Dorothee Baur hat Psychologie (mit Schwerpunkt Umweltpsychologie) an der Universität Groningen in den Niederlanden studiert. Danach arbeitete sie unter anderem am IHE Delft Institute for Water Education und am Karlsruhe-Institut für Technologie (KIT). Auf behaviorally-green.com bloggt sie über Umwelt- und Verhaltenspsychologie.

 

Extremwetterereignisse wie Starkregen, Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren nehmen an Häufigkeit und Intensität zu. Spätestens die verheerende Sturzfluten vom Juli vergangenen Jahres in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben klargemacht: Der Klimawandel kann bereits jetzt katastrophale Folgen haben.

Die Klimaforschung warnt schon lange vor Zunahme und Verstärkung von Extremwetterereignissen aufgrund der globalen Erwärmung. Zwar war es anfangs schwierig, den menschlichen Einfluss auf Wetterextreme konkret zu belegen – doch die neue Disziplin der Attributionsforschung (von engl. "attribution": Zuschreibung) hat dies geändert. Die World Weather Attribution Initiative schreibt beispielsweise: Die Überschwemmungen 2021 in Westeuropa waren „sehr viel wahrscheinlicher durch den Klimawandel“, und die extreme Hitzewelle im selben Sommer in Kanada wäre „so gut wie unmöglich“ gewesen ohne die menschengemachten Erderhitzung.

Starkregen, Überschwemmungen, tropische Wirbelstürme und unsere Wahrnehmung der Klimakrise

Extremwetterereignisse führen uns also vor Augen: Die Auswirkungen der Klimakrise, die manchmal als ein „creeping problem“ (also als ein schleichendes Problem) bezeichnet wird, sind jetzt schon spürbar. Psychologen sprechen auch davon, dass solche Erfahrungen unsere gefühlte „psychologische Distanz“ zum Klimawandel verringern und kognitive Barrieren zum Klimaschutz abbauen können. Aber was genau machen Extremwetterereignisse mit unserer Wahrnehmung des Klimawandels?

Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Nach den Hochwassern an Ahr und Erft wurde dem Klimawandel in den Medien und der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit geschenkt:

 „Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen“ (Die Welt, 16.07.2021)

Hochwasser in Deutschland: Mehr Starkregenfälle durch den Klimawandel“ (Deutsche Welle, 24.08.2021)

Unwetter in der Schweiz: Ist das der Klimawandel?“ (Higgs, 13.07.2021)

So lauten nur einige Schlagzeilen aus dem vergangenen Sommer. Auch auf Twitter, TikTok und Instagram gingen damals Videos von überfluteten Straßen und von Wohnwägen, die an Brücken zerschellen, viral. Auch nach dem Hitzesommer 2018 war ein Aufmerksamkeitsschub zu beobachten.

Klar ist: Die Klimakrise wird inzwischen deutlich von der Bevölkerung wahrgenommen. Dies bestätigt etwa eine von Beate Ratter und Lea Stumbitz vom Helmholtz-Zentrum Hereon jährlich durchgeführte Befragung in Hamburg: Die Menschen fühlen sich zunehmend vom Klimawandel bedroht. Dennoch schwanken das Interesse und die Aufmerksamkeit ständig. Ein Blick auf Google Trends bestätigt dies. Suchanfragen für die Begriffe „Klimawandel“ und „Klimakrise“ sind mal höher, mal niedriger. Eindeutig zeigte sich  jedoch, dass die Suchanfragen für diese Begriffe nach den Überschwemmungen im Juli 2021 stark stiegen. Die Forscher Corey Lang und John David Ryder von der Rhode Island University in den USA kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Mithilfe von Daten aus dem Zeitraum von 2006 bis 2012 zeigten die zwei Umweltökonomen, dass Internetsuchen zum Thema Klimawandel nach tropischen Wirbelstürmen mit einer zeitlichen Verzögerung zunahmen.

Hochwasser nach dem Starkregen in Ahrweiler-Altenburg (Rheinland-Pfalz) im Juli 2021; Foto: Martin Seifert/Wikimedia Commons

Stürme und Überschwemmungen können also unsere Aufmerksamkeit auf den Klimawandel lenken. Aber beeinflussen sie auch unsere Wahrnehmung der Klimakrise? Machen wir uns beispielsweise mehr Sorgen um den Klimawandel? Nehmen wir uns vielleicht sogar vor, unser eigenes Handeln umwelt- und klimafreundlicher zu gestalten?

