Chloe Lucas forscht an der australischen University of Tasmania über soziale Polarisierung rund um den Klimawandel. Adam Corner ist Forschungsdirektor beim britischen Klimakommunikations-Think Tank Climate Outreach. Aidan Davison ist Professor für Humangeografie und Soziologie an der University of Tasmania. Peat Leith forscht ebenfalls an dieser Universität. Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Online-Portal The Conversation, wir haben ihn leicht gekürzt und bearbeitet.

Als sich bei den Parlamentswahlen im Mai in Australien – entgegen vorheriger Umfragen – eine Mehrheit der Wähler für die konservative Regierungspartei und damit gegen stärkeren Klimaschutz entschied, waren viele Progressive voller Ärger. Aber Ärger nährt nur eine polarisierte Politik. Und die wird uns nicht helfen bei der Lösung unserer großen gemeinsamen Herausforderungen. Mit dem Rückzug in die Echokammern der Sozialen Medien, in denen Spott und Respektlosigkeit die Norm sind, riskieren wir den endgültigen Verlust von gesellschaftlichem Zusammenhalt und gegenseitigem Vertrauen – und damit die Grundlagen einer funktionierenden Demokratie.

Was wir stattdessen dringend brauchen, ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über unsere gemeinsame Zukunft. Es ist höchste Zeit, neue Ansätze für die Kommunikation über den Klimawandel zu finden – insbesondere für die Kommunikation mit Menschen, die diesen nicht als dringliches Problem wahrnehmen. Und hier kommt ein Vorschlag dafür.

Wer sich nicht so sehr ums Klima sorgt, ist nicht weniger moralisch

Häufig ist die Annahme zu hören, Desinteresse am Klimawandel sei ein Beweis für Selbstbezogenheit oder politisch motivierte Leugnung des Problems. Doch unsere Forschungsergebnisse besagen etwas anderes. Sie zeigen, dass Menschen, denen der Klimawandel keine große Sorge macht, mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit fürsorglich, moralisch oder sozial eingestellt sind wie andere Menschen. Sicherlich gibt es eine kleine Minderheit, die aktiv gegen Klimaschutzmaßnahmen auftritt - aber für die Gesamtheit der Gesellschaft gilt, dass unter den Klimaschutz-Gleichgültigen eine große Bandbreite politischer Einstellungen und politischen Engagements zu finden ist.

Sommerhitze und dennoch kein Interesse am Thema Klimawandel? Das britisch-australische Autorenteam unseres Gastbeitrags hält das für "keine moralische Verfehlung. Menschen haben auch andere Anliegen, für die sie sich engagieren - und diese sind in keinster Weise weniger wertvoll"; Foto: Carel Mohn

Laut unserer Untersuchungen in Australien und Großbritannien ist es keineswegs so, dass die am Klima Uninteressierten voreingenommen wären, unvernünftig, gleichgültig oder unwissend. Stattdessen interessieren sie sich durchaus für Themen wie Gerechtigkeit, Gemeinwohl und die Gesundheit der Ökosysteme. Einer der häufigsten Gründe für Gleichgültigkeit gegenüber dem Klimawandel ist die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, die keine eigenen Narrative zum Thema hat. Weniger interessierte Menschen betrachten den Klimawandel häufig als ein Thema der "Ökos". Wer sich selbst als Gegner grüner Politik identifiziert, bei dem ist es unwahrscheinlich, dass er Klimaschutz einen hohen Stellenwert einräumt.

Aber auch die Spaltung zwischen Stadt und Land spielt eine wichtige Rolle für die polarisierte Wahrnehmung von Klimaschutz. Australier in ländlicheren Gebieten, die mit höherer Wahrscheinlichkeit auch wirtschaftlich von natürlichen Ressourcen abhängig sind, fühlen sich ignoriert und abgewertet von einer Politik, die sich an Großstadt-Wähler richtet. Wenn wir die Polarisierung beim Thema Klimawandel aufbrechen möchten, müssen wir verstehen, was ländliche und konservative gesellschaftliche Gruppen bewegt.

