Willkommen im Manometer!, dem neuen Format von Klimafakten und Der Standard. So wie das namensgebende Gerät den Druck von Gasen und Flüssigkeiten misst, soll das monatlich erscheinende Manometer! den gesellschaftlichen Druck in der Klima-Debatte anzeigen.

Unser Manometer! ist dabei so aufgebaut:

  • Im „Durchblick“ sortieren wir aktuelle politische Entwicklungen und Debatten aus der Perspektive ein, was daraus für die Kommunikation zu Klimathemen folgt.
  • Im zweiten Abschnitt namens „Überblick“ sammeln wir beispielhafte Ansätze, wie man Druck aus der klimapolitischen Debatte nehmen kann, um Lösungen zu erleichtern.

Manometer!-Durchblick

"Die politische Diskussion entfernt sich immer weiter von den wissenschaftlichen Erkenntnissen", kritisierten 2.178 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor ein paar Wochen in einem Offenen Brief. Sie appellierten darin an die Staats- und Regierungschefs der EU, sich in Brüssel für ein starkes Klimaziel einzusetzen.

Am Ende eines mehrwöchigen Tauziehens – ursprünglich auf Ebene der Klimaminister, später im Kreise der Staats- und Regierungschefs, letztlich dann doch wieder auf Ressortebene – stellte die EU Anfang November die Weichen für den nächsten Abschnitt Europas Klimapolitik. Vorgeschlagen war eine Minderung der Emissionen um 90 Prozent (gegenüber dem Niveau von 1990) – am Ende blieb zwar diese Zahl erhalten, aber sie war kaum mehr als Fassade. Mit mehreren Detailklauseln wurde das 90-Prozent-Ziel ausgehöhlt, beispielsweise soll es erlaubt sein bis zu fünf Prozent der dafür  notwendigen Emissionsminderungen durch den Kauf von Zertifikaten im Ausland zu erbringen.

Dabei bewegte sich die EU-Kommission schon mit ihrem ursprünglichen Vorschlag am unteren Rand der Empfehlungen seines wissenschaftlichen Klimabeirats: Dieser hatte dazu geraten, die Emissionen bis 2040 um 90 bis 95 Prozent zu senken – andernfalls könne die EU ihr Ziel nicht erreichen, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Bei der Vorstellung des Vorschlags im Juli verwies EU-Klimakommissar Woepke Hoekstra auf die politische Stimmungslage in der Bevölkerung und zitierte dabei die jüngste Eurobarometer-Umfrage. Derzufolge halten 85 Prozent der Menschen in der EU die Klimakrise für ein „ernstes Problem”. Hoekstra betonte gleichzeitig, dass sich unter den Befragten paradoxerweise viele befänden, die sich vor noch etwas fürchten: nämlich davor, die Klimaschutzmaßnahmen könnten sie negativ treffen. "Wir sind ohne Frage ehrgeizig. Und dennoch pragmatisch und flexibel, wie wir den Weg dorthin erreichen", sagte Hoekstra und klang dabei so, als müsste er zwei Seiten Europas zusammenbringen.

Infografik "Mehrheit der Deutschen: Regierung unternimmt in der Klimapolitik zu wenig"

Blickt man nach Deutschland, so halten sich laut dem „Polarisierungsbarometer“ des Mercator-Forums Migration und Demokratie die Teile der Bevölkerung die Waage, die die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen entweder als zu weit- oder als zu wenig weitgehend betrachten. Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Fachdienstes Table.Briefing ergab sogar, dass eine Mehrheit die Klimapolitik der Bundesregierung zu schwach findet. (Auch 66 Prozent der SPD- und 41 Prozent der CDU/CSU-Wählerinnen und -Wähler bemängelten, es passiere zu wenig). 

In Hamburg und Berlin, in Österreich und der Schweiz:
Mehrheiten FÜR mehr Klimaschutz

Auch der Zukunftsentscheid in Hamburg Anfang Oktober hat bewiesen: Für ambitionierten Klimaschutz lassen sich an der Wahlurne durchaus Mehrheiten gewinnen. Die Frage, ob die Hansestadt fünf Jahre früher als geplant – nämlich schon im Jahr 2040 – klimaneutral werden soll, bejahten im – rechtlich bindenden! – Volksentscheid gut 53 Prozent.

