Es gibt Formulierungen, die wohl keinen Leser dazu animieren, einen Text zu verschlingen. Beispielsweise diese hier:

"In modellierten Pfaden ohne oder mit geringer Überschreitung von 1,5 °C nehmen die globalen anthropogenen Netto-CO2-Emissionen bis 2030 um etwa 45 % gegenüber dem Niveau von 2010 ab (Interquartilbereich 40–60 %) und erreichen um das Jahr 2050 (Interquartilbereich 2045–2055) netto null."

Der Satz stammt aus dem Sonderbericht zu 1,5 Grad globaler Erwärmung des Weltklimarats IPCC– beziehungsweise seiner offiziellen Übersetzung ins Deutsche. Dabei sollen doch Reports wie dieser eigentlich die Weltöffentlichkeit für den Klimaschutz wachrütteln, oder?

Bereits häufig wurde an Veröffentlichungen des IPCC deren schwere Verständlichkeit moniert. Eine Forschergruppe um Ralf Barkemeyer von der KEDGE Business School im französischen Talence zum Beispiel hatte vor Jahren die Zusammenfassungen von IPCC-Berichten auf ihre Lesbarkeit untersucht. Zielgruppe dieser Zusammenfassungen sind"Politische Entscheidungsträger" und auch die politisch interessierte Öffentlichkeit wenden. Das vernichtende Ergebnis: Man bräuchte fast eine Promotion im jeweiligen Fachgebiet, um die Texte wirklich verstehen zu können.

Schwer verständliche Naturwissenschaften

Doch ist eine Ausdrucksweise hart an der Grenze zur Unverständlichkeit keine Eigenart von IPCC-Berichten. Die Kommunikationsforscher Aviv Sharon und Ayelet Baram-Tsabari vom Israel Institute of Technology haben im Jahr 2014 Transkripte verschiedener Veranstaltungsreihen zu diversen wissenschaftlichen Themen verglichen. Bei den Events trugen Forschende – überwiegend aus naturwissenschaftlichen Disziplinen – Themen vor. Ein Format richtete sich an ein Fachpublikum, die anderen an Laien. Das Ergebnis: Bei allen wurde Fachjargon genutzt. 

In der Corona-Krise wurde der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité schlagartig prominent - nicht nur wegen seines Fachwissens, sondern weil er es auch allgemeinverständlich ausdrücken konnte; Foto: Charité/Peitz

Das muss den Fachleuten nicht einmal bewusst sein, wie eine Untersuchung aus dem Jahr 2013 untermauert. Ein Team um die Medizinerin Tera Howard von der Vanderbilt University School of Medicine im texanischen Nashville hatte 82 Ärzte im Patientengespräch beobachtet. Die Mediziner nutzten dabei durchschnittlich zwei Fachbegriffe pro Minute – demgegenüber hatten knapp 90 Prozent der Probanden zuvor angegeben, sie würden in Patientengesprächen eine einfache Sprache verwenden.

Vor- und Nachteile von Fachbegriffen

Für Expertinnen und Experten selbst hat es zweifellos Vorteile, Fachbegriffe zu nutzen: Diese sind präzise. Und sie weisen den Kommunikator als Fachmann oder Fachfrau aus. Nachteile hingegen entstehen auf Seiten des (Laien-)Publikums:

  • Es kann die erläuterten Informationen schlechter verarbeiten.
  • Es lehnt den Inhalt eher ab, wie zum Beispiel eine Studie (Bullock et al. 2019) ergab.
  • Es verliert das Interesse an dem Thema - nicht zuletzt weil die Fachbegriffe unterschwellig das Gefühl vermitteln, nicht qualifiziert genug zu sein, um mitreden zu können.

Dieses Gefühl, nicht zum "Club" zu gehören, befeuert darüber hinaus offenbar auch Verdächtigungen gegen die Forschung und ihre Ergebnisse. Darauf deutet eine Untersuchung der Soziologinnen Dilshani Sarathchandra und Kristin Haltinner von der Universität Idaho hin. Die Forscherinnen führten Interviews mit 33 Personen, die sich selbst als "klimaskeptisch" bezeichneten, also Grunderkenntnisse der Klimawissenschaft ablehnten. Die Befragten wurden aufgefordert, diese Position zu begründen – und zu den Antworten gehörte,  Wissenschaftler würden eine zu komplizierte Sprache verwenden, von der sie sich ausgeschlossen fühlen.

Erklärungen ändern nichts

Nun könnte man meinen, es würde helfen, wenn Fachleute die von ihnen verwendeten Fachbegriffe direkt erklärten. Eine kürzlich erschienene Studie von Hillary Shulman, Graham Dixon, Olivia Bullock und Daniel Colón Amill von der Ohio State University koommt jedoch zu einem anderen Schluss: Das Team fand in einem Online-Experiment mit 650 Teilnehmerinnen und Teilnehmern heraus, dass das Erklären von Fremdwörtern nichts Wesentliches ändere – die oben genannten, negative Auswirkungen würden dadurch nicht verringert. Stattdessen sollten Experten, empfehlen Shulman und ihr Team, "Jargon oder andere Formen der Fachsprache nach Möglichkeit entfernen".