Den Brückenschlag schaffen zu jenen, die bislang uninteressiert sind

Aus unseren Forschungsergebnissen lassen sich einige Prinzipien ableiten für die positive Auseinandersetzung mit Menschen, die bis dato nicht sehr am Klimawandel interessiert sind:

  • Unterschiede respektieren. Sich nicht aktiv für den Klimawandel zu interessieren, ist keine moralische Verfehlung. Menschen haben auch andere Anliegen, für die sie sich engagieren - und diese sind in keinster Weise weniger wertvoll.
  • Zuhören. Wichtig ist, Beziehungen zu Menschen aufzubauen, die andere Lebenserfahrungen haben als man selbst, sie zu fragen, was ihnen wichtig ist - und dabei anzuerkennen, dass manche Menschen gesellschaftlichen Wandel als bedrohlicher und unmittelbarer empfinden als den klimatischen Wandel. Empathie für dieses Gefühl aufzubringen, kann ein Verständnis fördern für die dem Widerstand zugrundeliegenden Hauptanliegen. Und es kann dazu beitragen, Möglichkeiten für den Umgang damit zu finden.
  • Werte wertschätzen. Man sollte Argumente vermeiden, die auf der Autorität der Wissenschaft und einem Expertenkonsens basieren. Eine Diskussion über "die wissenschaftlichen Fakten" lenkt eher ab. Denn wie Menschen auf Aussagen zum Klimawandel reagieren, hängt weniger davon ab, ob sie wissenschaftliche Fakten akzeptieren - sondern in erster Linie von ihren Grundwerten und davon, was in ihrer sozialen Gruppe akzeptiert wird. Insofern ist es ratsam, sich auf Werte zu konzentrieren, die man gemeinsam hat, statt sich in einer Faktendebatte zu verstricken.
  • Rechts oder links ist nicht entscheidend. Politische Ideologie darf nicht mit der Haltung zum Klimawandel vermischt werden. Um Polarisierung zu vermeiden, sollte man zeigen, dass das Klima kein Thema ist, das eine soziale Gruppe definiert. Wir müssen der Vorstellung entgegenwirken, dass Klimaschutz ein ausschließlich linkes oder "grünes" Thema ist.

Diese Prinzipien zu beachten, kann beim Aufbau einer politischen Kultur rund um die Klimawissenschaft und -politik beitragen, die auf unterschiedliche Prioritäten unterschiedlicher Menschen reagiert – denn eine sichere Zukunft wünschen sich letztlich alle. Dieser Ansatz erkennt außerdem an, dass Klimaschutz nur funktionieren kann mit öffentlichem Vertrauen und Engagement in demokratischen Institutionen.

"Wichtig ist, beim Klima-Thema einen überparteilichen Ansatz zu verfolgen"

Auch wenn Großbritannien beim Klimawandel keineswegs immun war gegen politische Spaltungen und das Interesse am Thema typischerweise bei der politischen Linken höher ist als bei der Rechten, hat das Land doch im Wesentlichen einen überparteilichen Ansatz verfolgt. Dank der Bemühungen verschiedener Initiativen, die einen pluralistischen Ansatz für die klimapolitische Debatte propagierten, wurde das britische Klimawandel-Gesetz (Climate Change Act) im Jahr 2008 mit parteiübergreifender und fast einstimmiger Unterstützung verabschiedet.

Britische Forschungsarbeiten haben eine evidenzbasierte Sprache und Narrative für die Diskussion über den Klimawandel entwickelt. Diese konzentrieren sich auf zentrale konservative Werte, wie die Erhaltung des Status Quo (Schutz desselben vor dem Klimawandel), die Vermeidung von Abfall (in diesem Falle von Energieverschwendung) und Investitionen in sichere (erneuerbare) Energie. Gleichzeitig wird versucht, durch Bürgerversammlungen zum Klimawandel die demokratische Auseinandersetzung zu stärken.

Insgesamt ist es jedenfalls viel produktiver, einander zuzuhören und einen pluralistischen Ansatz für Diskussionen über unsere gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Die Alternative wäre, immer tiefer in parteiischer Feindseligkeit und gegenseitigen Beschuldigungen zu versinken. Und wäre das wirklich besser?

Übersetzung: Vivi Bentin