Wenn der schwedische Umweltwissenschaftler Johann Rockström über die Grenzen der natürlichen Ressourcen und den Zustand der Weltmeere redet, bekommen es seine Zuhörer regelmäßig mit der Angst zu tun. Der Gedanke ist schwer erträglich, dass rund 70 Prozent der Oberfläche unseres Planeten in einem desolaten Zustand ist. Wenn Anfang Juni in New York die UN-Ozeankonferenz stattfindet, wird Rockström sicherlich die Weltgemeinschaft vor einem Kippen der Meere warnen: Weil diese große Mengen von Kohlendioxid aufnehmen und sich durch den Klimawandel stetig erwärmen, ist ihr Ökosystem in großer Gefahr. Zu Erwärmung und Versauerung der Meere kommen noch riesige Müllmengen, Chemieabfälle und die Überfischung – in der Tat viele Gründe, Alarm zu schlagen.

Mit Erfolgsgeschichten will die Kampagne "OceanOptimism" das Publikum zu mehr Umwelt- und Klimaschutz motivieren; Screenshot: OceanOptimism

Doch Hunderte Filme über plastikverseuchte Fische oder sterbende Korallen haben bisher zu keiner Kehrtwende geführt. Viele Menschen sind zwar entsetzt, eine Verhaltensänderung ist aber nicht in Sicht. Das jedenfalls dachte sich die Meeresbiologin Nancy Knowlton, als sie 2014 zusammen mit anderen Forschern die Kampagne "OceanOptimism" startete. Erst als einfachen Hashtag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, dann als Online-Bewegung – wie sich die Macher selbst beschreiben. "Ich habe an der Universität unterrichtet und war es leid, immer nur diese schrecklichen Nachrichten zu verbreiten; ich war deprimiert und meine Studenten waren es auch", erzählt Knowlton, die am Smithonian National Museum of Natural History in Washington arbeitet, einen Steinwurf vom Weißen Haus entfernt.

"Menschen wollen immer Teil des Gewinner-Teams sein"

Damit Menschen handeln, brauchen sie "good news", ist das OceanOptimism-Team überzeugt. "Menschen wollen immer Teil des Gewinner-Teams sein. So ist es bei den Wahlen, wo sich viele am Ende für den populärsten Kandidaten entscheiden – und so ist es auch im Umweltschutz", ist sich Knowlton sicher. Sozialwissenschaftlern sei schon lange klar, dass Menschen in Apathie verfallen, wenn sie mit großen Problemen ohne Lösungsansätze konfrontiert würden. Dabei gebe es durchaus eine Reihe von Erfolgsgeschichten – nur seien sie, hat die Meeresbiologin beobachtet, einer breiteren Öffentlichkeit und selbst der Forschergemeinschaft schlicht unbekannt.

Ihre Lieblings-Erfolgsstory sei ein fast unbemerkt gebliebener Erfolg im Tampa Bay in Florida, erklärte sie kürzlich im Magazin Nature. Das dort einst bedrohte Seegras habe sich erholt und wachse wieder auf dem Niveau von 1950 – und das, weil der Zufluss von Düngeabwässern in die Bucht gestoppt wurde. Selbst die meisten Meeresforscher hätten von dieser guten Nachricht nichts gewusst, so Knowlton.

Die Resonanz auf ihre Good-news-Strategie ist groß. "Ich habe mit Professoren gesprochen, die ihre Studenten nun ganz anders unterrichten, das motiviert beide Seiten", sagt Knowlton. Mit ihrer Twitterkampagne #OceanOptimism hat sie und ihr Team nach eigenen Angaben bereits mehr als 74 Millionen Twitter-Nutzer erreicht. Und das Lesen des Meldungsstroms macht in der Tat Mut. Die Community twittert über nachhaltige Züchtung von Meerestieren, den Schutz von Haien oder baut sich gegenseitig auf: "Jede Handlung bringt Veränderung! Es ist eine neue Woche: Was tust du, um den Unterschied zu machen?"

Knowlton verteidigt sich gegen den Vorwurf der Schönfärberei

Mittlerweile organisieren Knowlton und ihre Mitstreiter sogar Konferenzen; zuletzt vor ein paar Wochen in Washington DC den ersten "Erdoptimismusgipfel". Laut Organisatoren ein Riesenerfolg und Anfang einer neuen Bewegung, die sich weltweit mit guten Nachrichten versorgen will. Hunderte Forscher, Studenten und Künstler präsentierten dort Erfolgsgeschichten aus dem Umweltschutz. "Mit so einem Andrang haben wir nicht gerechnet. Die Menschen waren begeistert und sind hochmotiviert wieder nach Hause gefahren", erzählt Knowlton.

Nicht alle halten das positive Denken als Strategie für sinnvoll. Manchmal bekommt Nancy Knowlton auch böse Mails, in denen ihr Verharmlosung vorgeworfen wird. "Als Meeresbiologin weiß ich sehr wohl, dass die Probleme heute bei weitem alle guten Taten in den Schatten stellen", erklärt sie sich. Katastrophen wie die Korallenbleiche des Great Barrier Reef vor Australien seien nicht schlicht nicht schönzureden. "Während wir im Umweltschutz zwei Schritte vorankommen, wirft uns die Entwicklung wieder einen Schritt zurück – oder manchmal sogar zwei", bekennt sie in Nature. "Aber das ist kein Grund, nicht auf die Lösungen hinzuweisen, wenn man die Menschen damit sensibilisieren kann."

Susanne Götze