Ein großes Problem der Kommunikation zum Klimawandel ist, dass man seine Ursache nicht vor Augen hat: Treibhausgase wie Kohlendioxid sind unsichtbar, jedenfalls für die menschlichen Sinnesorgane. Die klimaverändernden Abfallprodukte menschlichen Handelns sind deshalb viel schwieriger ins allgemeine Bewusstsein zu bringen als beispielsweise Plastikmüllstrudel in den Ozeanen, Rußwolken aus Lkw-Auspuffrohren oder Ölschlieren in Pfützen und Flüssen. Psychologen weisen deshalb schon lange darauf hin, dass wirksame Klima-Kommunikation die Fakten rund um den Klimawandel anders darstellen muss: weniger abstrakt, deutlich sichtbar, besser (be)greifbar und nah am Menschen.

Die Kommunikationsagentur Real World Visuals aus dem englischen Bristol hat einen anschaulichen Weg gefunden, Treibhausgas-Emissionen darzustellen: als riesiges Bällebad. In einem gut dreiminütigen Video-Clip hat sie beispielhaft die Emissionen von New York City visualisiert. Eine Tonne Kohlendioxid wird dabei als als bläuliche Kugel dargestellt (bei normalen Druck- und Temperaturverhältnissen hat sie einen Durchmesser von rund zehn Metern). Im Halbsekundentakt ploppen die Kugeln eine nach der anderen auf wie Seifenblasen in den Hochhausschluchten Manhattans - und türmen sich, höher und höher.

Würden sämtliche Emissionen der Stadt New York an einer Stelle mitten in Manhattan ausgestoßen, würde dort alle 0,6 Sekunden eine Tonne Kohlendioxid freiwerden - so viel wie in einen Ballon von ca. zehn Metern Durchmesser passt. Aus dieser anschaulichen Umrechnung des jährlichen Treibhausgas-Ausstoßes der Großstadt wurde ein eindrucksvoller Drei-Minuten-Film; Screenshot: Real World Visuals

Unter dem steten Hupen von Taxis und anderen Großstadtgeräuschen sind - wie beim Grimmschen Märchen vom Süßen Brei - bald Autos, Straßen, Häuser und sogar Wolkenkratzer in den Emissionen versunken. Nach anderthalb Minuten wechselt das Video in die Großansicht und zeigt die Emissionen einer vollen Stunde - einen Haufen blauer Kugeln, der in der Skyline Manhattans bereits unübersehbar ist. Schnitt. Die Emissionen eines Tages sind ein solcher Bälleberg, dass die Spitze der Architekturikone des Empire State Buildungs nur noch knapp herausragt. Schnitt. Die Emissionen eines Jahres ergeben dann einen gigantischen Dreitausender, der weite Teile Manhattans sowie die angrenzenden Hudson River und East River unter sich begräbt. Und oben auf dem Gipfel weht ein pfeifender Wind. 

Der Unterschied zwischen "Pull"- und "Push"-Publikum

Der Clip entstand bereits 2014, aber er ist immernoch vorbildhaft. Finanziert hat ihn der Environmental Defense Fund, ein US-Umweltverband mit Sitz in, genau, New York. Im Kleingedruckten werden Detaildaten nachgeliefert, also dass die Jahresemissionen der Stadt (im Jahr 2010) mehr als 54 Millionen Tonnen betrügen, dass diese zu drei Vierteln aus Gebäuden stammten und dass der damalige Bürgermeister Michael Bloomberg die Emissionen innerhalb weniger Jahre um 30 Prozent senken wolle.

Die üblichen Zahlenkolonnen, Balkendiagramme oder Emissionskurven seien in Ordnung für ein Publikum, das ohnehin am Klima-Thema interessiert ist - als "pull audience" bezeichnet Real World Visuals diese Zielgruppe, zu deutsch: als "Zug-Publikum", das sich gewünschte Informationen selbst holt. Diese Leuten schafften es, aus diversen Veröffentlichungen selbst herauszuziehen, was sie interessiert. Doch der übliche Stil gewöhnlicher Klima-Infografiken sei "nutzlos für das 'push audience'", so die Agentur. "Sie stellen nicht selbst Fragen, und für sie ist es oft schwer, Zahlen in Realität zu übersetzen". Diese Zielgruppe brauche eine andere Darstellungsweise - eine "push visualisation". Regelrecht ins Blickfeld "drücken" müsse man diesen Menschen die relevanten Informationen. Zum Beispiel mit einem Bällebad.

Toralf Staud