Auf den ersten Blick mag die Frage überraschen, was der Klimawandel ausgerechnet die Hersteller von Luxusmode angeht. Auf den zweiten Blick aber ist die Frage sehr naheliegend: Denn wie kaum eine andere Branche sind Edel-Labels auf hochwertige und seltene Rohmaterialien angewiesen. Wenn infolge des Klimawandels Bauern weniger verlässlich produzieren können, wenn Lieferketten unterbrochen werden oder die Qualität leidet - dann ist das ganze Geschäftsmodell von Luxusmarken bedroht.

Da ist zum Beispiel die Vikunja-Wolle: Sie gilt als eine der feinsten Tierfasern der Welt, keine ist teurer und seltener. Die Tiere aber leben ausschließlich in den Hochanden, etwa in Bolivien, Chile, Ecuador oder Peru, zwischen 3.500 und 5.200 Metern Höhe. Der Klimawandel wird dort voraussichtlich zu stärkerer Trockenheit führen. Bereits im Jahr 2010 ließ eine Dürre in Bolivien die Wasserlöcher der Vikunja teilweise austrocknen.

Die Folgen des Klimawandels für Vikunja und fünf weitere Rohstoffe von Luxus-Marken beleuchtet der Report "Climate Change: Implications and Strategies for the Luxury Fashion Sector", der anlässlich des Pariser Klimagipfels im November erschienen ist. Herausgeber des Berichts sind der Unternehmensverband Business for Social Responsibility (BSR) mit mehr als 250 Mitgliedsfirmen weltweit sowie die französische Mode-Holding Kering. Zu ihr gehören unter anderem die Marken Gucci, Brioni, Stella McCartney, Puma und Volcom; Kering ist in mehr als 120 Ländern aktiv und verzeichnete 2014 einen Umsatz von rund zehn Milliarden Euro.

Von Seide bis Kalbsleder - wie der Klimawandel die Produktion bedroht

"Die Wirtschaft hat eine besondere Verantwortung zu handeln", schreibt Marie-Claire Daveu, Nachhaltigkeitsbeauftragte bei Kering, im Vorwort - und für Luxusmode-Firmen gelte das ganz besonders. "Über die ganze Wertschöpfungskette sind die Folgen des Klimawandels bereits zu spüren", betont der Report, "und die Folgen werden wahrscheinlich noch schlimmer werden."

Neben Vikunja-Wolle behandelt der rund 60-seitige Bericht fünf weitere typische Rohmaterialien von Luxusmode-Firmen: Kaschmirwolle, Qualitäts-Baumwolle, Seide, Schafs-/Lammleder sowie Rinds-/Kalbsleder. Die Produktion all dieser Grundstoffe ist - in unterschiedlichem Maße - durch steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit, durch Extremwetterereignisse oder häufigere Pflanzen- bzw. Tierkrankheiten bedroht.

Auf Weltkarten für die sechs untersuchten Rohstoffe ist in dem Report jeweils visualisiert, wo Mitte des Jahrhunderts die stärksten Folgen des Klimawandels für dessen Produktion erwartet werden (rote und rötliche Flächen) und wo die Haupterzeugungsländer liegen - hier die entsprechende Karte für Seide

Als Konsequenz empfiehlt der Bericht eine Reihe von Maßnahmen. Zuallererst sollten Unternehmen ihre eigenen Lieferketten daraufhin analysieren, wie anfällig sie für erwartete Folgen des Klimawandels sind und wie stark sie selbst zur Erderwärmung beitragen (bei Kering zum Beispiel fallen zwei Drittel der durch die Firma verursachten Treibhausgas-Emissionen bei den Lieferanten an). Durch sparsameren Energieeinsatz, klügeres Design der Produkte und die Umstellung umweltschädlicher Produktionsweisen lassen sich die Emissionen deutlich senken. Unternehmen sollten auch gezielt ihre Lieferanten (häufig kleine Landwirtschaftsbetriebe) bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Der Report stellt hier einige Modellprojekte vor, etwa die Förderung von Bio-Baumwolle in Indien.

Was Modefirmen tun können: "Klimaschutz unwiderstehlich machen"

Darüberhinaus nennt der Bericht noch eine besondere Handlungsoption für Luxusmode-Labels: "Klimaschutz unwiderstehlich zu machen". Schließlich habe die Branche einen hohen Einfluss auf die öffentliche Meinung, sie setze Trends und definiere, was cool ist. Ihre Kunden sitzen in Wirtschaft und Gesellschaft an entscheidenden Positionen. "Was Luxusmarken am besten zu tun vermögen, nämlich Wünsche und Sehnsüchte bei Menschen zu wecken, können sie heute einsetzen, um eine klimaschonende Welt zu unterstützen." Dazu gehöre nicht zuletzt, politische Vorschläge für mehr Klimaschutz öffentlich zu unterstützen. 

All dies sei, fügt Kering-Managerin Marie-Claire Daveu unverblümt hinzu, auch im Interesse der eigenen Unternehmen. Wenn man den Klimawandel ignoriere, schreibt sie, werde sich das irgendwann auch an den Gewinnen bemerkbar machen. Kümmere man sich hingegen um das Thema, dann senke man die Unternehmensrisiken und werde konkurrenzfähiger für die Zukunft. "Will man erfolgreich bleiben in einer Welt, die sich rasant verändert", so Daveu, "dann gibt es keine Alternative dazu, eine ehrgeizige Klimastrategie zu implementieren."

tst