Matthias Quent ist Soziologe, Gründungsdirektor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena und seit Mai 2021 Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er forscht schwerpunktmäßig zu Polarisierung und Zusammenhalt, Rechtsextremismus und gesellschaftspolitischen Fragen der ökologischen Transformation und ist Mitherausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung. Sein gemeinsam mit Christoph Richter und Axel Salheiser verfasstes Buch „Klimarassismus. Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende“ erschien 2022 im Piper-Verlag, München

 

Herr Quent, warum sind Rassisten und Rechtsextreme gegen Klimaschutz?

Klimaschutz bedeutet für sie eine Veränderung, die ihre Privilegien gefährden könnte: ihre ganze Lebensweise, ihre Position in der Welt. Rechtsextreme und Rassisten profitieren historisch von der bestehenden Ungleichheit eines globalen Wirtschaftssystems, das den Klimawandel verursacht. Deshalb wollen sie die Ungleichheit verteidigen oder sogar verstärken. Sie wehren sich gegen konsequenten Klimaschutz, weil der auch eine gerechte Verantwortungsübernahme einfordert und somit Ungleichheit und damit einhergehende Privilegien in Frage stellt. Dieser Aspekt der Verteidigung und Verstärkung von Ungleichheit insbesondere gegenüber dem globalen Süden ist aus soziologischer Perspektive zentral, vor allem auch im Hinblick auf die politischen Äußerungen rechtsextremer Bewegungen, Parteien, oder Strömungen.

Welche anderen Aspekte spielen außerdem eine Rolle?

Anti-Eliten-Populismus spielt eine Rolle. Rechtspopulisten machen dagegen mobil, dass grüne Ideen plötzlich Mainstream sind, sie agitieren beispielsweise gegen das politische Ziel einer ökologischen Wende. Das ist auch eine Art Fundamentalopposition aus dem Prinzip heraus, einfach immer das Gegenteil von dem zu behaupten, was die Regierung und vor allem die verhassten Grünen sagen, was Konsens in der Wissenschaft ist oder den Debattenstand in den Medien darstellt.

Hat dieser Anti-Elitismus auch etwas mit sinkendem Vertrauen in die Regierenden oder die Demokratie als Staatsform zu tun?

Es ist nicht per se schlecht, Herrschaft und Macht zu misstrauen. Im Gegenteil: Das gehört in einer Demokratie dazu. Aber wir sehen in der populistischen Rechten eine pauschale, zu Verschwörungserzählungen und Antisemitismus neigende Dämonisierung von Eliten und von Andersdenkenden, die dem vermeintlich gesunden Menschenverstand des Volks gegenübergestellt wird. Die Überhöhung des Eigenen macht es naheliegend, auch den Klimawandel zu leugnen, wenn dieser durch die Emissionen unseres privilegierten Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells und meines eigenen Lebensstils verursacht wird. Unter den Folgen der Erderhitzung leiden schon heute Menschen besonders stark, die ohnehin aus unterschiedlichen Gründen historisch benachteiligt waren und sind.

Sie beschreiben in ihrem Buch verschiedene ideologische Positionen der Klimaschutz-Gegner*innen von rechts außen. Wie unterscheiden sich beispielsweise Ökofaschisten, Antiökolog*innen und Rechtslibertäre voneinander?

Für klassische Ökofaschisten ist die Umwelt ein Vorwand, menschliches Leben durch Biologisierung nach alter Blut-und-Boden-Ideologie zu hierarchisieren und das Gleichheitsversprechen der Moderne aufzulösen. Faschistoide Instrumente und Politiken können auch genutzt werden, um kapitalistische Verhältnisse zu stabilisieren – übrigens braucht es dazu nicht einmal antimoderne und völkische Aufladungen.

Das heißt: Nicht nur gegen die bestehende Ordnung, sondern auch innerhalb dieser Ordnung, also ohne das Verdammen moderner Entwicklungen und Technologien und selbst ohne eine explizit rassistische Agenda können Mittel der Abschottung, Spaltung, Unterdrückung, der Gewalt und des Zwangs radikalisiert werden, um eigene Interessen kompromisslos zu verfolgen. Im Globalen Süden, also den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern, werden jedes Jahr viele Umweltaktivisten offensichtlich im Interesse von Konzernen ermordet, ohne dass wir davon groß etwas mitbekommen. Mit der Zuspitzung der Klimakrise und in der Konkurrenz um verbleibende CO2-Budgets und andere Ressourcen ist zu befürchten, dass die Konflikte immer härter werden.

