Um das Angebot klimaschonender Energie zu fördern, finden sich vielerorts Bürgerinnen und Bürger zusammen und gründen gemeinschaftliche Energie-Initiativen (auch erneuerbare Energiegemeinschaften, Energiewendegenossenschaften oder Bürgerenergieinitiativen genannt). Allein in Deutschland zählen Studien mehr als 800 Bürger-Energie-Genossenschaften, in Österreich rund 200 (Wierling et al. 2018). Solche Graswurzelbewegungen produzieren nicht nur erneuerbare Energie, sondern können über das Projekt hinaus Aufmerksamkeit für das Thema Energiewende wecken und gesellschaftliche Veränderungen anstoßen (Hossain 2016; Seyfang/Haxeltine 2012; Westerhoff et al. 2018). Doch gemessen an der Gesamtbevölkerung sind bisher nur relativ wenige Menschen in derartigen Initiativen aktiv. Es gibt also viel ungenutztes Potenzial für eine breitere Beteiligung.

Um dieses zu erschließen, kann ein besseres Verständnis für die Beweggründe helfen, warum Menschen in solchen Gruppen mitmachen. Genau damit haben sich Daniel Sloot, Lise Jans und Linda Steg vom Institut für Psychologie der niederländischen Universität Groningen auseinandergesetzt, ihre Untersuchung ist 2019 in der Fachzeitschrift Global Environmental Change erschienen.

Pauschal gefragt, nennen viele Leute finanzielle Beweggründe ...

In vier Befragungen haben sie insgesamt 1000 Holländerinnen und Holländer gefragt, inwiefern finanzielle Motive (z. B. "Geld sparen"), umweltbezogene (z. B. "zu einer besseren Umwelt beitragen") oder gemeinschaftliche Gründe (z. B. "mich in meiner Nachbarschaft engagieren") bei der Entscheidung relevant sind, in einer Energie-Initiative mitzumachen. Bei dieser Selbsteinschätzung stuften die Befragten finanzielle und umweltbezogene Motive als wichtiger ein (der Mittelwert über alle Studien hinweg war ungefähr 5, wobei 1 "überhaupt nicht wichtig" und 7 "sehr wichtig" bedeutete) als gemeinschaftliche Motive (Mittelwert hier ca. 3.5). Dieser Befund zeigte sich unabhängig davon, ob sich die Personen bereits an einer Energie-Initiative beteiligten oder nicht.

Ein etwas anderes Bild zeigte sich allerdings, als die Forschenden genauer hinschauten. Statt wie im ersten Schritt bloß die relative Höhe von durchschnittlichen Wichtigkeitseinschätzungen von Motiven zu vergleichen, untersuchten sie im zweiten Schritt die Zusammenhänge zwischen diesen Einschätzungen mit verschiedenen Phasen der Beteiligung an Energie-Initiativen (z. B. Beitrittsinteresse von Nicht-Mitgliedern, Identifikation mit der Initiative unter Mitgliedern). Bei dieser Detailauswertung waren nun – neben umweltbezogenen Motiven – nicht mehr so sehr finanzielle, sondern deutlich stärker gemeinschaftliche Motive wichtig. Statistisch gesehen waren die finanziellen Motive in den meisten Analysen sogar nicht länger relevant.

... doch offenbar kennen sie oft ihre tatsächlichen Motive nicht so genau

Nun überrascht es angesichts der inhaltlichen Ausrichtung von Energie-Initiativen wenig, dass umweltbezogene Motive eine zentrale Rolle spielen. Erstaunlicher ist hingegen, dass Menschen die Bedeutung finanzieller Motive zu überschätzen scheinen (für ähnliche Befunde aus verwandten Verhaltensbereichen siehe Asensio/Delmas 2015; Bain et al. 2016; Bolderdijk et al. 2013; Evans et al. 2013; Schwartz et al. 2015) - während sie die Relevanz gemeinschaftlicher Motive zu unterschätzen scheinen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Menschen sich nicht immer darüber im Klaren sind, welche Motive ihr Verhalten tatsächlich antreiben.

Die Erkenntnisse der Studie könnten für die Praxis nützlich sein. Aus ihr lässt sich ein weiteres Mal ableiten, dass finanzielle Vorteile in der Umwelt- oder Klimakommunikation nicht allzu sehr in den Vordergrund gestellt werden sollten (wie es häufig in Energiesparkampagnen geschieht); wer andere Motive hat, könnte sich durch die Betonung des Wirtschaftlichen eher abgestoßen fühlen. Stattdessen könnte das gezielte Ansprechen gemeinschaftlicher Motive ein neues Zielpublikum erreichen und Menschen für Energie-Initiativen begeistern, die mit Umwelt- oder Klimaschutz (allein) wenig anfangen können.

Adrian Gadient-Brügger