Anna Ramskogler-Witt studierte zunächst Kunstgeschichte in Wien. Seit 2008 arbeitet sie im Spannungsfeld zwischen Kultur und Menschenrechten. Hier war sie unter anderem als Programmleiterin des internationalen Menschenrechtsfilmfestivals "this human world" und als Büro- und Projektleiterin für die Cinema for Peace Foundation tätig. Als selbstständige PR-Managerin hat sie zudem zahlreiche gemeinnützige Organisationen und Filmemacher:innen beraten. Ab März 2017 baute sie die Abteilung Fundraising und Partnerschaften des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) auf; seit sie 2019 die Leitung des Human Rights Film Festival Berlin übernommen hat, ist sie für das ECCHR beratend tätig.

Vivian Schröder stammt aus den Niederlanden, lebt und arbeitet in Berlin und hat das Programm des Berliner Climate Story Lab kuratiert. In den vergangenen acht Jahren hat sie für die Berliner Produktionsfirma Boekamp & Kriegsheim Dokumentarfilme und -serien produziert. Sie engagiert sich auch für die Vernetzungsplattform Good Pitch, die Filmemacher:innen und die interessierte Fachöffentlichkeit vernetzt

 

 

Frau Schröder, das Human Rights Film Festival hat das Climate Story Lab (CSL) nach Berlin gebracht. Wer aber hat das CSL eigentlich erfunden? 

Vivian Schröder: Das ist die DocSociety, es gibt sie seit gut 15 Jahren, gegründet von drei Engländerinnen, ganz tolle, sehr bewundernswerte Frauen mit einer großen Vision. Sie wollten den Dokumentarfilm grundlegend ändern mit dem Ziel, dass er mehr Aufmerksamkeit bekommt. Und sie haben von Anfang an mitgedacht, dass Dokumentarfilm als wunderbares Werkzeug dienen kann, um Themen wie eben die Klimakrise besser in die Öffentlichkeit zu tragen. Ein Film kann durch seine Bilder emotionalisieren, auf eine andere Art und Weise als geschriebenes Wort.

Sie haben zum Beispiel auch eine Einrichtung für die Vermittlung von Dokumentarfilmen namens "Good Pitch" geschaffen. Was können wir uns darunter vorstellen?

Vivian Schröder: Good Pitch ist quasi eine Plattform – ein Festival, an dem ausgewählte Dokumentarfilmer:innen ihre Impact-Kampagnen kuratierten Zuschauer:innen vorstellen, die alle aus zivilgesellschaftlichen Organisationen kommen. Dies sind zum Beispiel Leute aus Stiftungen oder NGOs oder auch aus Politik  und Institutionen wie der UN, Menschenrechtsanwält:innen oder Aktivist:innen aus ganz verschiedenen Richtungen. Sie alle haben eigentlich dasselbe Ziel, aber keinen Ort, um sich zu treffen und sich untereinander zu vernetzen und gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. Und genau diesen Raum soll der Good Pitch bieten.

Vivian Schröder im BUFA Studio 5, Foto: Martin Zähringer

Und was hat die DocSociety mit dem Climate Story Lab zu tun?

Vivian Schröder: Das Climate Story Lab (CSL) wurde von der DocSociety ins Leben gerufen. Das erste CSL fand 2019 Jahr in New York statt, das zweite dieses Jahr im März noch ganz kurz vor dem Lockdown in London. Wir in Berlin sind nun das dritte derartige Labor – und danach wird es weitergeführt. In Kenia zum Beispiel gibt es bald eins und in Indien.

Was genau wollen Sie mit dem Climate Story Lab erreichen?

Vivian Schröder: Wir wollen versuchen, mit dem CSL Brücken zu schlagen – Brücken zwischen Wissenschaft, Stiftungen, NGOs, Aktivist:innen und so weiter. Und die Brücke ist Storytelling, also das Erzählen von Geschichten. Und zwar wollen wir erreichen, dass die Wissenschaftler:innen aus ihrer wissenschaftlichen Blase rauskommen, ebenso die Stiftungen, die NGOs und so weiter.

 

"Für mich ist Storytelling alles. Das ist, was uns Menschen auch so ein bisschen zum Menschen macht, dass wir den Anspruch haben, Geschichten zu erzählen, unsere Geschichten auf allen Ebene"

 

Martin Zähringer im Gespräch mit Anna Ramskogler-Witt und Vivian Schröder

Sie alle wollen ja die Klimakommunikation effektiver gestalten. Wir glauben vor allem, dass wir das durch Partnerschaften sehr viel effektiver können. Und da ist Storytelling das Bindeglied. Wir glauben, dass wir bei diesem Thema die Menschen emotional erreichen können. Auf der Webseite des CSL findet sich eine Auswahl bisheriger Storytelling-Projekte.

