Das Umweltbewusstsein hat nur bedingt mit einem tatsächlich umweltfreundlichen Verhalten zu tun. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kam kürzlich eine Untersuchung des Umweltbundesamtes. Für die "Repräsentative Erhebung von Pro-Kopf-Verbräuchen natürlicher Ressourcen in Deutschland (nach Bevölkerungsgruppen)" befragten Silke Kleinhückelkotten und Hans-Peter Neitzke vom Ecolog-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung in Hannover sowie Stephanie Moser vom Centre for Development and Environment der Universität Bern gut 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland nach ihrem Energieverbrauch. Dabei wurden sämtliche Lebensbereiche vom Wäschewaschen bis zum Urlaub erfasst. Ziel war zu erfahren, wie soziodemografische und -kulturelle Faktoren sowie die Umwelteinstellungen die Höhe der Treibhausgasemissionen bestimmen.

Die Analysen zeigen, dass der Energieverbrauch mit der Höhe des Einkommens und dem formalen Bildungsstand steigt. In sozialen Milieus mit positiven Umwelteinstellungen ist der Energieverbrauch also überdurchschnittlich hoch. "Wer von einer hohen Umwelteinstellung berichtet, hat meist auch einen höheren Energiekonsum, was stark auf das Einkommen zurückzuführen ist. Das wiederum beruht auf höherer Bildung, die mit stärkerem Umweltbewusstsein korreliert", erklärt die Sozialpsychologin Alexandra Kibbe von der Otto-von Guericke Universität in Magdeburg den Zusammenhang.

Große Wohnungen und Flugreisen sind die Energiefresser der Gutverdiener

Laut der UBA-Studie verbraucht die Gruppe mit dem höchsten Einkommen viel Heizenergie – offensichtlich kann sie sich große Wohnungen leisten. Die ebenfalls umweltbewusste Gruppe der Mobilen mit dem zweithöchsten Einkommen fliegt viel und hinterlässt unter anderem deshalb einen großen ökologischen Fußabdruck. Lediglich in zwei Bereichen hat bei diesen Menschen das Umweltbewusstsein tatsächlich auch positve Folgen für den verursachten Treibhausgasausstoß: durch das Einkaufen im Bioladen und den Verzicht auf Fleisch.

"Menschen handeln überwiegend rational. Sie versuchen, die eigenen Gewinne zu steigern und führen Handlungen aus, die bequem und einfach sind", erklärt Kibbe die Kluft zwischen Einstellung und Verhalten. "Wenn sie die Wahl haben, fangen sie mit dem leichtesten an. Sie trennen den Müll oder fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. Vergleichsweise aufwändigere Verhaltensweisen, wie sich vegetarisch zu ernähren oder die Heizung herunterzudrehen, zeigen schon weniger Menschen. Denn dann muss man neue Rezepte ausprobieren oder es ist kühl in der Wohnung." Auf Flugreisen schließlich würden nur Wenige verzichten. "Solche schwierigen Verhaltensänderungen haben aber oft den größeren Einfluss auf den Energiekonsum", sagt die Sozialpsychologin.

Eine Lösung für das sozial-ökologische Dilemma hat die Forschung noch nicht

Bei der Frage nach einer Lösung für dieses Problem stoße man unweigerlich auf das sozial-ökologische Dilemma, sagt Kibbe: "Wenn ich selbst auf etwas verzichte, hat nur die Allgemeinheit etwas davon." Aus psychologischer Sicht seien zwei Faktoren für umweltrelevantes Handeln ausschlaggebend, so Kibbe: das individuelle Umweltbewusstsein und die beim Handeln anfallenden "Verhaltenskosten", also Geld, Zeitaufwand oder Einbußen an Komfort. Um ein umweltschonendes Verhalten zu fördern, könne man die Kosten für gewünsches Verhalten senken, beispielsweise mit Subventionen. Oder man könne Kosten für unerwünschtes Verhalten anheben, etwa durch Gebühren auf Plastiktüten. Ein grundsätzlich anderer Ansatz sei die Vermittlung sozialer Normen: "Wenn ich weiß, dass sich meine Nachbarn, meine Freunde oder Kollegen oder auch nur andere Gäste des gleichen Hotels umweltfreundlich verhalten, werde ich es auch eher tun", sagt Kibbe. "Das befriedigt das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit."

Den Nachteil einer solchen Motivation von außen - der sogenannten extrinsischen Motivation - sei: "Sie wirkt nur kurzfristig und nur auf einzelne Verhalten", sagt Alexandra Kibbe. Wird etwa das Dämmen eines Hauses gefördert, führt dies erstmal zur Energieeinsparung. Oft zeigt sich aber ein sogenannter "Reboundeffekt": Durch eine folgende Verhaltensänderung werde dann doch wieder mehr Energie verbraucht - im Falle eines gedämmten Hauses könnte es beispielsweise passieren, dass Bewohner dann nicht mehr in ungenutzten Räumen die Heizung herunterdrehen.

"Die individuelle Umwelteinstellung zu fördern, würde demgegenüber dauerhaft und auf alle umweltrelevanten Verhaltensweisen wirken", sagt Kibbe. Wie man eine solche intrinsische Motivation fördern könne, sei bisher unzureichend erforscht. Auf jeden Fall handele es sich um einen langwierigen Prozess. "Die große Herausforderung ist Menschen zum Verzicht auf ihre Nutzengewinne zu bewegen", sagt die Expertin. Sie selbst sieht dabei Erlebnisse in der Natur als Haupttrumpf: "Denn nur wenn mir etwas am Herzen liegt, habe ich persönlich etwas von dessen Schutz", sagt Kibbe. Man müsse einen "Umschalter" finden und zeigen, dass jede und jeder einen persönlichen Nutzen vom Umweltschutz hat. "Es darf nicht nur Verzicht sein."

"Bewusste" leben im Einklang mit ihren Umwelteinstellungen

Immerhin gibt es eine Gruppe von Konsumenten, die bereits umgeschaltet hat: Die UBA-Studie benennt mit dem "bewussten Durchschnittsverbraucher" einen Typus, der über die höchste Bildung und das höchste Umweltbewusstsein aller Befragten verfügt - und der auch bei relativ hohem Einkommen kaum mehr Energie verbraucht als die Gruppe der Einkommensschwachen, die in der Regel ein sehr viel geringeres Umweltbewusstsein haben.

Das Umweltbundesamt empfiehlt, extrinsische Anreize zur Senkung des individuellen Ressourcenverbrauchs auf bestimmte Zielgruppen auszurichten: Auf jene, bei denen es hohe Einsparpotenziale gibt, die über genügend Geld verfügen, um auch kostenträchtige Maßnahmen umzusetzen - und die einsehen, dass eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs notwendig ist. Zugleich weist das UBA auf die Grenzen individueller Verhaltensänderungen und psychologischer Ansätze hin. Sein Fazit lautet: "Da eine gezielte Steuerung sozialer und kultureller Entwicklungen hin zu einem nachhaltigen Lebensstil in pluralen Gesellschaften kaum möglich ist, bleibt nur der Weg, sozial-, wirtschafts- und umweltpolitisch Rahmenbedingungen zu schaffen, die Anreize für einen nachhaltigeren Konsum setzen. Oder hohe Hürden für einen nicht-nachhaltigen Konsum errichten."

Susanne Ehlerding