Martin Kaiser, 54, ist Diplom-Geoökologe und Diplom-Forstingenieur. Er arbeitet seit 1998 für die Umweltschutzorganisation Greenpeace und hat dort viele Jahre lang internationale Klima- und Biodiversitätsprojekte geleitet, außerdem vertrat er Greenpeace auf mehreren UN-Klimakonferenzen und in der sogenannten "Kohlekommission" der Bundesregierung. Seit Oktober 2016 gehört er zur Geschäftsführung von Greenpeace Deutschland.

 

1. Nennen Sie bitte eine Sache, die Ihnen persönlich wirklich sehr, sehr am Herzen liegt – und die Sie durch den Klimawandel gefährdet sehen.

Einen Großteil meiner Ausbildung und meines beruflichen Lebens habe ich mich mit Wäldern befasst. Und ich sehe gerade, dass schon bei der derzeitigen Erwärmung und durch die Wetterextreme die Wälder extrem in Mitleidenschaft gezogen werden. Meine große Befürchtung ist, dass wir bei einer weiteren Erwärmung in eine Situation reinkommen, in der die Wälder – auch die Naturwälder – hier in Deutschland großflächig absterben und sich ganze Landschaften verändern werden. Das treibt mich ganz persönlich an, alles daran zu setzen, dass wir die Emissionen runterbringen - hier in Deutschland, in Europa, aber auch global.

2. Wann und mit wem haben Sie zuletzt – jenseits Ihres Jobs – über den Klimawandel gesprochen?

Das waren meine erwachsenen Söhne. Die fragen sich mit Anfang 20 natürlich, was aus ihnen wird und was sie für eine Perspektive haben. Und ob es die Gesellschaft und die viel zu langsame Politik schaffen, das Ruder so herumzureißen, dass das Klimachaos verhindert werden kann. Das beschäftigt sie und ist für mich eine zusätzliche Motivation mich einzusetzen.

3. … und mit wem würden Sie sich gern einmal darüber unterhalten?

Mit der Bundeskanzlerin - weil ich glaube, dass es eine Fehlannahme ist, den Klimanotstand so zu verwalten wie andere politische Themen und immer nur das Allernötigste zu tun, um eine mediale Aufmerksamkeit abzuräumen. Ich glaube, es ist ein grundlegender Wandel unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft notwendig. Und ich möchte mit der Kanzlerin mal darüber diskutieren, dass es dringend nötig ist, hier wirklich einen Politikwechsel einzuleiten.

4. Wenn Sie versuchen, Menschen mit dem Thema Klimawandel zu erreichen - hatten Sie schon einmal einen Aha-Effekt in der Frage, wie das am besten gelingt?

Aus meiner persönlichen Erfahrung sind es drei Aspekte, bei denen Menschen plötzlich aufmerksam werden. Der erste waren im vergangenen Jahr die Ernteausfälle wegen der extremen Dürre. Wasser ist - glaube ich - etwas, das sehr nah an jedem Menschen dran ist. Hinzu kommt die Selbstverständlichkeit bei uns, dass immer Wasser verfügbar war - und plötzlich ist das nicht mehr der Fall. Da habe ich gemerkt, da fangen die Leute an wirklich umzudenken.

Der zweite Aspekt ist Gesundheit. Dass mehr und mehr tropische Insektenarten bei uns reinkommen, weckt auch in medizinischen Kreisen das Interesse am Klimawandel. Die sehen nämlich die ganz andere Dimension, wenn dadurch plötzlich tropische Krankheiten zum Alltag werden. Und der dritte ist die Stimme der Jugend. Wenn meine Söhne mir sagen, es passiert zu wenig, trifft mich das viel mehr, als wenn das ein Erwachsener sagt. Und ich glaube diese Nähe der Menschen zu ihren Kindern und zu ihren Enkeln, diese ganz andere emotionale Beschäftigung mit dem Thema, hat jetzt in vielen Bevölkerungskreisen zu einer ganz anderen Diskussion geführt als noch vor einem Jahr.

5. Die Menschen, die Ihnen besonders nahestehen - könnten die zutreffend beschreiben, was Sie in Sachen Klimawandel tun?

Ja. und sie teilen es auch. Beispielsweise, dass wir kein Auto haben und Mobilität eben im Wesentlichen über Fahrrad und Zug realisieren oder uns - wenn es gar nicht anders geht - ein Auto leihen. Und die wissen auch, dass ich zwar fast gar kein Fleisch mehr esse, aber ab und zu, einmal im Monat, dann doch gerne ein Stück Biofleisch.

6. Stellen Sie sich vor, Sie wären der Vorsitzende einer politischen Partei, die den Klimaschutz voranbringen will. Was wäre der Kampagnen-Slogan, mit dem Sie Ihre Wählerinnen und Wähler erreichen?

"Mut zur Veränderung, um unseren Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen!"

Foto: Greenpeace

Vergangenen Monat in dieser Rubrik: Markus Rindt, Intendant der Dresdner Sinfoniker