"Das Rathaus und die Kirche liegen in Hartberg unmittelbar nebeneinander, wir sind also ständig im Gespräch", sagt Marcus Martschitsch. Er ist Bürgermeister des knapp 7.000 Einwohner zählenden steirischen Städtchens, ganz im Südosten Österreichs. Martschitsch und der katholische Pfarrer des Orts, Josef Reisenhofer, hätten ein "amikales Verhältnis" – und so entstand im Gespräch zwischen beiden die Idee zu einem wohl bisher einmaligen Klimawettstreit.

Energie sparen, das Klima schützen – dazu war in Hartberg, gelegen direkt an der Autobahn zwischen Wien und Graz, schon vorher einiges passiert. Viele Haushalte und einige Gemeindegebäude beziehen CO2-neutrale Wärme, die in einem Fernheizwerk aus Holzhackschnitzeln erzeugt wird. In einem Pilotprojekt wurden vor drei Jahren die Energiekosten für die Volksschule um die Hälfte gesenkt.  Für Bürgermeister und Pfarrer war deshalb klar: Um noch mehr Leute für Klimaschutz zu gewinnen, brauchte es eine Geschichte, die Aufmerksamkeit erregt.

Pfarrer Josef Reisenhofer (links) und Bürgermeister Marcus Martschitsch; Foto: Gemeinde Hartberg

Bald war die Idee geboren, das Erzählmuster des italienischen Nachkriegsromans Don Camillo und Peppone von Giovannino Guareschi zu übernehmen. In der Geschichte, 1952 mit Fernandel und Gino Cervi als fünfteilige Saga verfilmt, liefern sich der katholische Pfarrer (Don Camillo) und der kommunistische Bürgermeister (Peppone) im norditalienischen (fiktiven) Dörfchen Boscaccio einen ständigen Wettstreit, wer eher zur Verbesserung der Lage der verarmten Landarbeiter in der Poebene beiträgt. Eigentlich aber konkurrieren beide darum, wer das tatsächliche Oberhaupt des Ortes ist.

Die Beratungen für die Neuauflage des Wettbewerbs in der Steiermark begannen Anfang 2018, im November 2018 wurde das Konzept der Bürgerschaft und der katholischen Gemeinde vorgelegt und beschlossen. Am 1. Januar 2019 schließlich begann der gut einjährige Energiesparwettbewerb – Ende Januar 2020 sollte Bilanz gezogen werden. Für die Assistenten von Pfarrer und Bürgermeister, Josef Fink (den Küster der Gemeinde) und Anton Schuller (Energiebeauftragter der Stadtverwaltung), folgten 13 Monate harter Arbeit – die sich lohnten, und die letztlich zu Einsparungen von bis zu 30 Prozent führten.

"Zieht Euch warm an", predigte der Pfarrer, "wir sparen Energie!"

Zum Auftakt wurden die Gebäude von Stadt und Kirchengemeinde durch Techniker inspiziert, der Ist-Stand an Strom- und Energieverbrauch erfasst. Und dann ging es los – mit einer langen, langen Liste von Maßnahmen: Um Strom zu sparen, wurden sämtliche alte Glühbirnen durch moderne LED-Leuchten ersetzt, alle Kühlschränke der Teeküchen für die Büros ausgetauscht. Die Stadtverwaltung verlegte ihren Computer-Server in ein Rechenzentrum und sparte dadurch die Klimaanlage für den eigenen Serverraum.

Auch bei der Heizenergie fanden sich viele Stellschrauben, die viel brachten – immerhin bedeutet ein Grad an höherer Raumtemperatur einen um sechs Prozent höheren Einsatz an Heizenergie: Fenster wurden abgedichtet, jeder Thermostat technisch überprüft und gegebenenfalls erneuert. Die Heizkörper in selten genutzten Räumen wurden abgedreht, die Vorlauftemperatur der Heizung wurde um bis zu drei Grad gesenkt, die Nachtabsenkung wurde zeitlich vorverlegt und fiel um einige Grad nach unten. Der Einschaltpunkt für die gewünschte Raumtemperatur wurde zeitlich in die Nähe der Arbeits- und Amtsstunden verlegt, woraufhin die Heizung an Werktagen später gestartet und früher ausgeschaltet, am Wochenende stark vermindert wurde. "Die Behaglichkeit für das Team war wichtig, doch mit den Nacht- und Wochenendabsenkungen konnten wir an Heizkosten erheblich sparen", sagt Bürgermeister Martschitsch (ÖVP).

Pfarrer und Bürgermeister in der Hartberger Stadtpfarrkirche St. Martin, außerdem Anton Schuller (ganz links), Josef Fink (ganz rechts) und Ingmar Höbarth (Mitte), Geschäftsführer Klima- und Energiefonds Österreich; Foto: Gemeinde Hartberg

Das reduzierte Heizen blieb dennoch nicht ohne Folgen, vor allem für den Alltag der Dutzenden Mitarbeiter im Rathaus und der Kirchengemeinde. Doch zuvor hatte Pfarrer Reisenhofer unter Kirchgängern und Mitarbeiter – in seiner bekannten und geschätzten humorvollen Art – gute Stimmung für den Wettbewerb gemacht: "Zieht Euch warm an", verkündete er von der Kanzel, "wir sparen Energie!" Mehr Nächstenliebe, weniger Fernwärme – so lautete die Parole des Geistlichen.