 

"Es ist nicht per se schlecht, Herrschaft und Macht zu misstrauen. Im Gegenteil: Das gehört in einer Demokratie dazu. Aber wir sehen in der populistischen Rechten eine pauschale, zu Verschwörungserzählungen und Antisemitismus neigende Dämonisierung von Eliten und von Andersdenkenden"

 

Rechtslibertäre verfolgen ähnliche Ziele: die Abwehr von Verantwortung auf Kosten Schwächerer. Dafür setzen sie nicht auf einen autoritären Staat, sondern auf einen völlig unregulierten Markt und die privatwirtschaftliche Abschottung gegenüber Schwächeren. Hier steht das sozialdarwinistische Motiv eines Survival of the Richest im Fokus. Letztlich geht das Handeln aller dieser politischen Richtungen auf Kosten der Ökologie, weil niemand Verantwortung für die zerstörerischen Folgen der Geschichte und Gegenwart insbesondere der Industriestaaten im Globalen Norden übernimmt.

Wie können Klimawissenschaftler*innen und Klimapolitiker*innen kommunikativ dagegenhalten, wenn Rechtsextreme und Rechtspopulisten die Erderwärmung in Zweifel ziehen oder Klimaschutzmaßnahmen ausbremsen wollen?

Es ist wichtig, bei den Fakten zu bleiben und diese verstehbar zu machen. Außerdem sollte man nicht nur aus nationaler Perspektive argumentieren, sondern in Erinnerung rufen, dass der Klimawandel ein globales Problem ist, das nur global gelöst werden kann und auch global ungleiche Folgen hat. Dennoch wird man sich leider mit dem Gedanken abfinden müssen, dass es einen nicht ganz kleinen und manchmal durchaus einflussstarken Teil der Bevölkerung gibt, die man mit sachlichen oder gar akademischen Argumenten nicht überzeugen kann – weil sie nicht überzeugt werden wollen, da ihre materiellen und statusbezogenen Interessen dem Interesse von Klimagerechtigkeit entgegenstehen.

Mir dem klassisch wissenschaftlichen Argumenten oder einem "Follow the Science" wird man Menschen am rechten Rand nicht erreichen – hier eine Fridays-for-Future-Demo 2019 in Dortmund; Foto: Carel Mohn

In dieser Debatte geht es nicht nur um die naturwissenschaftlichen Fakten, sondern es spielen eine ganze Reihe von sozialen, politischen, ökonomischen und ideologischen Einflüssen eine Rolle. Wer zum Beispiel durch die Fossilindustrie Geld verdient, argumentiert womöglich nicht auf Grundlage besten fachlichen Wissens, sondern weil er für seine Haltung bezahlt wird.

Wie geht man konkret in einer Debatte um Klimaschutz am besten damit um?

Man sollte nicht glauben, man könne bestimmte Akteure allein mit guten Argumenten überzeugen. Es bringt nichts, Menschen Dinge erklären zu wollen, denen sie aggressiv und abwehrend gegenüberstehen. Menschen tendieren grundsätzlich dazu, Informationen zu suchen und aufzunehmen, die ihre Ansichten und ihre soziale Position bestätigen, nicht hinterfragen. Die Sozialpsychologie nennt dieses gut erforschte Phänomen „motivated reasoning“.

 

"Man sollte nicht glauben, man könne bestimmte Akteure allein mit guten Argumenten überzeugen. Es bringt nichts, Menschen Dinge erklären zu wollen, denen sie aggressiv und abwehrend gegenüberstehen"

 

Trotzdem gilt es, die Fahne der Aufklärung hochzuhalten. Im Umgang mit antiökologischen Akteuren geht es auch darum, offenzulegen: Was steckt eigentlich hinter den Erzählungen der äußersten Rechten? Worum geht es ihnen wirklich, was steckt hinter den teils absurden Thesen? Dann kommen wir zu den tiefer liegenden strukturellen und ideologischen Spannungslinien. Eine gewisse Streitfähigkeit gehört also dazu.

Wann sollte man in den Konflikt gehen, und wann ist es besser, sich zurückzuhalten?