Weniger Schlagzeilen machte ein Erfolg in Berlin: Dort hatten Aktivisten unter der Bezeichnung „Baumentscheid“ eine Volksabstimmung angeschoben, die sich auf Klimaanpassung und mehr Grün in der Stadt konzentrierte – als sich die große Popularität abzeichnete, wurde der Gesetzesvorschlag fast unverändert von den regierenden Fraktionen von CDU und SPD übernommen. Bereits vor zwei Jahren hatten Klimaschützerinnen und -schützer in der Schweiz in einer Volksabstimmung zum Klimagesetz eine klare Mehrheit (59,1 Prozent) hinter sich versammelt.

Und in Österreich? Da erhebt das Meinungsforschungsinstitut Integral seit August 2022 regelmäßig, wie stark der Klimawandel die Menschen in der Alpenrepublik beschäftigt. Laut dem sogenannten Klimabesorgnis-Monitor ist die Klimakrise laut den jüngsten Daten für einen Großteil der Menschen (60 Prozent) wichtig, für ein knappes Drittel (30 Prozent) hat es sogar Priorität. Dass etwa ein Viertel der Bevölkerung Klimaschutz skeptisch gegenüberstehe, wisse man seit Jahren, sagt Bertram Barth, Chef des Markt- und Meinungsforschungsinstitut Integral: "Was allerdings vergessen wird: Die Mehrheit ist anderer Meinung."

Selbst unter Hausbesitzern, die AfD wählen,
haben oder wollen die meisten eine PV-Anlage auf ihrem Dach

In den vergangenen Jahren sind allerdings auch die Stimmen gegen den Klimaschutz lauter geworden. Besonders Politikerinnen und Politiker der Rechtsaußen-Parteien schrecken dabei auch nicht vor Brachialrhetorik zurück. So bezeichnete der Parteichef der Freiheitlichen Partei Österreich Herbert Kickl die Klimapolitik der Grünen als „Klimakommunismus” und „Geisteskrankheit". AfD-Vorsitzende Alice Weidel polemisierte gegen „Windmühlen der Schande“ und schürte Angst: „‘Klimaneutralität‘ im Grundgesetz ruiniert den Industriestandort Deutschland“.

Dabei übertönen Weidel und Kickl, dass selbst viele ihrer Anhängerinnen und Anhänger Klimaschutz-Maßnahmen zustimmen. Laut einer neuen Umfrage der Initiative Klimaneutrales Deutschland unter Hausbesitzerinnen und -besitzern haben bereits drei von fünf (59 Prozent) AfD-Wählern eine PV-Anlage auf dem Dach – oder planen diese zu installieren. “Wählerinnen und Wähler aller Parteien sind Treiber der privaten Energiewende”, folgert die Studie. Zwar gebe es zwischen der Anhängerschaft politischer Parteien Unterschiede in Nutzung und Umfang der Anschaffungspläne von Wärmepumpen, E-Auto und Co. Diese seien aber „weniger ausgeprägt, als man das vermuten würde.”

Das erinnert an das Ergebnis einer Umfrage, die das Kontext-Institut für Klimafragen vor der letzten Wahl in Österreich veröffentlichte. Sie hatte die Zustimmung zu 22 klimapolitischen Maßnahmen abgefragt – von der Eindämmung der Bodenversiegelung bis hin zum stärkeren Ausbau der Erneuerbaren. Die meisten Maßnahmen unterstützte die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler aller Parteien. Auch jene der FPÖ.
 

Manometer!-Überblick

Hier zeigen wir Beispiele dafür, wie man Druck aus der klimapolitischen Debatte nehmen kann – um Lösungen zu erleichtern. Dies sind unsere Empfehlungen im Oktober:

Neuigkeiten aus der Forschung

Eine Studie „Die Mitte gewinnen. Gesundheitsargumente für Klima- und Naturschutz“ der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen des Arztes und Journalisten Eckart von Hirschhausen bestätigt, dass Klima- und Umweltthemen aktuell kein prioritär genanntes Anliegen in der gesellschaftlichen Mitte sind. Die sogenannten „Aktivierbaren Optimistischen“ (30 Prozent) und „Kostenbewussten Pragmatischen“ (zwölf Prozent) – mit solchen Kategorien werden in sozialwissenschaftlichen Studien häufig markante Milieus identifiziert – sehen sich nicht unmittelbar betroffen. Trotzdem ist das Problembewusstsein auf Nachfrage weiterhin hoch, wie folgendes Zitat eines Befragten versinnbildlicht: „Wenn ich zurückdenke, habe ich im Sommer hier früher die Zikaden gehört, jetzt höre ich nur noch die Autobahn.“

Fünf Tipps für die Kommunikation runden den gut aufbereiteten Studienbericht ab:

  1. Distanzproblem überwinden;
  2. nicht aufhören, über Klima und Natur zu reden;
  3. Wert der Lebensgrundlagen kommunizieren;
  4. Gesundheit als persönlichen Anknüpfungspunkt nutzen;
  5. vertrauenswürdige Unterstützung sichern.

Mehr unter:
https://stiftung-gegm.de/wp-content/uploads/2025/10/Studie-Die_Mitte_gewinnen_GEGM-2025-klein.pdf

Kunst und Kultur

Schautafel der Klima-Ausstellung im FEZ Berlin

Ausstellungstipp für Berliner Kids und Familien: In der Hauptstadt hat eine kraftvolle Ausstellung für eine lösungsorientierte Klimadebatte eröffnet – konkret, interaktiv und spielerisch. Kinder und Jugendliche erkunden in GREEN PLANET BERLIN im FEZ-Berlin engagierte Berliner Projekte, erforschen alternative Baumaterialien, bauen Schwammstadtmodelle und erstellen ihren eigenen Aktionsplan. Auch für Erwachsene interessant und kombinierbar mit einem schönen langen Herbstspaziergang durch die Berliner Wuhlheide.

GREEN PLANET BERLIN – Welt verändern beginnt in deiner Stadt! Bis 20. Dezember 2026, empfohlen für Kinder ab 7 Jahren 
https://alice-museum-fuer-kinder.fez-berlin.de/green-planet-berlin/aktuelle-ausstellung

Klimabewegung

Was ist in den vergangenen Jahren in der Klimabewegung eigentlich schiefgelaufen und was lässt sich daraus lernen? Diese Fragen stellen sich die Autoren Bernward Janzing (taz) und Bernd Ulrich (Die Zeit) in zwei lesenswerten Artikeln. Ein Kongress der deutschen Klimaszene, bei dem man über die Gründe des Rückgangs der Klimabewegung und mögliche Fehler spricht, ist zum Beispiel ein interessanter Vorschlag.

Hier lesen:
https://taz.de/Ringen-gegen-Erderwaermung/!6122604/
und
https://www.zeit.de/2025/47/klimabewegung-fehler-gruende-aktivismus-klimakrise-gxe

Presseschau

„Diese Fakten werden Ihr Weltbild verändern“ – nichts weniger als das verspricht der Spiegel-Autor und Professor für digitale Öffentlichkeit, Christian Stöcker, mit seiner Kolumne vom 12. Oktober 2025. Sie ist so etwas wie ein Spickzettel zur weltweiten Energiewende, hier ein paar Highlights: In China und Indien sinken die CO2-Emissionen durch Nutzung erneuerbarer Energien. Dabei hat China im ersten Halbjahr 2025 doppelt so viel Kapazitäten zugebaut wie der gesamte Rest der Welt zusammen. Die nicht so gute Nachricht ist: Der weltweite Stromverbrauch wächst weiter schnell, was unter anderem an künstlicher Intelligenz und Rechenzentren, aber auch am rasanten Wachstum der Elektrifizierung generell liegt. Aber, so schlussfolgert Stöcker: Das rasante Wachstum des Verbrauchs wird glücklicherweise vom noch schnelleren Wachstum weltweit der erneuerbaren Energien vollständig ausgeglichen, ja übertroffen: Im ersten Halbjahr 2025 haben erneuerbare Energien die Kohle als wichtigsten Quelle für Strom weltweit abgelöst.

Mehr gute Nachrichten mit vielen Quellangaben hier:
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/energiewende-diese-fakten-werden-ihr-weltbild-veraendern-a-37b25092-46d0-403e-8f49-d0afea2d9758