Eine einfache Sprache könne außerdem dazu beitragen, dass Inhalte weniger einschüchternd und komplex wirken. Sie könne sogar das Interesse für ein Thema erhöhen, wie Shulman zuvor mit ihrem Kollegen Matthew Sweitzer, ebenfalls Ohio State University, herausfand. Die beiden wollten wissen, wie Sprache politisches Engagement beeinflussen kann. Sie führten ein Online-Experiment mit 235 Studierenden durch. Das Ergebnis: War ein Thema einfach formuliert, berichteten die Teilnehmer anschließend eher, über Politik Bescheid zu wissen und sich dafür zu interessieren. Der Effekt trat laut Shulman und Sweitzer zufolge auf, weil die Probanden die Informationen flüssig verarbeiten konnten: Es fiel ihnen leicht, sich damit auseinanderzusetzen.

Konsequenz für Autoren: Störfaktoren verringern

Es spricht also vieles dafür, dass Wissenschaftlerinnen und Kommunikatoren sich nicht nur fragen sollten, ob ihr Publikum ein bestimmtes Fachwort kennt. Vielmehr sollte die Frage lauten: Hilft dieses Fremdwort dabei, den Inhalt zu erfassen - oder hindert es dabei? Konkret: Selbst wenn jemand davon ausgehen kann, dass sein Publikum etwas mit Begriffen wie „anthropogene Emissionen“ anfangen kann – würde das Publikum das Gesagte nicht doch schneller verstehen, wenn von „menschengemachten Emissionen“ die Rede wäre?

Einige weitere Beispiele: Sollte man in Beiträgen, die nicht ausschließlich für ein Fachpublikum  gedacht sind, wirklich von "sozioökonomischen Veränderungen" reden – oder von "Veränderungen für Wirtschaft und Gesellschaft"? Muss das Wort "Dekarbonisierung" sein – oder doch vielleicht besser "CO2-frei"? Müssen gewisse Prozesse in Klimamodellen als "parametrisiert" bezeichnet werden – oder wird da vielleicht mit Näherungswerten gerechnet? Nicht umsonst stellte der Siggener Kreis, ein Arbeitskreis aus Wissenschaftlern und Kommunikatoren, bereits 2014 fest: "Gute Wissenschaftskommunikation … verwendet eine verständliche Sprache."

Aber: Wie populär darf’s sein?

Allerdings gibt es auch eine Kehrseite: Eine Reihe von Forschungsarbeiten setzt sich ebenso mit der Frage auseinander, wie populär Wissenschaftskommunikation werden darf. So auch Lisa Scharrer, Yvonne Rupieper, Marc Stadtler und Rainer Bromme vom Fachbereich Pädagogischen Psychologie der Universität Münster. Sie führten 2016 ein Experiment mit 73 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durch, die sowohl Fachartikel als auch populärwissenschaftliche Artikel zum Thema Gesundheit zu lesen bekamen.

Bei der Verarbeitung von Letzteren stellte sich ein sogenannter "Leichtigkeitseffekt" ein ("easiness effect") ein: Eine Vereinfachung könne auch dazu führen, dass Leser sich zu stark auf ihr eigenes Urteilsvermögen verlassen und gar nicht mehr das Bedürfnis haben, sich bei sachkundigen Expertinnen oder Experten zu informieren. Bei Gesundheitsthemen könne sich dieser "easiness effect" sogar auf persönliche Entscheidungen auswirken.

Scharrer & Co. plädieren deshalb dafür, Themen nicht "um jeden Preis" populärwissenschaftlich aufzubereiten. Das Risiko, dass der Effekt auftritt, könne allerdings minimiert werden – indem Autorinnen und Autoren darauf hinweisen, dass eine Information eigentlich hochkomplex oder kontrovers ist. Schließlich sei es "ein wichtiges Unterfangen, Laien über wissenschaftliche Themen zu informieren, die sich stark auf ihr tägliches Leben auswirken".

Claudia Wiggenbröker

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung des Textes war zu lesen: "Müssen gewisse Prozesse in Klimamodellen als "parametrisiert" bezeichnet werden – oder wird da vielleicht mit fixen Werten gerechnet?" Nach einem Hinweis aus unserer Leserschaft haben wir diese Aussage wie folgt präzisiert: "Müssen gewisse Prozesse in Klimamodellen als "parametrisiert" bezeichnet werden - oder wird da vielleicht mit Näherungswerten gerechnet?"