Bevor sie Journalistin wurde, arbeitete Elizabeth Arnold in ihrem Heimatbundesstaat Alaska mehrere Jahre in der Lachsfischerei. Im Jahr 1985 begann sie als Reporterin bei KTOO in Juneau, einem zum gemeinnützigen National Public Radio (NPR) gehörenden Radiosender, und berichtete über lokale Umwelt- und Politikthemen. Von 1991 bis 2006 war sie politische Korrespondentin in der Zentrale von NPR in Washington, D.C.. Später kehrte Arnold nach Alaska zurück, um an der University of Alaska Journalismus zu unterrichten und sich im Projekt Arctic Profiles journalistisch auf Umweltthemen zu konzentrieren. Dem Ansatz des "lösungsorientierten Journalismus" folgend werden in den Porträts Menschen und ihre Reaktion auf den Klimawandel gezeigt.

Im Frühjahr 2018 verbrachte Elisabeth Arnold als Joan-Shorenstein-Fellow ein Semester am Shorenstein-Center der Harvard Kennedy School und forschte dort über die Rolle der Medien für die Kommunikation über den Klimawandel und seine Auswirkungen. Aus einem Interview mit der Journalistin Chloe Reichel entstand der folgende Text, der zuerst im Shorenstein-Webportal "Journalist’s Resource" erschien.

Was Journalisten falsch machen: Sie konzentrieren sich aufs Katastrophale, das Publikum stumpft ab

"Zahlreiche Forschungsergebnisse belegen, dass die üblichen Klimaberichte mit einem Erzählansatz von Schrecken und Verderben dazu führen, dass die Leute abschalten. Die ständige Berieselung mit Geschichten wie 'das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen', 'noch nie so wenig Eis im Beringmeer' oder, ganz konkret, die Sorge um den Niedergang der Eisstadien in Kanada – das alles führt irgendwann bei den Menschen zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung. Und in einer solchen Gefühlslage, so die Psychologen, neigen wir zu Vermeidung und Verweigerung und schalten einfach ab."

Wie es besser geht: Nicht nur Klimafolgen und Bedrohungen zeigen, sondern auch, wie Menschen Lösungen finden

"Als Journalisten waren wir bisher nicht besonders gut darin, mehr zu tun, als nur die Auswirkungen des Klimawandels zu dokumentieren. Das ist ja auch einfach, es erzeugt Dramatik. Aber das ist genau so, als wenn man sich bei politischer Berichterstattung ausschließlich auf den Konflikt konzentriert. Es ist ein Kinderspiel, zu irgendeinem Gesetzentwurf ein Zitat von rechts und ein Zitat von links einzuholen. Viel schwieriger ist es, die dahinterstehende politische Denke zu erklären. Doch genau dies würde der Öffentlichkeit am meisten helfen, die Gesellschaft tatsächlich aufklären und die Menschen befähigen, mündige Bürgerinnen und Bürger zu sein und zu wählen – und das ist doch unsere eigentliche Aufgabe!"

„Beim Klimawandel, der ja ein außerordentlich wichtiges Thema ist, müssen wir meiner Meinung nach eine stärker ausgewogenere Berichterstattung erreichen: Immer nur über Klimafolgen und Bedrohungen zu schreiben, ohne zu erwähnen, was wir dagegen tun können – das ist einfach der Sache nicht angemessen. Mir ist bewusst, dass 'lösungsorientierter Journalismus' nach Lobbyismus klingt. Und auch ich gehöre und gehörte definitiv immer zu den Journalisten, die auf gar keinen Fall in Verdacht geraten wollten, Lobbyisten zu sein. Aber lösungsorientierter Journalismus ist etwas anderes. Nehmen wir mal das Thema öffentliche Gesundheit: Welcher Journalist würde über eine Epidemie berichten, ohne irgendwo in der gleichen Geschichte oder meinetwegen in einem Infokasten irgendetwas über Impfstoffe zu schreiben, oder darüber, wie man sich vor Ansteckung schützen kann? Das wäre journalistisches Fehlverhalten. Aber so denken wir nicht, wenn es um Klimawandel geht.“

Was Journalisten falsch machen: Sie konzentrieren sich auf Themen, mit denen die Leser nichts anfangen können

"Bei den meisten Geschichten über Klimawandel geht es um das Wetter, das Meereis, um Gletscher, Meerestemperaturen – und das ist ein weiterer Grund, warum die Leute abschalten. Menschen interessieren sich für Geschichten, die einen Bezug zu ihnen haben. Und genau das ist ein Teil des Problems mit der aktuellen Klimaberichterstattung: Die Menschen haben das Gefühl, dass sie keinen Zugang finden. Sie kriegen keine Verbindung zu den Geschichten. Und sie verstehen nicht, was das alles mit ihnen zu tun hat."

Wie es besser geht:
Dem Klimawandel ein menschliches Gesicht geben ...

"Selbst wenn es um so etwas geht wie eine wissenschaftliche Betrachtung über den Schwund des Meereises geht: Am Zusammentragen der Daten waren immer auch Menschen beteiligt! Wer sind sie? Wer sind diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Warum befassen sie sich mit genau diesem Thema, und welche neuen Fragestellungen ergeben sich daraus? Sie sind es, die wir ausfindig machen und über die wir berichten müssen."

... das Thema aus dem Wissenschaftsteil herausholen ...

