FRAGE (vom 19. August 2019)
"Sehr geehrte Damen und Herren,
ich (Landwirt mit einer kleinen Hofkäserei) hatte neulich eine Disskussion mit einem Freund, in deren Verlauf er behauptete, dass es keinen Beweis gäbe für die klimaschädigende Wirkung von CO2. Das hat mich ernsthaft verblüfft, da mein Freund eigentlich kein Verschwörungstheoretiker ist. Und jetzt wollte ich Sie fragen, ob Sie von einer Studie wissen die eindeutig den Zusammenhang von Klimaerwärmung und Kohlendioxid-Emmisionen belegt - oder, wenn nicht , Sie mich an jemanden verweisen können, der eine solche Studie kennt.
Vielen herzlichen Dank für Ihre Bemühungen."

 

Die empirischen Naturwissenschaften
liefern keine "Beweise" im mathematischen Sinne

 

ANTWORT
 "... vielen Dank für Ihre Mail und die Frage. Ich glaube, die Aussage Ihres Freundes (bzw. dessen Erwartung) beruht auf einem Missverständnis: Es gibt nicht DIE EINE Studie, die ALLES BEWEIST. Das Wissen über die klimaerwärmende Wirkung von Kohlendioxid ist über Jahrzehnte (teils seit weit mehr als hundert Jahren, seit Fourier im Jahr 1824) durch viele, viele einzelne Forschungsarbeiten gewachsen. Und es ist immer und immer wieder durch Experimente belegt worden.

Solche Experimente kann man übrigens in (fast) jedem Hobby-Labor nachmachen: https://www.youtube.com/watch?v=CPH0mSqFnUQ

Die ARD-Sendung Kopfball hat vor Jahren die Wirkung von Kohlendioxid anschaulich gezeigt; Screenshot: ARD/YouTube

Außerdem gibt es Satellitenmessungen, Messungen mit Spektrometern von der Erde aus und so weiter - das ist z.B. grad kürzlich wieder in diesem Text bei "Spektrum der Wissenschaft" erklärt worden: https://www.spektrum.de/wissen/die-gaengigsten-mythen-zum-klimawandel/1674472

Grundsätzlich muss man aber auch immer wieder darauf hinweisen, wie empirische Naturwissenschaft funktioniert - dies wird in der Öffentlichkeit häufig missverstanden, weshalb ich es öfter erkläre: Da gibt es keine "Beweise" im mathematischen Sinne, also dass Sie mit Instrumenten etwa der formalen Logik einen unumstößlichen Beweisgang führen. In der Naturwissenschaft ist es vielmehr so, dass Theorien entwickelt und jeweils durch (wiederholbare) Beobachtungen belegt werden. Da geht es also immer wieder um Beobachtung, Theoriebildung, Belegsammeln, Bestätigen oder Widerlegen, dann erneut: Beobachtung, Theoriebildung... etc. pp. Genau das tut die Klimaforschung seit Jahrzehnten mit großem (und zugleich besorgniserregendem) Erfolg. Aber sie wird halt keinen KAUSALbeweis liefern (weil empirische Naturwissenschaften so etwas nie machen und gar nicht können). Das wäre so, als ob sie von einem Auto verlangen würden, dass es fliegt.

Auch für die Schwerkraft zum Beispiel gibt es nicht DIE EINE Studie, die BEWEIST, dass sie existiert. Sondern es ist seit Jahrhunderten immer wieder überprüftes (und nie widerlegtes) Erfahrungswissen. Oder noch ein Beispiel aus der Medizin: Es gibt etwa beim Zusammenhang von Passivrauchen und Krebs auch nicht DIE EINE Studie, die den Zusammenhang BEWEIST. Sondern es gibt ungezählte Studien und Beobachtungsdaten, die den Zusammenhang mit sehr, sehr großer Wahrscheinlichkeit belegen.

