Mike S. Schäfer ist Professor für Wissenschaftskommunikation an der Universität Zürich. Er lehrt und forscht u.a. zu Klimawandel- und Umweltkommunikation, hat dazu umfangreich publiziert und u.a. die Oxford Encyclopedia of Climate Change Communication mit herausgegeben.

Schäfer hält am ersten Tag des diesjährigen K3-Kongresses einen Keynote-Vortrag "Von der Corona-Krise (zurück) zur Klimakrise: Herausforderungen, Chancen und Perspektiven der Klimakommunikation". Diesem und den anderen Hauptvorträgen können Sie im  K3-Webstream folgen

 

Herr Professor Schäfer, wir wissen genug über die Klimakrise und was gegen sie zu tun wäre – und dennoch handeln wir viel zu zögerlich. Woran liegt das?

Für die meisten Menschen besteht tatsächlich kein wesentliches Wissensdefizit mehr über die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Auch nicht über die Handlungsoptionen. Die meisten Leute wissen, was sie tun müssten: das Auto stehen lassen, nicht über die Weihnachtsfeiertage nach Thailand fliegen und solche Sachen. Es ist sogar im Bewusstsein eines großen Teils der Bevölkerung angekommen, wie klimaschädlich es ist, Fleisch zu essen. Das war vor zehn Jahren noch ganz anders ...

… gilt das für die ganze Gesellschaft? Oder anders gefragt: In welchen Gruppen käme es jetzt besonders auf eine gute Klimakommunikation an?

Ein Teil der Bevölkerung verhält sich bereits relativ klimafreundlich, die Leute sind nicht das Problem. Daneben gibt es aber eine große Gruppe, die den Klimawandel zwar nicht in Frage stellt und auch weiß, wie problematisch manche Verhaltensweisen sind. Sie würden gern mehr tun – aber es gibt da sozusagen eine Hürde, über die man ihnen mit einer passenden Kommunikation hinweghelfen könnte.

Worin besteht die Hürde?

Diese Menschen meinen oft, es bringe nicht viel, wenn sie selbst etwas in ihrem Alltag ändern. Bei ihnen stellt sich die Frage, wie man ihre Selbstwirksamkeitserwartungen stärken könnte – also das Bewusstsein, dass sie etwas Sinnvolles beitragen können, und dass sie gemeinsam mit anderen einen Unterschied machen können.

Was genau heißt, die Menschen glauben nicht daran, durch ihr Handeln etwas beitragen zu können?

Manche sehen, dass zum Beispiel internationale Unternehmen oder politische Entscheidungsträger, die für deutlich mehr Emissionen verantwortlich sind als einzelne Personen, auch zu wenig tun. Oder sie sagen sich: Die Schweiz trägt zum globalen Ausstoß von Treibhausgasen nur einen so kleinen Teil bei – da ist es doch fast egal, was wir hier tun.

 

"Man sollte Lösungen kommunzieren, aber nicht in einer abstrakten Art und Weise. Man muss klar machen: Wenn Du etwas änderst, dann macht das nicht Deinen ganzen bisherigen Lebensentwurf kaputt. Es gibt Menschen, die sind Dir vielleicht sogar ähnlich, die machen das schon. Und diese Leute leben auch ein glückliches, sinnerfülltes Leben"

 

Andere würden gern mehr tun, etwa auf Öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, nicht mehr fliegen, kein Fleisch mehr essen, ihre Wohnung oder ihr Haus besser dämmen. Diese Leute machen durchaus einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung aus. Bei ihnen sollte gute Klimakommunikation ansetzen, indem sie – wie gesagt – einerseits ihre Selbstwirksamkeitswahrnehmung stärkt, also ihnen vermittelt, dass ihr Beitrag wirklich einen Unterschied macht. Und indem sie andererseits aufzeigt, wie es gehen kann.

Indem man also Lösungen zeigt?

Aber nicht in einer abstrakten Art und Weise. Man muss klar machen: Wenn Du etwas änderst, dann macht das nicht Deinen ganzen bisherigen Lebensentwurf kaputt. Es gibt Menschen, die sind Dir vielleicht sogar ähnlich, die machen das schon. Die leben beispielsweise ohne Auto, und es klappt sogar sehr gut. Oder zumindest ist der finanzielle, zeitliche oder anderweitige Aufwand nicht so groß wie befürchtet. Vielleicht spart man sogar Geld dabei. Und man muss auch zeigen: Diese Leute leben auch ein glückliches, sinnerfülltes Leben. Das kann eine Botschaft sein.

Natürlich klappt das nicht bei allen Zielgruppen und unter allen Bedingungen – keine Art der Klimakommunikation klappt immer und bei allen. Menschen, die den Klimawandel leugnen, wird man so nicht überzeugen können. Und Aktivist:innen muss man gar nicht überzeugen. Aber der beschriebene Teil der Bevölkerung, den könnte man mit besserer Kommunikation bewegen.

Gibt es genügend Daten darüber, welche Zielgruppen es in den deutschsprachigen Ländern gibt, wie sie sich unterscheiden, und wie groß sie sind?

Man muss sich die Daten dazu ein bisschen zusammensuchen. Wir sind gerade dabei, eine etwas ältere Studie zu überarbeiten. Sie hat im Jahr 2016 für Deutschland gezeigt, dass beispielsweise die Gruppe der Aktiven größer ist als in den USA. Die Gruppe der Vorsichtigen – das sind die, denen man jetzt über die Hürde helfen müsste – machte damals 30 Prozent der Bevölkerung aus. Während umgekehrt die Gruppe der Zweifler und Ablehnenden deutlich kleiner war als in den USA oder in Australien. Das neue Paper ist praktisch fertig, aber noch nicht durch die Fachbegutachtung.

