In der Klimawissenschaft geht es nicht nur um Details der Erderwärmung oder die beste Anpassung an künftige Wetterverhältnisse. Sondern auch darum, wie ganze Gesellschaften einen Ausweg aus klimaschädlichen Strukturen finden. In seiner neuesten Ausschreibung für Forschungsprojekte hat der österreichische Klima- und Energiefonds Ende April ein besonderes Augenmerk auf solche sozialwissenschaftlichen Fragen gelegt. Knapp fünf Millionen umfasst der "10th Call for Proposals" des 2007 aufgelegten Fonds.

In der Vergangenheit ging nur ein Bruchteil der Klimaforschungsgelder in Deutschland, Österreich und der Schweiz an Sozialwissenschaftler. Das zeigte erst kürzlich eine Recherche von klimafakten.de. Auch in interdisziplinären Projekte gibt es selten eine wirkliche Kommunikation zwischen den Disziplinen. Die neue österreichische Ausschreibung hingegen sucht nun ausdrücklich Projekte, wie ein klimaverträgliches Umsteuern gelingen kann. Dabei geht es um eine "Neuausrichtung staatlicher Strukturen", aber beispielsweise auch um "neue Konzepte für den Tourismus oder Sportveranstaltungen". Explizit werden nicht nur Meteorologen oder Klimaforscher im engeren Sinne zur Teilnahme aufgerufen, sondern auch Politik- oder Wirtschaftswissenschaftler.

"Das Nebeneinander von Natur- und Sozialwissenschaftlern beenden"

Um der österreichischen Gesellschaft neue Wege aufzuzeigen, reichten die aktuellen Anstrengungen der Regierung allerdings nicht aus, kritisiert die Forschergemeinde: "Gemessen an den Herausforderungen ist der Fonds ziemlich knapp bemessen", sagt etwa Helga Kromp-Kolb von der Universität für Bodenkultur in Wien. "Wir brauchen auch ein eigenes wissenschaftliches  Programm für Transformationsforschung", so Kromp-Kolb. "Es muss eine gemeinsame Arbeit von Sozial- und Naturwissenschaftlern geben und kein Nebeneinander, wie das heute oft der Fall ist."

Insgesamt scheint in Österreich derzeit Bewegung in die Klimaforschung zu kommen: Parallel zu der Ausschreibung veröffentlichten Kromp-Kolb und weitere 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals einen "Science Plan", der Wissenslücken beim Thema Klimawandel benennt und Empfehlungen für Förderungen formuliert. Herausgegeben wurde das Papier vom Climate Change Centre Austria (CCCA) in Wien, das 27 Universitäten und Forschungsinstitute im ganzen Land vernetzt. Mit dem "Science Plan" wollen die Wissenschaftler die gesellschaftliche Wirksamkeit und Akzeptanz der Klimawandelforschung erhöhen.

Forschung müsse mehr Kriterien als "nur" wissenschaftlicher Exzellenz folgen und zur "Abdeckung eines breiten gesellschaftlichen Informationsbedarfs" beitragen, heißt es in dem Plan. Besonderen Forschungsbedarf machen die Wissenschaftler bei Themen wie "Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft", "Anpassung", „CO2-Minderung“ oder "Gesellschaftliche Transformationsprozesse" aus.

"Noch immer herrscht das Denken vor: Technologie löst alle Probleme"

Bei letzteren sind Sozialwissenschaftler gefragt: Förderungswürdig sind laut Science-Plan Themen wie "Werte in der Gesellschaft", weil es einen erhöhten "Bedarf an anderen Wertesystemen" gebe. "Auf der Suche nach Lösungsansätzen verschiebt sich der Schwerpunkt langsam Richtung Sozialwissenschaften; aber immer noch herrscht in der Politik das Denken vor: Mit der richtigen Technologie werden wir schon alle Probleme lösen", meint Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb.

Die thematischen Schwerpunkte des Science-Plans haben sich an den IPCC-Berichten orientiert, erklärt Julia Kolar vom CCCA. "Allerdings hat man auch gemerkt, dass Themen zur gesellschaftlichen Transformation mehr Raum brauchen". Deshalb hätten sich die Forscher am Ende für ein eigenes Kapitel dazu entschieden. "Neben der Forschung zu naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels, rücken immer stärker Themen wie die Transformation in eine nachhaltige Zukunft in den Mittelpunkt", ist sich die Projektmanagerin des Science Plan sicher.

klimafakten.de und das CCCA sind Kooperationspartner bei dem für September 2017 in Salzburg geplanten K3-Kongress zur Klimakommunikation

Susanne Götze