Anna Ramskogler-Witt: Ich beantworte die Frage andersherum. Für mich ist Storytelling alles. Das ist, was uns Menschen auch so ein bisschen zum Menschen macht, dass wir den Anspruch haben, Geschichten zu erzählen, unsere Geschichten auf allen Ebenen. Also zumindest für mich ist Storytelling jetzt nicht einfach nur der Dokumentarfilm oder der Spielfilm oder Literatur. Für mich ist es wirklich, wenn ein Sozialarbeiter ein Video macht, um seine Youngsters davon zu überzeugen, dass Radikalität vielleicht jetzt doch nicht gerade die geilste Idee auf der Welt ist, das ist für mich wahnsinnig schönes Storytelling. Es geht darum, einen anderen Menschen emotional zu bewegen.

Anna Ramskogler-Witt, Festivaldirektorin Human Rights Film Fesitval, Foto: Martin Zähringer

Konkret wie kann man das Thema Klimakrise mit dem Storytelling-Ansatz vermitteln?

Vivian Schröder: Unser Climate Story Lab in Berlin hat ganz klar im Fokus, dass wir erstens eine Diversität reinkriegen, weil wir ganz stark das Gefühl haben, dass die Klimakommunikation sehr aus dem globalen Norden heraus geführt wird. Wir im Norden sind aber nicht hauptsächlich die, die am Klimawandel so sehr leiden - das ist der globale Süden. Der ist viel zu wenig präsent in dieser Diskussion, und wir versuchen diese Stimmen einfach sehr viel lauter zu machen, indem wir ihnen Platz geben, einfach ihre Geschichten zu erzählen.

Zweitens wollen wir in drei Tagen Workshop intensivst darüber nachdenken, welche Art der Klimakommunikation bislang funktioniert hat. Was funktioniert aber auch nicht mehr? Was haben wir eingesehen?

Der Livestream des CSL auf YouTube:

Und wie soll im CSL Berlin der Austausch stattfinden?

Vivian Schröder: Das ist ein sehr interaktives Format. Jeder, der im Raum sitzt, ist dazu aufgefordert, mit seinem oder ihrem Wissen beizutragen. Und wir sind auch sehr kritisch zu sagen: Okay, es bringt nichts, wenn wir uns nur selbst auf die Schultern klopfen und sagen, das haben wir toll gemacht.

Wir wollen fragen: Wo sind die Aktionen, die auch wirklich dauerhaft einen Wandel hervorgerufen haben? Wir haben die Aufmerksamkeit für die Klimakommunikation, das ist inzwischen im öffentlichen Raum sehr weit verbreitet. Aber der Wandel, dass auch die Politik und die großen Unternehmen etwas tun, der ist noch nicht da.

Festivalplakat "The Future is Now", Foto: Martin Zähringer

Gibt es auch Literatur auf dem CSL Berlin?

Anna Ramskogler-Witt: Wir hatten vergangenes Jahr schon den Schriftsteller Ilija Trojanow zum Human Rights Film Festival in einem anderen Kontext eingeladen, das war Flucht und Vertreibung - leider konnte er nicht kommen. Und dieses Jahr, als wir geschaut haben, ob wir diverse literarische Storytelling-Beispiele haben, kamen wir auf sein Buch Eistau. Und dann haben wir uns daran erinnert, dass er im letzten Jahr sagte, er wolle total gern nach Berlin kommen. Und dann dachten wir uns, gut, wir nehmen dich beim Wort und haben ihn eingeladen. Er ist am Donnerstagmorgen aktiv und nochmal abends mit einer Lesung.

Das Interview führte Martin Zähringer

Im Online-Programm des Climate Story Lab in Berlin sind zum Beispiel zu sehen und zu hören: Beadie Finzi von der DocSociety, Bhanu Bhatnagar von Safe The Children/UK und Ashfaque Soomro aus Pakistan, The YesMan oder der Kognitionspsychologe Prof. Stephan Lewandowsky [der auch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von klimafakten.de ist] und Dr. Julia Kim aus Bhutan, Roos van de Weerd aus Patagonien oder Raka A. Sangma, Präsident des Indischen Jugend-Klimanetzwerkes und einige mehr.

Persönlich treffen kann man unter anderem Andrew Gilmor, Direktor der Berghof-Stiftung, Sina Nägel von Greenpeace, Miriam Saage-Maß vom ECCHR und Carel Mohn von klimafakten.de [das auch Medienpartner des CSL ist]