Wenn Wissenschaftler mit politisch motivierten Verdrehungen und Verfälschungen von Forschungsergebnissen konfrontiert sind, stecken sie in einem Dilemma: Halten sie sich zurück und beschränken sich auf die Rolle des neutralen Wissenschaftlers, dann setzt sich am Ende womöglich die Verfälschung durch, die Wahrheit geht unter. Korrigieren sie hingegen die Lügen, geraten sie in die Sphäre der Politik und sind schnell selbst Angriffen ausgesetzt, werden von Rechtspopulisten als Elite und Teil einer angeblichen Verschwörung geschmäht.

Nicht nur Klimawissenschaftler fänden sich in diesem Dilemma, schreibt der britische Politologe David Runciman in einem langen Essay im Guardian. In den öffentlichen Debatten zum Für und Wider des EU-Austritts Großbritanniens hätten beispielsweise auch Wirtschaftsexperten in der Falle gesessen: Immer wenn sie auf wirtschaftliche Nachteile des Brexit und damit schlicht auf erdrückend eindeutige Forschungsergebnisse verwiesen, wurde das gegen sie gewendet: "Je mehr sie darauf insistierten, dass sich einschlägige Wissenschaftler in dieser Einschätzung einig seien, desto mehr sahen sie sich dem Verdacht ausgesetzt, sich an einer politischen Schwindelei zu beteiligen."

Runciman, Professor an der renommierten Cambridge University, beschreibt in seinem Text, wie eine skeptische Haltung gegenüber Forschungsergebnissen (die durchaus sinnvoll und eigentlich eine wissenschaftliche Grundtugend sei) größtenteils verdrängt wurde durch eine Haltung, die sehr viel gefährlicher sei und die er "Klima-Zynismus" nennt. "Ein Skeptiker hinterfragt die Belege für eine bestimmte Behauptung und fragt, ob sie glaubhaft sind. Ein Zyniker hingegen hinterfragt die Motive der Leute, die diese Belege vorbringen, egal ob sie glaubhaft sind oder nicht. Und jeder Versuch, die Fakten zu verteidigen, wird als Beweis dafür hingestellt, dass die Fakten den Interessen derjenigen entsprechen, die sie vorbringen."

"Die Leugner des Klimawandels sind nicht Lügner, sondern Heuchler"

Dieser rhetorische Kniff von Wissenschaftsgegnern, so Runciman, sei hocheffektiv - und hochgefährlich, nicht nur für die Forschung, sondern für die gesamte Gesellschaft und die Demokratie. Er erinnert daran, dass Klimawandel noch vor wenigen Jahren ein Thema von und für Konservative war, etwa für die britische Premierministerin Margaret Thatcher. Heute hingegen werde es von Teilen der radikalen Rechten politisch instrumentalisiert, allen voran US-Präsident Donald Trump.

Sein Rat für die (Klima-)Wissenschaft lautet: Sie solle nicht so sehr und immer wieder auf den Konsens der Forschung verweisen und darauf, dass die Rechtspopulisten lügen. "Sie sollte stattdessen sagen, dass sie Heuchler sind - dass sie nicht tun, was sie predigen." Denn die Leugner des Klimawandels würden in Wahrheit nicht an der Forschung zweifeln - sondern sie glaubten unerschütterlich an deren Falschheit. Eigentlich seien sie also gar nicht skeptisch und damit offen für Gegenargumente - sondern überzeugt, im Besitz der echten Wahrheit zu sein. "Klimawandelleugner behaupten, sie würden doch bloß versuchen, die Wahrheit zu finden. Das sollte uns alle skeptisch machen."

tst