Menschen, die ihr eigenes Wissen zum Klimawandel überschätzen, nahm mit dem Lebensalter zu

Insgesamt waren gut 55 Prozent aller gegebenen Antworten richtig – aber in gut 76 Prozent der Fälle glaubten die Probanden jeweils, korrekt geantwortet zu haben. Männer gaben in der Untersuchung mehr an richtigen Antworten als Frauen, waren aber auch von ihrem Klimawissen überzeugter. Paradoxerweise war die Selbstsicherheit bei solchen Fragen am größten, bei denen die Quote der zutreffenden Antworten am niedrigsten lag. (Was erneut den sogenannten Dunning-Kruger-Effekt bestätigte: Unwissende haben ein größeres Selbstvertrauen als Wissende.) Der Anteil derjenigen, die – unzutreffenderweise – überzeugt waren, richtig geantwortet zu haben, nahm mit dem Lebensalter zu.

Führt ein besseres Wissen zum Klimawandel zu klimafreundlicherem Verhalten? Nein, sagt Thomas Brudermann im Gespräch mit klimafakten.de – wohl aber seien „Wissen und Bewusstsein wesentliche Grundlagen für die Akzeptanz von Maßnahmen gegen den Klimawandel“. Für die Zustimmung zu ambitionierter Klimapolitik ist wirksame Kommunikation also „ein entscheidender Punkt“ – und zugleich eine erhebliche Herausforderung, so Brudermann. Denn eine einmal gebildete Meinung ändere sich nicht ohne triftige Gründe, auch wenn diese auf Missverständnissen oder falschen Informationen beruht. Hier liege ein Zusammenhang vor: „Personen, die mehr über den Klimawandel wissen, tendieren dazu, Maßnahmen gegen den Klimawandel eher zu akzeptieren und nicht dagegen zu opponieren“.

Wer jedoch falsch informiert ist (und an Irrtümern festhält), ist für anderslautende und sachlich richtige Botschaften zum Klimawandel nur mehr schwer erreichbar – und eher geneigt, Maßnahmen gegen den Klimawandel nicht zu unterstützen. Gleiches gelte für das Engagement: Umweltfreundliches Verhalten sei zwar Personen aller politischen Richtungen wichtig, aber hinter Aktionen gegen den Klimawandel würden nur jene stehen, die vom anthropogenen Klimawandel überzeugt sind.

Ein Vortrag von Thomas Brudermann mit dem Titel „Warum ist es so schwer, klimafreundlich zu handeln?“, gehalten am 8. Oktober 2020 in der Online-Reihe „Wissenschaft fürs Wohnzimmer“, ist hier auf YouTube verfügbar – die Vortragsfolien finden sich auf der Website der Universität Graz.

Claus Reitan