Stellenweise klang es wie eine Standpauke, was heute vormittag auf der K3-Konferenz zu hören war: "Wir haben zu lange unter uns geredet – und viele Leute haben uns nicht verstanden." Oder: "Besonders Umweltaktivisten sprechen von oben herab und kommunizieren die Klimakrise mit einer erstaunlichen Ignoranz gegenüber ihren Gesprächspartnern."

Diese Worte stammen von George Marshall, Kommunikationsexperte und Gründer des britischen ThinkTanks Climate Outreach. Er hielt den ersten Hauptvortrag der zweiten Auflage des Kongresses für Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft (K3), der in diesem Jahr am renommierten Karlsruher Institut für Technologie (KIT) stattfindet. Rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft und Politik, aus Behörden und Nichtregierungsorganisationen, aus Medien und Zivilgesellschaft treffen sich für zwei Tage, um über Theorie und Praxis der Klimakommunikation zu reden.

George Marshall bei seinem Vortrag im Audimax des (KIT); Foto: K3/DKK/Stephan Röhl

Ja natürlich, sagte Marshall, die #FridaysForFuture-Bewegung habe eine erstaunliche Dynamik entfacht, und es gebe die großen, weltweiten Klimademonstrationen. Aber es gebe eben auch die Trumps, Bolsonaros und Johnsons dieser Welt. "Die Populisten haken in jene Leerstelle ein, die wir ihnen durch unsere Ignoranz offenlassen", mahnte Marshall. "Gehen Sie raus und sprechen Sie mit Menschen, die nicht ihre linksliberale Weltanschauung teilen!"

"Es geht um Fakten - aber vor allem um die große Erzählung"

So kritisch die Worte, so groß war der Applaus, den Marshall immer wieder im Audimax des KIT erhielt. Und natürlich redete er nicht nur über das, was falsch läuft - sondern auch darüber, wie wirksamere Klimakommunikation aussehen könnte. Sie sei jedenfalls zu wichtig, um sie nur aus dem Bauch heraus zu betreiben - man müsse Erkenntnisse der Sozialforschung berücksichtigen, denn sie könnten dabei helfen, Menschen zu erreichen. "Wir haben einen sozialen Auftrag", appellierte Marshall. "Denn wenn die Leute die Klimakrise nicht verstehen, dann können sie keine Entscheidungen treffen, ihre Regierungen nicht zum Handeln antreiben und ihre Lebensweise nicht ändern."

Sein Vortrag war auch gespickt mit Tipps: "Es geht um Fakten - aber vor allem geht es um die große Erzählung", so Marshall. Denn nur über Narrative würden Menschen sich Identitäten schaffen. Das hätten die Populisten und Klimawandelleugner schon lange verstanden. Er greift zu einem britischen Beispiel und zeigt ein Foto des roten Kampagnenbusses der Brexit-Befürworter: "Die Menschen haben die Erzählung geglaubt, dass London der EU jede Woche 350 Millionen Pounds überweist und man dieses Geld stattdessen in den Gesundheitsdienst stecken könne – es war eine Lüge, aber es war eine sehr mächtige Lüge." Auf der anderen Seite mögen Wissenschaft und Klimakommunikatoren mit korrekten Fakten stehen - aber die kommen oft in spröden Sätzen und und drögen Broschüren daher mit seitenlangen, kleingedruckten Literaturangaben und Fußnoten. Die Fakten seien ein starkes Fundament - aber sie seien nicht schon die Kommunikation, sondern diese müsse man auf den Fakten erst aufbauen.

Ein mit wenigen Worten beschrifteter Bus der Brexit-Befürworter hatte eine größere Wirkung als lange (und faktisch korrekte) Argumentationen der Gegner, so George Marshall in seinem Vortrag; Foto: Nick Reimer

Seine Ratschläge gehen bis tief hinein in die Wortwahl. Er hasse zum Beispiel die übliche Formulierung, die Gesellschaften müssten sich anpassen an den Klimawandel. "Nein", sagt Marshall, "es muss heißen: Wir müssen uns schützen, unsere Familien und Nachbarn verteidigen, nämlich das, was uns lieb und teuer ist." Marshall nennt dies "positives Framing". Jedenfalls bringe es gar nichts, ständig die Klimakrise als Zerstörer zu betiteln.

Offenbar hat Marshall einen Nerv getroffen. Als er nach 45 Minuten seinen Vortrag beendet, wollen ihn die Konferenzteilnehmer gar nicht gehen lassen. Es gibt viele Fragen und noch mehr Beifall. Doch die nächsten Veranstaltungen warten - die drei großen Diskussionsrunden, die auf dem K3-Programm stehen, oder die knapp 20 Workshops mit Titeln wie: "Mehr Öffentlichkeit wagen! Es gibt keine Wissenschaft ohne Kommunikation", "Eigentlich bin ich umweltfreundlich - ich komm' nur viel zu selten dazu" oder "Spannend erzählen - Wie man mit Storytelling viele Menschen für Klimathemen begeistern kann".

Karlsruhe war schonmal Geburtsort einer wissenschaftlichen Community

"Es geht hier um Sie", hatte Carel Mohn von klimafakten.de gleich am morgen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gesagt, als er unter anderem mit Marie-Luise Beck vom Deutschen Klima-Konsortium und  Gerhard Adrian, Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD) die Konferenz eröffnete. "Wir möchten, dass Sie am Mittwoch wieder ausschwärmen, vieles mit nach Hause nehmen und einiges in der Klimakommunikation auch anders und besser machen."

Übrigens sei der diesjährige Tagungsort der K3, wies KIT-Präsident Holgern Hanselka in seinem Grußwort hin, ein Ort mit langer meteorologischer und klimawissenschaftlicher Tradition. Schon 1778 sei von Karlsruhe aus das erste Messnetz badischer meteorologischer Stationen eingerichtet worden – Geburtsstunde einer wissenschaftlichen Community und atmosphärischer Messungen.

Susanne Götze