In der empirischen Naturwissenschaft wird jedenfalls immer nach "Belegen" gesucht (Fachbegriff "Evidenz") - das Wort "Beweis" gibt es dort nicht, das gehört in den Bereich der "nicht-empirischen Wissenschaften". Siehe hierzu z.B.: https://de.wikipedia.org/wiki/Empirie#Empirische_Wissenschaften

Man darf also von der Klimaforschung nichts erwarten, was sie nicht liefern kann. Sie ist nunmal (wie etwa Physik, Astronomie oder Biologie) eine empirische Naturwissenschaft. Und die gesamte Erde im Labor nachbauen kann man ja auch nicht ... Deshalb ist das, was die Klimaforschung realistisch erbringen kann, eine solides und valides Gebäude aus Theorien und Belegen - und das tut sie. Nicht mehr und nicht weniger. Und die Vielzahl der Forschungsergebnisse wird dann laufend von Tausenden Klimaforscherinnen und -forschern überall auf der Welt überprüft - und alle rund sieben Jahren in den Sachstandsberichten des IPCC, der nächste wird 2012/22 herauskommen.

Wenn Ihr Freund eine seriöse, wissenschaftliche Quelle sucht, dann sollten Sie ihn auf Band 1 des letzten Sachstandsberichts zur Klimaforschung verweisen - https://www.ipcc.ch/report/ar5/wg1/ Eine solche Wissenssynthese ist übrigens wissenschaftlich viel solider als jede einzelne Studie. In den modernen (Natur-)Wissenschaften ist es mittlerweile akzeptierter Standard, dass die Ergebnisse einer professionellen Synthese von Studien verlässlicher ist als eine Einzelpublikation.

Aber wenn er trotzdem immer noch DIE EINE Studie möchte, dann könnten Sie zum Beispiel John Tyndalls wegweisenden Aufsatz von 1861 nehmen: http://web.gps.caltech.edu/~vijay/Papers/Spectroscopy/tyndall-1861.pdf

Oder den Klassiker von Svante Arrhenius (1896): https://www.rsc.org/images/Arrhenius1896_tcm18-173546.pdf

Oder Sie nehmen Guy Stewart Callendars Aufsatz von 1938: https://www.eas.ualberta.ca/jdwilson/EAS372_15/exams/Callendar_QJRMS1938.pdf

Oder das erste, große Paper von Charles Keeling (1960), der wegen der Messungen auf dem Mauna Loa (Hawai) heute bekannter ist als die Vorgenannten: https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.3402/tellusa.v12i2.9366

Dies sind meiner Kenntnis nach wirklich DIE "Referenzstudien" für den Befund, dass (menschengemachtes) Kohlendioxid zur Erhitzung der Erde führt.

Wie gesagt, seit Jahrzehnten ist das allgemeines Lehrbuchwissen. Falls Sie Ihrem Freund eines schenken möchten, wäre dies eine gute Wahl - es ist auf diesem Gebiet der Klassiker:
Peixoto/Oort: Physics of Climate. American Institute of Physics, New York 1992 - https://de.scribd.com/document/393935365/Peixoto-and-Oort-1992-Physics-of-Climate

Oder, falls es auf Deutsch sein soll:
Schönwiese, Christian Dietrich: Klimatologie, Ulmer (utb) 2013 (4. Auflage) - http://www.utb-shop.de/autoren/schonwiese-christian-dietrich/klimatologie.html

Zusammengefasst: Dass menschengemachtes Kohlendioxid die hauptsächliche Ursache ist für den gegenwärtigen Klimawandel auf der Erde, ist in unzähligen Studien von tausenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in vielen, voneinander jeweils unabhängigen Forschungen belegt worden. Ein paar Details dazu (mit Verweisen in die wissenschaftlichen Fachliteratur) finden Sie auch auf unserer Seite, zum Beispiel hier: https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-es-gibt-viele-moegliche-gruende-fuer-die-derzeitige-erderwaermung

Ich hoffe, das hilft Ihnen etwas weiter.

Mit freundlichen Grüßen
Toralf Staud