Eine Studie aus dem Vereinigten Königreich, über die klimafakten.de bereits berichtete, kann als Hinweis in dieser Richtung verstanden werden. Ein Team von Psychologen um die Forscherin Christina Demski von der britischen Cardiff University zeigt: Das Miterleben der Überschwemmungen im Vereinigten Königreich im Winter 2013/2014 rief in der Bevölkerung stark negative emotionale Reaktionen hervor. Die Betroffenen fühlten sich verletzlicher, nahmen den Klimawandel als ein größeres Risiko wahr und stuften ihn als wichtiger ein als andere Briten, die die Überschwemmungen nicht am eigenen Leib erfahren hatten. Zudem war die Wahrscheinlichkeit, dass der Klimawandel als eines der drei wichtigsten Probleme der nächsten 20 Jahre eingestuft wurde, unter den Betroffenen um 70 Prozent höher als im nationalen Durchschnitt.

Diese Veränderungen bezüglich der Wahrnehmung des Klimawandels löste bei den Betroffenen außerdem die Absicht aus, persönliche Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu ergreifen (etwa zu einem Ökostromanbieter zu wechseln oder weniger mit dem Auto zu fahren). Zusätzlich gaben die Betroffenen an, sich darüber informieren zu wollen, wie man sich am besten an andere potenzielle Auswirkungen des Klimawandels, wie zum Beispiel Hitzewellen, anpassen könnte. Auch die Unterstützung für politische Maßnahmen war bei den Betroffenen höher als im britischen Durchschnitt.

Dass selbst das Wahlverhalten indirekt durch Extremwetterereignisse beeinflusst werden kann, zeigte ein Forscherteam um die Psychologin Laurie Rudman von der Rutgers University in den USA: Personen, die von Überschwemmungen im Zusammenhang mit Hurrikans betroffen waren, nahmen Politiker, die die Einführung von Maßnahmen zum Klimaschutz unterstützten, positiver wahr. Dies beeinflusste wiederum das Wahlverhalten nach den Stürmen.

It’s getting hot in here – auch Hitze und Dürre beeinflussen unsere Sorge bezüglich der Klimakrise

Wie ist das Bild bei Hitzewellen? Sehr ähnlich, zeigen diverse Untersuchungen: Mit den Temperaturen steigt das Interesse am Klimawandel. Um entsprechenden Wirkungen nachzugehen, werteten Datenjournalisten Google-Anfragen und die Medienberichterstattung aus Deutschland zum Klimawandel nach dem Hitzesommer von 2018 aus und fanden klare Trends: Sowohl die Berichterstattung als auch Google-Anfragen zum Thema Klimawandel nahmen stark zu.

Dies bestätigen auch die Forscher Parrish Bergquist von der Yale University und Christopher Warshaw von der George Washington University in den USA: überdurchschnittlich hohe lokale Temperaturen erhöhen auch die Sorge ob des Klimawandels.

Ein Forscherteam um den Umweltökonomen Shaun Larcom von der Cambridge University kam zu ähnlichen Schlüssen. Es untersuchte, wie sich der Hitzesommer in 2018 auf die Wahrnehmung und das Verhalten der Menschen in Großbritannien auswirkte. Ergebnis: Briten, die den extremen Temperaturen ausgesetzt waren, gaben an, sich mehr Sorgen um die Sicherheit der Energieversorgung zu machen. Doch die gleiche Gruppe an Personen äußerte hernach nicht die Absicht, sich umweltfreundlicher zu verhalten. Dies deutet darauf hin: Sorgen über die Auswirkungen des Klimawandels führen nicht automatisch zu Verhaltensänderungen. Zudem fanden die britischen Forscher, dass die durch die Hitzewelle hervorgerufene Aufmerksamkeit für den Klimawandel kurze Zeit später bereits wieder abgeklungen war.

Niedrigwasser im Rhein am Pegel Kaub während des Hitze- und Dürresommers 2018; Foto: Marion Halft/Wikimedia Commons