Gerade im öffentlichen Raum, wenn andersdenkende, ambivalente Menschen dabei sind, lohnt sich die Auseinandersetzung in der aufklärerischen Hoffnung, dass genügend Menschen den besseren Argumenten Gehör schenken, sie unterstützen oder doch zumindest ein Verständnis entwickeln. Das macht eine konfliktfähige Gesellschaft aus. Zurückhalten und Kräfte sparen kann man dort, wo es ohnehin nichts zu gewinnen gibt oder die Gefahr von Eskalationen besteht.

Sie beschreiben in ihrem Buch ein interessantes Dilemma: Die Industrialisierung hat uns die Klimakrise gebracht, aber auch Wohlstand und materielle Teilhabe für viele Menschen. So gesehen ist die industrielle Wirtschaftsweise auch demokratiefördernd. Kein Wunder, dass uns der Abschied von ihr schwerfällt, oder?

Ja. Aber die Frage ist: Wird die fossile Industrialisierung mittels des Klimawandels all die erkämpften demokratischen Fortschritte nicht auch wieder einreißen? Kann sich das System schnell genug anpassen, um das Klima und damit auch die Demokratie nachhaltig zu schützen? Das Verhältnis von Demokratie, Industrialisierung und Kapitalismus war immer ambivalent und ist strukturell spannungsgeladen. Natürlich hat die Industrialisierung das Leben der Menschen extrem verbessert und verlängert. Gleichzeitig sind neue Gefahren, Gifte und Probleme entstanden, die wir im Alltag oft übersehen. Werden künftige Generationen unter dem Strich insgesamt auch noch vor allem profitieren?

Wir sehen ja schon jetzt seit einigen Jahren, dass Wohlstandssteigerungen vor allem bei den Reichsten ankommen, während Teile der Bevölkerung trotz großer Anstrengungen nicht mehr vom Fleck kommen. Es gilt dabei vor allem im Blick zu halten: Jemand, der wenig Geld hat und wenig konsumiert, verursacht im Vergleich zu den Reichsten nur geringe Emissionen und sollte nicht noch ökologisch beschämt werden. Wir sollten uns deshalb nicht in die Falle locken lassen, die Lebensstile der ökonomisch Schwächsten gegeneinander auszuspielen.

Das Leugnen der menschengemachten Erderhitzung und die Ablehnung von Klimaschutz ist in den vergangenen Jahren ein Kampagnenthema von Rechtspopulisten geworden, hier ein Beispiel aus der Alternative für Deutschland von 2019 – einen Faktencheck des AfD-Grundsatzprogramms finden Sie hier

Wir sollten mehr über die historischen und systemischen Ursachen der Klimakrise sprechen, über politische Regeln, Zusammenhänge und die Verantwortung von jenen, die einen besonders großen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten: Großunternehmen zum Beispiel. Der Carbon-Majors-Report aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass sich 71 Prozent der globalen Emissionen auf nur 100 Konzerne zurückführen lassen. Vor allem diese Player müssen viel stärker in die Pflicht genommen werden, aus ökologischen und demokratiepolitischen Gründen.

Trotzdem fühlt sich Klimaschutz für viele Menschen eher wie eine persönliche Sache an, und sie fühlen sich gegängelt. Zum Beispiel Leute, die aufs Auto angewiesen sind, um halbwegs bezahlbar oder zeitsparend jeden Tag zur Arbeit zu kommen – und jetzt gerät der Verbrenner in Verruf. Wie kann man mit ihrem Ärger kommunikativ gut umgehen?

Erstens ist Kritik an einer Verkehrspolitik, die ja tatsächlich oft keine oder kaum Alternativen zum Privat-Pkw bietet, völlig berechtigt. Aber die Kritik sollte sich an die richtigen Adressaten richten: nicht jene, die sich jetzt für den Klimaschutz starkmachen, sondern an jene, die jahrzehntelang einseitig das Auto gefördert und den Ausbau des Bus- und Bahnnetzes sowie der Radwege vernachlässigt haben. Zweitens schlägt hier der Neoliberalismus voll zu, der gern von Eigenverantwortung und Freiheit spricht, und ungern von Verantwortung und Solidarität: In Wahrheit sind Klimafragen eben nicht persönliche Probleme einzelner, die durch individuelles Verhalten gelöst werden können, sondern sind eine systemische Krise.

