"Ist es der Klimawandel?" Mit nur vier Worten bringt das Boulevardblatt Bild jene Frage auf den Punkt, die im Moment angesichts des vielen Schnees in Mittelgebirgen und Alpen viele Menschen bewegt. Bei fast jedem Extremwetter-Ereignis taucht diese Frage auf - weshalb zahlreiche Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz sie in den vergangenen Tagen zu beantworten suchten.

Das Fazit der Bild ist, genretypisch, ziemlich holzschnittartig: Ja, Schneemengen und Wetterextreme "sind eine Folge des Klimawandels", meint sie kategorsich. Dies ist nicht völlig verkehrt - aber auch nicht ganz korrekt. Denn ein kausaler Zusammenhang zwischen einem einzelnen Wetterereignis und der Erderwärmung ist schwierig zu belegen, wie Klimaforscher immer wieder betonen. Man sollte deshalb präzise fragen: Nicht nach der Kausalität eines Extremwetters, sondern seiner Wahrscheinlichkeit. Und da ist die Antwort klar (und insofern auch bei Bild korrekt): Der Klimawandel macht Wetterextreme deutlich wahrscheinlicher.

Indirekt lässt der milde Januar das Einsturzrisiko von Dächern steigen

Differenzierter fällt die Antwort im Deutschlandfunk Kultur aus. Dort wurde ARD-Wettermoderator Karsten Schwanke interviewt, der die gegenwärtigen Wetterbedingungen im Detail erklärt: "Wir haben eine nordwestliche Strömung, feuchte Luftmassen kommen vom Nordatlantik und prallen seit ungefähr anderthalb Wochen regelmäßig immer wieder auf die nordlichen Alpen. Und dort stauen sich die Wolken, und es schneit einfach sehr viel." Mehrere Aspekte am gegenwärtigen "Schneechaos" hätten einen Bezug zum Klimawandel, so Schwanke. Zum einen führe die Veränderung großräumiger Windmuster auf der Nordhalbkugel dazu, dass bestimmte Wetterlagen länger anhalten - so eben auch das momentane Schneewetter.

Die heftigen Schneefälle beschäftigen - wie hier die Salzburger Nachrichten - derzeit viele Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz; Abb.: Screenshot sn.at

Auf einen zweiten Aspekt weist neben Schwanke auch Peter Hoffmann hin, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) - ihn hat die Deutsche Presseagentur (dpa) interviewt: Nicht nur der laufende Januar sei deutlich zu mild. "Wir hatten 2018 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen", erinnert Hoffmann. Deshalb seien auch die Ozeane noch wärmer als normal, und es verdunste mehr Wasser. "Die Folge: Es ist grundsätzlich mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre", fassen die Salzburger Nachrichten Hoffmanns Erläuterungen zusammen. "Die derzeitige Nordströmung, die über die Nordsee geht, transportiert diese Feuchtigkeit in Richtung Süden" - eben bis an die Mittelgebirge und den Nordrand der Alpen.

Drittens machten die relativ milden Januar-Temperaturen laut Schwanke und Hoffmann den gegenwärtigen Schnee besonders schwer - was dann das Risiko erhöhe, dass Dächer unter der Last einstürzen. "Der Schnee fällt nicht bei tief frostigen Temperaturen, daher hat man eher nassen Schnee." Und der schmelze dann durch den gegenwärtig häufigen "Frost-Tau-Wechsel" regelmäßig an und werde so noch dichter. "Dann wird die Schneelast noch stärker." 

"Rasch sind die Verharmloser der Klimaerwärmung zur Stelle"

In einem ausführlichen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) ordnet Wissenschaftsredakteur Joachim Müller-Jung die hiesigen Schneemassen ins globale Bild des Klimawandels ein. Weltweit gesehen nämlich und in der Gesamtsumme wird das kühle Weiß wegen der Erderwärmung weniger - was aber eben nicht bedeutet, dass es nicht lokal (wie derzeit hierzulande oder generell in Teilen der Antarktis) starke Schneefälle geben kann.

Den Bogen zur Politik schließlich schlägt im St. Galler Tagblatt dessen Chefredakteur Stefan Schmid: "Rasch sind auf Twitter die Verharmloser der Klimaerwärmung zur Stelle, die den intensiven Schneefall zum Beweis für den nicht stattfindenden Klimawandel uminterpretieren. Vorwiegend jene rechtsbürgerlichen Politiker, die in der Dezembersession mitgeholfen haben, das CO2-Gesetz zu bodigen, machen sich über jede Schneeflocke lustig, die auf die Nase der Grünen fällt", so Schmid. "Klar, ein bisschen Humor wärmt die kalten Tage auf. Doch die Polemik ist aufgrund der erdrückenden Faktenlage lachhaft." Natürlich dürfe man in einer Demokratie die Fakten ignorieren, "so wie man ein CO2-Gesetz ablehnen oder Donald Trump zum Präsidenten wählen darf. Falsch liegt man trotzdem."

Tipps für Journalistinnen und Journalisten auf klimafakten.de
- eine Handreichung zur Berichterstattung über Extremwetter und Klimawandel
- Interviews mit dem Jenaer Klimaforscher Markus Reichstein und der Klimakommunikations-Expertin Susan Jay Hassol

tst