Die Dringlichkeit des Umwelt- und Klimaschutzes ist offenbar in den Köpfen der Deutschen angekommen. Das ist Ergebnis der sogenannten Umweltbewusstseinsstudie 2018, die am Dienstag in Berlin veröffentlicht wurde. "Zwei Drittel der Befragten schätzen den Klima- und Umweltschutz als sehr wichtige Herausforderung ein", erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die die Untersuchung gemeinsam mit Maria Krautzberger, der Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA) vorstellte.

Damit stieg der Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimakrise in der Priorität der Deutschen gegenüber der vorherigen Befragung (2016) um elf Prozentpunkte. Mit 64 Prozent genießen Umwelt- und Klimaschutz nun in der Wahrnehmung einen ähnlichen Stellenwert wie die Top-Themen Bildung (69 Prozent) und soziale Gerechtigkeit (65 Prozent). Klima- und Umweltschutz ist den Bürgerinnen und Bürgern damit deutlich wichtiger als beispielsweise der Zustand des Gesundheitssystems (56 Prozent), die Kriminalitätsbekämpfung (52 Prozent), die Migration (49 Prozent) oder die wirtschaftliche Entwicklung (33 Prozent). 

Grafik: BMU/UBA 2018

Alle zwei Jahre - und schon seit 1996 - veröffentlicht das Umweltbundesamt die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum Umweltbewusstsein in Deutschland. Für die aktuelle Ausgabe wurden in der zweiten Jahreshälfte 2018 in zwei Durchgängen insgesamt rund 4.000 Personen repräsentativ befragt - "also bevor Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung bekannt wurde", wie Umweltministerin Schulze betonte. UBA-Chefin Krautzberger sprach von einem "großen Datensatz", bei dem vor allem die Jahresreihen aufschlussreich seien: "Der Zustand der Umwelt wird heute deutlich skeptischer beurteilt als vor 20 Jahren." Nur noch 60 Prozent der Deutschen würden diesen als gut oder sehr gut bezeichnen, wobei sicherlich auch die Erfahrung des vergangenen Extremsommers eine Rolle gespielt habe. In der Befragung des Jahrgangs 2016 hatten noch 75 Prozent angegeben, den Zustand unserer Umwelt als gut oder sehr gut einzuschätzen.

Fast 90 Prozent befürworten Einschnitte bei einzelnen Industrien

In der diesjährigen Studie konzentrierte sich auf drei thematische Schwerpunkte: Energie, Landwirtschaft und Verkehr. So befürworten 95 Prozent der Befragten eine Steigerung der Energieeffizienz durch neue Technologien. 92 Prozent befürworten den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. "Die Deckelung des Ausbaus ist unsinnig", sagte die Umweltministerin und forderte in Übereinstimmung mit der Branche: "Der Solar- und Winddeckel muss weg!"

Bemerkenswert: 88 Prozent der Befragten stimmen "voll und ganz" oder "eher" der Aussage zu, es sei "in Ordnung, wenn durch die Energiewende einzelne Industriezweige umstrukturiert werden, etwa der Kohlebergbau". 81 Prozent sind der Meinung (43 Prozent voll und ganz, 38 Prozent eher), bei Energiewende und Klimaschutz gehe zu langsam voran.

76 Prozent kritisieren eine ungleiche Verteilung der Energiewende-Kosten

Abgefragt wurden auch mögliche Kritikpunkte an der Energiewende. Hier rangiert an oberster Stelle die Sorge um die Gerechtigkeit: 76 Prozent der Befragten finden (39 Prozent voll und ganz, 37 Prozent eher), die Kosten der Energiewende seien zu ungleich verteilt. Deutlich niedriger, aber teils immer noch deutlich, fällt die Zustimmung zu anderen Kritiken aus: Lediglich 23 Prozent finden es "unsinnig, dass in Deutschland so viele Gebäude gedämmt werden". Aber 51 Prozent sind der Ansicht, bei der Energiewende werde nicht genügend auf den Naturschutz geachtet.

Auf dem Gebiet der Landwirtschaft ist für die Befragten das Artensterben das größte Problem: 65 Prozent sehen es als "sehr großes Problem", 26 Prozent als "eher großes Problem". 68 Prozent fordern, dass Umwelt- und Klimaaspekte in der Landwirtschaftspolitik eine übergeordnete Rolle spielen sollen. In der Verkehrspolitik fordern 90 Prozent der Befragten, mehr Mittel in den öffentlichen Nahverkehr zu investierenf. 91 Prozent wollen, dass dieser kostengünstiger wird - doch "in der Realität ist der ÖPNV seit dem Jahr 2000 um 79 Prozent teurer geworden", merkte Ministerin Schulze an.

Nur 14 Prozent finden, die Bundesregierung tue genug fürs Klima

Große Mehrheiten der Befragten sehen Defizite beim Klimaschutz. So sind nur noch acht Prozent mit dem Engagement der Industrie zufrieden ("tut genug"/"tut eher genug"), 2016 waren es noch 15 Prozent. Die Arbeit der Bundesregierung bewerten in diesem Jahr 14 Prozent positiv, 2016 zeigten sich noch 34 Prozent zufrieden. 24 Prozent sind der Meinung, Städte und Gemeinden unternähmen genug in Sachen Klimaschutz, in der vorangegangenen Umfrage lag der Wert noch bei 49 Prozent.

Grafik: BMU/UBA 2018

Interessanterweise sind die Befragten nicht einmal mit den Umweltverbänden zufrieden - 29 Prozent finden, sie täten nicht genug genug für den Umwelt- und Klimaschutz (vor zwei Jahren waren lediglich 20 Prozent dieser Auffassung). Aber auch ihr eigenes Verhalten beurteilen die Deutschen kritisch: Lediglich 19 Prozent der Befragten finden, dass sie genug oder eher genug tun - vor zwei Jahren waren es mit 34 Prozent deutlich mehr.

Grundsätzlich wollen die Befragten, dass Umwelt- und Klimaschutz in allen Politik-Bereichen stärker Eingang findet. So urteilten 34 Prozent, dass der Klimaschutz in der Wirtschaftspolitik eine übergeordnete Bedeutung haben sollte, 58 Prozent meinen, dass er neben den eigentlichen Aufgaben „angemessen berücksichtigt“ werden sollte. Selbst in der Sozialpolitik (19 Prozent für "übergeordnet", 59 Prozent für "angemessen berücksichtigt") und der Steuerpolitik (22 und 55 Prozent) wollen die Befragten Klimaschutz verankert wissen.

Grafik: BMU/UBA 2018
Text: Nick Reimer