Auch Dürren scheinen die Wahrnehmung von Wasserknappheit und die Einstellung zum Klimawandel zu beeinflussen. Jedoch scheinen die Effekte davon abzuhängen, wie lange die Dürreperioden anhalten. Ein Forscherteam aus den USA rund um den Ökologen Jason Evans von der Stetson University verknüpfte Daten von Geoinformationssystemen (GIS) mit Ergebnissen aus Meinungsumfragen und fand: Langanhaltende Dürren wirken sich hauptsächlich auf die Besorgnis über die Ressourcenverfügbarkeit (in diesem Fall die Wasserversorgung) aus, während kurzzeitige Dürren die Wahrnehmung der Wahrscheinlichkeit künftiger Dürren beeinflussen. Personen, die lange Dürreperioden miterlebt hatten, gaben an, dass die Wasserknappheit in ihrer Wohngegend ein Problem darstellte und dass sie sich Sorgen darübermachten, ob genügend Wasserressourcen zur Verfügung standen, um den Bedarf in zehn Jahren zu decken. Personen, die kürzere Dürreperioden erlebt hatten, zeigten sich dagegen eher besorgt, dass Dürren in Zukunft wahrscheinlicher werden.

Das Gegenteil von extremer Hitze, kaltes Wetter, scheint für so manchen nicht in die Theorie des Klimawandels zu passen. Dass kalte Winter und Klimawandel kein Widerspruch sind, analysierte klimafakten.de bereits in diesem Faktencheck. Sozialwissenschaftliche Studien zum Zusammenhang von kaltem Wetter und unserer Wahrnehmung der Klimakrise hingegen sind rar. Eine Studie der Psychologen Stuart Capstick und Nick Pidgeon der Cardiff University in Wales deutet allerdings an:  Menschen ordnen Kälte durchaus als Hinweis auf die Realität des Klimawandels ein. Dies hängt jedoch auch davon ab, ob Menschen „klimaskeptische“ Einstellungen haben. So waren Teilnehmer mit hoher Klima“skepsis“ eher dazu geneigt, kaltes Wetter als Beweis gegen den Klimawandel zu sehen als Probanden mit mittlerer oder geringer Klimaskepsis.

Der Aufmerksamkeitsschub ist meist kurzlebig, kann aber dennoch nützlich sein für die Klimakommunikation

Insgesamt deutet die Forschung also darauf hin: Extremwetterereignisse beeinflussen zumindest kurzfristig die Wahrnehmung des Klimawandels, indem sie Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. In den meisten Fällen klingen diese Effekte zwar schnell ab. Es gibt jedoch Anzeichen, dass je schwerwiegender die erlebten Extremwetterereignisse sind, desto stärker sie auch dauerhaft unsere Sorge über den Klimawandel beeinflussen. Ein Forscherteam rund um David Koninsky von der Indiana University in den USA zeigt beispielsweise: Berücksichtigt man in Analysen die Intensität von Extremwetterereignissen, scheinen auch Extremwetterereignisse, die zeitlich weiter zurückliegen, mit einer größeren Besorgnis über den Klimawandel zusammenzuhängen.

Nach Extremwetterereignissen scheint es also ein Zeitfenster zu geben, in dem sich unsere Besorgnis über den Klimawandel erhöht. Dieses Zeitfenster kann Klimapolitik nutzen.  Führen Hitzewellen oder Dürren beispielsweise zu Sorgen über die Energie- oder Wasserversorgung, liegt es nahe, dieses Gelegenheitsfenster für die Verabschiedung von Maßnahmen zur Energie- bzw. Wassersicherheit zu nutzen. Denn: Ist uns bewusst, wie sich die Klimakrise negativ auf unseren Alltag auswirken kann, akzeptieren wir die Einführung konkreter Klimaschutzmaßnahmen möglicherweise eher.

Um die durch Extremwetterereignisse geschaffene Aufmerksamkeit für den Klimawandel jedoch wirksam zu nutzen, ist gute Klimakommunikation unabdingbar. Nach den Überschwemmungen im Sommer 2021 in Rheinland-Pfalz bestimmten zahlreiche Bilder der Folgen und Opfer der Hochwasser die Medienberichterstattung. Obwohl solche Bilder den Klimawandel konkret machen und wirksam sind, um Aufmerksamkeit auf die Klimakrise zu ziehen, regen sie wenig zum Handeln an. Stattdessen können sie ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit auslösen und das Gefühl von Selbstwirksamkeit schwächen, indem der Klimawandel als eine übermächtige Entwicklung erscheint.

Journalist:innen und Klimakommunikator:innen sollten deshalb darauf Acht geben, Ängste durch ihre Berichterstattung nicht zu verstärken. Katastrophismus mag Menschen zwar aufrütteln, zum Handeln motiviert dies jedoch nur selten. Um aktives Engagement zum Klimawandel zu erreichen, ist es stattdessen wichtig, Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dies kann dem Eindruck entgegenwirken, dass das Problem zu groß sei, um etwas dagegen zu tun.