Bräuchten wir eine bessere Evaluation darüber, wie gut die Kommunikation gerade öffentlicher Stellen funktioniert? Sie wir ja mit viel Geld aus Steuermitteln finanziert – und da wäre ein Blick auf die Wirksamkeit bei verschiedenen Zielgruppen vielleicht eine gute Idee?

Es wäre sehr wichtig, darüber mehr zu wissen. Es gibt nicht so viele Forschende, die sich in den deutschsprachigen Ländern mit Klimakommunikation beschäftigen. Und wir bräuchten eine viel bessere Evaluation von Kommunikationsstrategien – nicht nur, aber auch von öffentlichen Akteuren: Was wird bereits getan, welcher Strategie folgt die Kommunikation, an wen richtet sie sich, was funktioniert in welchem Kontext gut oder schlecht?

 

"Wir bräuchten eine viel bessere Evaluation von Kommunikationsstrategien – nicht nur, aber auch von öffentlichen Akteuren: Was wird bereits getan, welcher Strategie folgt die Kommunikation, an wen richtet sie sich, was funktioniert in welchem Kontext gut oder schlecht? Aber Evaluationen finden nicht so oft statt"

 

Aber Evaluationen finden nicht so oft statt. Wenn sie stattfinden, werden sie teils nicht besonders systematisch durchgeführt. Und wenn es systematische Studien gibt, dann sind sie häufig nicht öffentlich zugänglich, weil sie im Auftrag zum Beispiel einer Stiftung oder einer NGO gemacht wurden, aber aus ihnen gar keine wissenschaftliche Publikation folgt.

Wie wichtig ist es überhaupt, sich in der Klimakommunikation auf das Gegenüber einzustellen?

Ich halte dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt für wichtiger, als die neuesten naturwissenschaftlichen Daten und Fakten zu vermitteln. Genau dies aber ist über einen langen Zeitraum hinweg die vorherrschende Art der Klimakommunikation gewesen: Man hat das Phänomen des Klimawandels erklärt. Das war auch sinnvoll und wichtig, weil die Erderwärmung noch nicht im Bewusstsein großer Teile der Bevölkerung angekommen war. Aber inzwischen hat sich das geändert.

Ist man damit aber nicht auch in eine Falle getappt? Die bisweilen industriefinanzierten Desinformationskampagnen, die etwa Naomi Oreskes in Merchants of Doubt beschreibt, schürten gezielt Zweifel am Klimawandel und gaben so den Fokus der Debatte vor. Indem Klimawissenschaft und -politik immer und immer wieder dagegenhielten, ging sehr viel Zeit verloren.

Vielleicht hätte man das ein Stück weit vermeiden können. Aber so funktioniert nun mal die Wissenschaft: Jemand zweifelt, also erklärt man ihm den Sachverhalt und vertraut darauf, dass die präsentierten Fakten schon überzeugen werden. Inzwischen wissen wir aber, dass man so nur eine Minderheit erreicht.

 

"Zuhören ist für gute Kommunikation essenziell. Tut man das nicht, ist Kommunikation superschwierig, weil man dann immer aus der eigenen Perspektive und mit der eigenen Ratio argumentiert. Und das kann völlig gegen den Baum fahren"

 

Ausschließlich über wissenschaftliche Fakten zu kommunizieren, ignoriert auch, dass viele Menschen nicht ihre Werte, Einstellungen, Ideologien und Identitäten auf Basis von Fakten ändern, sondern umgekehrt: Dass sie auf Basis ihrer Werte und Einstellungen, Ideologien und Identitäten Fakten häufig nur selektiv wahrnehmen – oder teils sogar umdeuten, um ihre Ansichten oder ihr Selbstbild zu stützen, jedenfalls nicht in Frage gestellt zu sehen.

Das heißt auch, dass eine gute Klimakommunikation auf jeden Fall die Erkenntnisse der Sozial- und Kommunikationswissenschaften berücksichtigen muss.

Klar. Wer Wissenschaftskommunikation betreibt und von seinem Gegenüber erwartet, dass er oder sie sich auf Evidenz einlässt, der muss auch selbst die vorliegende Evidenz darüber berücksichtigen, wie man gut kommunizieren kann.

Kommunikation immer auf das Gegenüber abzustellen, scheint ganz schön kompliziert. Wie kann man in einer diversen, offenen Gesellschaft überhaupt eine Verständigung über den Klimawandel erreichen?

Das ist die Eine-Million-Franken-Frage, die ich auch nicht erschöpfend beantworten kann. Aber ich glaube, man kann sich jenseits der unterschiedlichen Werte und Weltsichten zumindest mehrheitlich auf ein bestimmtes Ziel einigen. Zum Beispiel, dass eine Gesellschaft sich besser auf zunehmende Hitzewellen vorbereiten sollte, völlig unabhängig davon, was man als den Grund für deren Häufung ansieht. Dann kann man vielleicht sogar Menschen, die völlig unterschiedlich auf das Thema schauen, zum Handeln bewegen. Wenn auch aus verschiedenen Gründen: Den einen geht es vielleicht um Solidarität. Den anderen um den eigenen Gesundheitsschutz.

Was immer wichtig ist: zu wissen, wie das Gegenüber tickt. Mit wem man spricht, und was ihn oder sie umtreibt. Zuhören ist dafür essenziell. Tut man das nicht, ist Kommunikation superschwierig, weil man dann immer aus der eigenen Perspektive und mit der eigenen Ratio argumentiert. Und das kann völlig gegen den Baum fahren.  

Das Interview führte Alexandra Endres
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