Die Alaska-Zeder, auch unter dem Namen Nootka-Scheinzypresse bekannt, ist ein in Nordamerika heimischer Nadelbaum aus der Familie der Zypressengewächse. Sie wächst an der Pazifikküste vom nördlichen Kalifornien über Kanada bis hoch nach Alaska. Die Bäume können tausend Jahre oder noch älter werden. Ihr Holz gilt als sehr hochwertig, es wird unter anderem im Möbelbau oder für Kanu-Paddel verwendet.

Seit rund hundert Jahren wird bei der Alaska-Zeder ein zunehmendes Massensterben beobachtet. Als Grund dafür gilt der Klimawandel, offenbar machen schwindende Schneedecken die Wurzeln der Bäume anfälliger für Frostschäden.

Offenbar als Folge von Klimaveränderungen kommt es an der nordamerikanischen Pazifikküste zum großflächigen Absterben der Alaska-Zeder - yellow cedar decline wird das Phänomen in Englisch genannt; Foto: Lauren Oakes

Die Umweltwissenschaftlerin Lauren Oakes von der Stanford University hat in ihrer Doktorarbeit das Zypressen-Sterben und die Reaktion der lokalen Bevölkerung darauf untersucht. Jahrelang sammelte sie Daten, schrieb eine Doktorarbeit, außerdem diverse Aufsätze für Fachzeitschriften. Soweit, so normal im Alltag von Forscherinnen und Forschern. Irgendwann aber fragte Nik Sawe, ein Studienkollege in Stanford und nebenbei Amateurmusiker, in einer Rundmail nach interessanten Datensätzen, die sich vertonen lassen.

Daten-Sonifikation ist sozusagen die kleine Schwester der Visualisierung

Diese Technik heißt Sonifikation, wörtlich übersetzt "Verklanglichung". Dabei werden Daten in Töne umgewandelt, um sie akustisch zugänglich zu machen. Traditionelle Beispiele für Daten-Sonifikation sind etwa der Geigerzähler oder das Sonar. Man könnte die Sonifikation als junges, noch ganz zartes Schwesterchen der Visualisierung bezeichnen - denn während es seit langem Standard ist, Daten grafisch und damit fürs Auge aufzubereiten, ist die Bearbeitung fürs Ohr noch nicht sehr weit verbreitet.

Sawe nahm also Daten, die Oakes über die Wälder auf dem Alexander-Archipel gesammelt hatte, einer Inselgruppe in Alaska. Um die Veränderungen im dortigen Baumbestand in einem Musikstück hörbar zu machen, wies er jeder der fünf erfassten Arten ein anderes Instrument zu: Der Alaska-Kiefer das Klavier, der Hemlock-Tanne die Flöte, der Sitka-Fichte das Cello und so weiter. Jeden einzelnen Baum stellte er in einer Note dar. Deren Tonhöhe richtete sich nach dem Alter, die Lautstärke nach der Größe des Baums. Fürs "Abspielen" dieser "Komposition" nutzte Sawe dann einen Computer.

Vertont haben Oakes und Sawe zum Beispiel die Daten eines geografischen Längsschnitt durch die untersuchten Wälder - beginnend im Norden, wo das Absterben der Alaska-Zeder noch nicht so weit fortgeschritten ist, in Richtung des wärmeren Südens. Das Ergebnis ist verblüffend. Die abstrakten Datenreihen von ab- und zunehmenden Baumarten werden konkret erfahrbar: Am Anfang vollzieht das Klavier noch dichte, lebhafte Kadkaden - aber bald werden die Piano-Töne dünner, Lücken tun sich auf, Flöten setzen ein, Streicher übernehmen. Fast elegisch wirkt das Stück am Ende seiner knapp drei Minuten.

Die Daten-Sonifikation biete große Vorteile, erläutert Nik Sawe im Wissenschafts-Portal ClimateCentral. "Beim Hören kann der Mensch viel mehr Dimensionen erfassen als wenn er auf Daten schaut." Unterschiedliche Instrumente, verschiedene Klänge, technische Verzerrungen, Tonhöhen und -längen und -lautstärken - diese und viele andere Mittel stehen bei der Sonifikation zur Verfügung. "Das Coole am Verklanglichen ist, dass Du alle Variablen gleichzeitig hören kannst", schwärmt Lauren Oakes.

Daten erreichen vielleicht den Kopf, Klänge aber den Bauch des Publikums

Mit dem Gehör ließen sich auch Muster in Daten leichter erkennen als mit dem Auge, erklärt Sawe. Für die Wissenschaft sei das Verklanglichen daher ein durchaus nützliches Hilfsmittel bei der Datenauswertung. Doch daneben habe die Sonifikation noch ein ganz anderes Potenzial - nämlich eines für die Wissenschaftskommunikation.

"Du brauchst nichts zu wissen über Statistik oder wie man ein Diagramm lesen muss. Du brauchst keinen Zugang zu akademischen Fachzeitschriften", erklärt Sawe im Interview mit dem Online-Magazin Huffington Post. "Du brauchst Dich auch nicht durch die Rohdaten zu wühlen, mit denen Lauren mühsam die Eigenschaften von Tausenden von Bäumen aufgezeichnet hat." In nur 20 Sekunden könne man Laien erklären, was man ihnen gleich vorspielen werde. "Und dann kannst du innerhalb von drei Minuten jeden einzelnen Baum hören, den Lauren an der Küste Alaskas besucht hat." Die emotionale Kraft der Musik führe dazu, dass sich bei den Zuhörern sofort ein Bauchgefühl einstellt.

Sawes Fazit lässt sich zugleich als Appell an Wissenschaftler lesen: Daten-Sonifikation, sagt er, "eröffnet riesige Möglichkeiten, unsere Geschichten mit Leuten zu teilen".

Toralf Staud