Die Gemeindemitarbeiter sprachen dann im Ort über die von Don Camillos Ehrgeiz verursachte niedrige Raumtemperatur in den Pfarrbüros, was wiederum sein Konkurrent Peppone zu Ohren bekam. Bürgermeister Martschitsch appellierte umgehend an die Gemeindebediensteten, die Heizung noch weiter herunterzudrehen – denn wenn sich ein Mitarbeiter des Pfarrers über kühle Arbeitsräume beklage, dann sei dies doch ein untrügliches Zeichen für den Vorsprung der Kirche. Im Ergebnis, ist zu hören, drehte also der Bürgermeister die Radiatoren ab, sobald er das Rathaus verließ – und die Mitarbeiter drehten sie wieder auf, um es etwas wärmer zu haben. Energie gespart wurde ohnehin, war doch die Vorlauftemperatur deutlich gesenkt worden.

Erfolg braucht klare Verantwortlichkeiten, Technik und Kommunikation

Was lässt sich aus dem Hartberger Wettstreit über Erfolgsfaktoren lernen? Erstens: "Die Chefs müssen wirklich dahinterstehen", heißt es aus Gemeinde und Stadtverwaltung gleichermaßen, sie müssten "die Treiber" sein. "Dem Pfarrer war es schon wichtig, dass wir richtig mitmachen", sagte Messner Josef Fink. Und aus dem Rathaus berichtet der Energiebeauftragte Anton Schuller: "Der Bürgermeister hat uns einen klaren Auftrag gegeben. Er wollte gewinnen."

Das Zweite sind definierte Zuständigkeiten und Verantwortungen für einen konkreten Maßnahmenkatalog: "Es braucht einen Mitarbeiter, der sich um das Projekt kümmert", sagt Schuller. Also eine Person, die alle Kolleginnen und Kollegen ans Energiesparen erinnert, die das Licht abdreht, die Heizung regelt, die Fenster schließt. Es bedarf eines Zuständigen, der technische und sonstige Maßnahmen mit den beigezogenen Energieberatern entwickelt, vorschlägt und für die Umsetzung sorgt.

Die Bilanz: 68.091 kWh Energie gespart, macht 7.291 Euro weniger Kosten

Drittens braucht es eine klare, verständliche und vor allem regelmäßige Kommunikation. In der Pfarre wurden die Mitglieder der Katholischen Männerbewegung und der Katholischen Frauenbewegung eingebunden, wurden der Wirtschaftsrat und der Pfarrgemeinderat ständig informiert. Energiespartipps fanden sich im Gemeinde- und Pfarrblatt. Der Bürgermeister wiederum sandte über das Jahr hindurch monatlich neue, den Saisonen und Jahreszeiten angepasste Energiespartipps via Facebook an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die gesamte Bürgerschaft. Zum Auftakt wurde im Rathaus ein eigenes Abstimmungstreffen des 25 Mitglieder zählenden Stadtgemeinderates abgehalten, in der Pfarre trafen sich alle Mitarbeiter und Mitglieder kirchlicher Organisationen zu einer "Ideensammlung", die "beachtliche und brauchbare Anregungen" erbrachte, wie Fink sagt.

Am 31. Januar 2020 schließlich wurde Bilanz gezogen. Diese fiel außerordentlich positiv aus:  Gemeinsam haben die Teams um Pfarrer Reisenhofer und Bürgermeister Martschitsch 9,7 Prozent an Strom und 18 Prozent an Heizenergie eingespart – zusammengenommen entspricht das Kosten von 7.291 Euro, also gut 560 Euro pro Monat.

Die Teams von "Don Camillo und Peppone" jubelten gemeinsam, als Ende Januar das Ergebnis des Wettstreits verkündt wurde; Foto: Gemeinde Hartberg

Und wer hat gewonnen? Zuallererst natürlich das Klima. Beim Wettstreit in Sachen Strom hatte letztlich die katholische Gemeinde mit 10,25 Prozent Einsparung die Nase knapp vorn, das Rathaus kam auf 9,53 Prozent. In der Kategorie Wärme hingegen siegte das Peppone-Team mit einer Einsparung von 29,94 Prozent, der Kirche gelang bei der Heizung "nur" ein Minus von 8,23 Prozent. Insgesamt konnten Pfarre und Stadtverwaltung 68.091 Kilowattstunden an Energie für Wärme und Strom einsparen. Dies entspricht dem Jahresstromverbrauch von knapp zwanzig Haushalten.

Worin liegt nun der Unterschied zwischen Don Camillo und Peppone im heutigen Hartberg gegenüber den mehr als 70 Jahre alten italienischen Roman- und Filmvorlagen? Der Bürgermeister von Hartberg hat eine technische Ausbildung, was der Sache diente. Und er ist kein Kommunist, sondern Freund des Pfarrers und der Kirche. Darum leuchteten die Scheinwerfer des Rathauses weiterhin abends auf die Fassade der spätgotischen Stadtpfarrkirche St. Martin: "Die Bürger sollten nicht negativ spüren, dass wir Strom sparen", sagt Bürgermeister Martschitsch. Die Stadtbediensteten werden es sogar positiv spüren: Die Hälfte des an Energiekosten eingesparten Betrages, etwas mehr als 2.500 Euro, werden als Prämie ausgeschüttet, für gemeinsame Aktivitäten, etwa einen Betriebsausflug. Voraussichtlich einen, der wiederum Energie spart.

Claus Reitan