Egal, wer für die Fehler vergangener Politik verantwortlich sein mag: Ich bin hier und jetzt auf mein Auto und günstiges Gas zum Heizen angewiesen, und Klimaschutz stört da eher. Was entgegnen Sie?

Der klimafreundliche Wende von Wirtschaft und Gesellschaft sollte aus den Kassen finanziert werden, die durch die Emission von Treibhausgasen reichlich gefüllt wurden. Dafür sollte man sich einsetzen. Wenn wir nicht jetzt mehr Klimaschutz betreiben und auf klimafreundliche Energien umsteigen, dann werden künftig die Kosten noch viel, viel höher steigen, auch für die Menschen in Deutschland. Was wir jetzt nicht tun, werden wir und nachkommende Generationen in Zukunft bezahlen – finanziell, schlimmer aber noch mit erwartbaren Einschränkungen an Menschlichkeit, Demokratie und Freiheit. Es mangelt nicht an Geld für energetische Alternativen, sondern an Gerechtigkeit. Das ist wichtig zu verstehen.

Sie argumentieren sehr rational. Gibt es keine psychologischen Faktoren, die man aus Ihrer Sicht in der Kommunikation berücksichtigen müsste?

Die gibt es natürlich, aber das ist nicht mein Spezialgebiet. Emotionen spielen eine große Rolle. Auch Bedürfnisse, Normen, Gewohnheiten und Frustrationen. Im politischen Spektrum wird mit Angst, Ohnmacht und Wut gearbeitet. Das ist eine sehr polarisierende und schwierige Situation, weil man annehmen würde, dass auf dieser emotionalen Ebene für einen rationalen Diskurs nicht mehr viel Platz bleibt. Wenn man sich die evidenzbasierten Horrorszenarien der Klimaforschung und die himmelschreiende Ungerechtigkeiten anschaut, dann ist die strikte Bezugnahme der Klimabewegung auf die Wissenschaft und ihre sehr weitgehende Zivilität überraschend.  

Wie wichtig ist es, in eine so emotionalisierten Debatte auf die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Lebenserfahrungen meiner Gegenüber einzugehen?

Das kommt immer auf die Situation an. Es führt politisch nicht weiter, wenn ich nicht bereit bin, anderen zuzugestehen, dass sie davon unterschiedliche Perspektiven haben können. Aber es sollte auch nicht der Eindruck entstehen, als seien die zentralen Fakten der Klimakrise Ansichtssache. Insofern kann es helfen, nach gemeinsamen Betroffenheiten zu suchen.

 

"Man sollte anderen zugestehen, dass sie  unterschiedliche Perspektiven haben können. Aber es sollte nicht der Eindruck entstehen, als seien die zentralen Fakten der Klimakrise Ansichtssache"

 

Menschen sind verschieden von der Klimakrise betroffen – eine Bauarbeiterin, die im Sommer in der Hitze draußen arbeiten muss, wird sie stärker spüren als ein Büroangestellter. Und genauso unterschiedlich trifft sie die Klimapolitik. Es ist gut, Gesprächspartner in ihrer Wirklichkeit abzuholen, solange nicht eine geteilte, durch Wissenschaft beschreibbare Realität geopfert wird. Es gibt aber Grenzen, etwa wenn Fakten aggressiv geleugnet oder Menschen dehumanisiert werden.

Stichwort Delegitimierung: Gerade Klimawissenschaftler*innen und Klimapolitiker*innen werden in der Öffentlichkeit oft besonders aggressiv angegangen und sogar bedroht. Wie geht man mit solchen Angriffen gut um, wenn man sich nicht aus der Debatte verdrängen lassen will?

Besonders wichtig ist es, dass man sich Verbündete sucht, in der Politik bestenfalls auch parteiübergreifend, die einen persönlich oder auch öffentlich unterstützen. Institutionen müssen ihre Mitarbeitenden durch Schutzmaßnahmen und juristische Hilfestellungen unterstützen. Es gilt, Grenzen zu ziehen und klarzustellen, dass es eben nicht legitim oder normal ist, anderen Menschen aufgrund von Fakten oder auch nur abweichenden Meinungen mit „Hausbesuchen“, Vergewaltigung oder Mord zu drohen. Es ist schauerlich, was da teilweise passiert. Und natürlich ist der Rechtsstaat gefragt, Straftaten nachzugehen und sie vor Gericht zu bringen.

Interview: Alexandra Endres;
Porträtfoto: Sio Motion