"Der Klimawandel muss aus den Wissenschaftsredaktionen heraus in andere Bereiche. Natürlich ist es wichtig, dass Journalisten die Klimaforschung und die Versauerung der Meere und so weiter verstehen -  aber die Geschichten sollten nicht exklusiv von einem Fachressort behandelt werden. Der Klimawandel ist ein in höchstem Maße politisches, ökonomisches und soziales Thema. Es gibt Geschichten über Klimawandel, die mit Sport, Unterhaltung oder Demografie zu tun haben. Tatsächlich gibt es Berührungspunkte mit sämtlichen Bereichen unserer Welt, und insofern sollte es nicht einem einzigen Ressort überlassen werden."

... und einzelne Menschen ihre Geschichte erzählen lassen

"Wenn man eine lokale Geschichte erzählt oder zum Beispiel die Geschichte eines ganz bestimmten Monteurs für Solarmodule, dann heißt das nicht, dass man nicht auch irgendwann in der Geschichte diesen lokalen Kontext verlässt und daraus eine nationale oder sogar internationale Geschichte macht. Mit einem lokalen Einstieg jedoch ist es viel einfacher für die Leserinnen und Leser, die Information zu verarbeiten und einen Zugang zum Thema zu finden. Erzählt man zum Beispiel die Geschichte eines Monteurs von Solarmodulen aus der Nachbarschaft, der vorher im Bergbau gearbeitet hat, und unterhält man sich dann mit ihm darüber, was seine politischen Überzeugungen sind, was er über den Klimawandel denkt oder über sonst irgendetwas, dann ist das eine viel bessere Möglichkeit, die Leute an das größere Thema Klimawandel heranzuführen. Andernfalls ist dieses Thema einfach so … sperrig."

"Wenn mir als Reporterin ein Thema zugeteilt wird, dann gehe ich immer erst hinunter zum kleinsten gemeinsamen Nenner. Ich frage mich also: Wer ist mein Gesicht? Wer kann diese Geschichte am besten erzählen? Denn das ist immer wirkungsvoller als große Pauschalaussagen."

Karikatur: Mwelwa Musonko für klimafakten.de

Was Journalisten falsch machen: Sie nutzen immer die gleichen Quellen – Wissenschaftler und Politiker

"Ich habe mir Material aus mehr als fünf Jahren Klimaberichterstattung über die Arktis angesehen, und die überwältigende Mehrheit der Quellen waren entweder Wissenschaftler oder Politiker. Gleichzeitig kamen die Menschen vor Ort in den Geschichten darüber, was in ihrer eigenen Welt passiert, erschreckenderweise so gut wie gar nicht zu Wort. Und Sie wissen ja: Wir Journalisten finden tendenziell unsere Quellen dadurch, dass wir gegenseitig unsere Arbeiten lesen, was wiederum dazu führt, dass immer die gleichen Menschen, die gleichen Experten vorkommen ..."

Wie es besser geht:
Im Lokalen neue Quellen (und neue Geschichten) finden ...

"Journalistinnen und Journalisten müssen sich mehr anstrengen. Sie müssen neue Stimmen finden. Wenn Sie zum Beispiel Hauptstadtkorrespondent sind, dann lohnt es sich sehr, mal mit Lokalreportern zu reden. Ob es einem gefällt oder nicht - die wissen wahrscheinlich mehr als man selbst darüber, was in den Regionen passiert. Sie haben tolle Geschichten, und überraschenderweise ist es in den meisten Fällen sogar so, dass sie außerordentlich hilfsbereit sind und sich geschmeichelt fühlen."

... und geduldig sein, die ganze Geschichte hören

"Vor ungefähr zehn Jahren habe ich mal eine Geschichte über den Klimawandel und seine Auswirkungen auf eine Gemeinde hier in Alaska geschrieben. Und dann habe ich über zehn Jahre hinweg mit angesehen, wie meine Kollegen von nationalen und internationalen Medien hierher kamen und immer wieder die genau gleiche Geschichte über die besagte Gemeinde geschrieben haben – dort verschwanden aufgrund von Erosion Häuser und Schulen im Meer –, ohne dass irgendjemand darüber berichtet hätte, wie die Menschen darauf reagiert haben und eine neue Gemeinde neuneinhalb Meilen weiter auf der anderen Seite des Wassers aufgebaut haben. Dabei wäre das eine so wichtige Geschichte für viele andere Orte, die genau jetzt mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben: Erosion der Küsten, Anstieg des Meeresspiegels. Die Tatsache, dass das Ganze ein sehr langer und schwieriger Prozess war und noch ist, dass es Rückschläge und Konflikte auf dem Weg gab, ist auch ein wichtiger Teil dieser Geschichte, der nicht unter den Tisch fallen darf. Was stattdessen einzig und allein beschrieben wurde, war, wie Menschen auf Hilfe warteten, unfähig sich selbst zu helfen. Die Geschichte ihres aktiven Reagierens kam schlicht und einfach nicht vor."

Zum Schluss:
Einige Leseempfehlungen von Elisabeth Arnold zum Thema

Interview: Chloe Reichel; Wir danken für die freundliche Genehmigung zum Nachdruck
Übersetzung ins Deutsche: Vivi Bentin

Die Illustration des sambischen Illustrators und Karikaturisten Mwelwa Musonko entstand im Rahmen eines Programms der International Journalists' Programmes (IJP). Hierbei arbeitete Mwelwa Musonko für vier Wochen in den Redaktionen von klimafakten.de und Clean Energy Wire in Berlin.